Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Na, Tante Rieke, freue Dich! sagte Klärchen, das
paßt ja wie die Butter aufs Brod, der nimmt die
Grete, das ist klipp und klar. Eine Angst hatten sie
immer, er möchte auf der Wanderschaft seinem Glau¬
ben untreu werden, und wenn er dann einen salbungs¬
vollen Brief geschrieben, kam der alte Buchstein mit
der großen Brille und er wurde gemeinschaftlich mit
Thränen und Seufzen genossen. Nun, ich gönne ihr
den Burschen, obgleich er eigentlich zu hübsch für die
Grete ist; die müßte so was Kurzes, Handfestes haben,
denn Schönheit hält sie mehr für ein Uebel als ein
Glück, nota bene weil sie selber nicht schön ist.

Die Mädchen traten jetzt in den Garten. An ei¬
nem Tisch fanden sie schon eine Bekannte, eine von
den bescheidenen Putzmacherinnen, die in die Häuser
der Damen gehen und Hüte und Hauben in Ordnung
bringen, -- und sie setzten sich zu ihr. Die Studen¬
ten nahmen einen Tisch ganz in ihrer Nähe, wurden
beim bairischen Bier bald sehr laut, und begannen
Blicke und Späße herüber zu senden. Doch der Oran¬
gegelbe blieb nicht dabei, er machte es sich bequemer
und siedelte ganz und gar zu den Mädchen über.
Klärchen wunderte sich nicht darüber, sie hatte schon
längst mit ihm auf der Straße koquettirt, sie wußte
auch, daß er in einem Hause mit der Frau Generalin,
ihrer künftigen Herrin, wohnte, und er war eigentlich
die heimliche Veranlassung zu ihrem Entschlusse, sich
zu vermiethen, gewesen. Er war ein Mediziner und
dazu ein Student von Bedeutung. Er hatte gute
Wechsel, hielt sich einen großen Neufundländer Hund,
ritt spaziren, oder fuhr auch seine Freunde in einem

Na, Tante Rieke, freue Dich! ſagte Klärchen, das
paßt ja wie die Butter aufs Brod, der nimmt die
Grete, das iſt klipp und klar. Eine Angſt hatten ſie
immer, er möchte auf der Wanderſchaft ſeinem Glau¬
ben untreu werden, und wenn er dann einen ſalbungs¬
vollen Brief geſchrieben, kam der alte Buchſtein mit
der großen Brille und er wurde gemeinſchaftlich mit
Thränen und Seufzen genoſſen. Nun, ich gönne ihr
den Burſchen, obgleich er eigentlich zu hübſch für die
Grete iſt; die müßte ſo was Kurzes, Handfeſtes haben,
denn Schönheit hält ſie mehr für ein Uebel als ein
Glück, nota bene weil ſie ſelber nicht ſchön iſt.

Die Mädchen traten jetzt in den Garten. An ei¬
nem Tiſch fanden ſie ſchon eine Bekannte, eine von
den beſcheidenen Putzmacherinnen, die in die Häuſer
der Damen gehen und Hüte und Hauben in Ordnung
bringen, — und ſie ſetzten ſich zu ihr. Die Studen¬
ten nahmen einen Tiſch ganz in ihrer Nähe, wurden
beim bairiſchen Bier bald ſehr laut, und begannen
Blicke und Späße herüber zu ſenden. Doch der Oran¬
gegelbe blieb nicht dabei, er machte es ſich bequemer
und ſiedelte ganz und gar zu den Mädchen über.
Klärchen wunderte ſich nicht darüber, ſie hatte ſchon
längſt mit ihm auf der Straße koquettirt, ſie wußte
auch, daß er in einem Hauſe mit der Frau Generalin,
ihrer künftigen Herrin, wohnte, und er war eigentlich
die heimliche Veranlaſſung zu ihrem Entſchluſſe, ſich
zu vermiethen, geweſen. Er war ein Mediziner und
dazu ein Student von Bedeutung. Er hatte gute
Wechſel, hielt ſich einen großen Neufundländer Hund,
ritt ſpaziren, oder fuhr auch ſeine Freunde in einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0021" n="15"/>
      <p>Na, Tante Rieke, freue Dich! &#x017F;agte Klärchen, das<lb/>
paßt ja wie die Butter aufs Brod, der nimmt die<lb/>
Grete, das i&#x017F;t klipp und klar. Eine Ang&#x017F;t hatten &#x017F;ie<lb/>
immer, er möchte auf der Wander&#x017F;chaft &#x017F;einem Glau¬<lb/>
ben untreu werden, und wenn er dann einen &#x017F;albungs¬<lb/>
vollen Brief ge&#x017F;chrieben, kam der alte Buch&#x017F;tein mit<lb/>
der großen Brille und er wurde gemein&#x017F;chaftlich mit<lb/>
Thränen und Seufzen geno&#x017F;&#x017F;en. Nun, ich gönne ihr<lb/>
den Bur&#x017F;chen, obgleich er eigentlich zu hüb&#x017F;ch für die<lb/>
Grete i&#x017F;t; die müßte &#x017F;o was Kurzes, Handfe&#x017F;tes haben,<lb/>
denn Schönheit hält &#x017F;ie mehr für ein Uebel als ein<lb/>
Glück, <hi rendition="#aq">nota bene</hi> weil &#x017F;ie &#x017F;elber nicht &#x017F;chön i&#x017F;t.</p><lb/>
      <p>Die Mädchen traten jetzt in den Garten. An ei¬<lb/>
nem Ti&#x017F;ch fanden &#x017F;ie &#x017F;chon eine Bekannte, eine von<lb/>
den be&#x017F;cheidenen Putzmacherinnen, die in die Häu&#x017F;er<lb/>
der Damen gehen und Hüte und Hauben in Ordnung<lb/>
bringen, &#x2014; und &#x017F;ie &#x017F;etzten &#x017F;ich zu ihr. Die Studen¬<lb/>
ten nahmen einen Ti&#x017F;ch ganz in ihrer Nähe, wurden<lb/>
beim bairi&#x017F;chen Bier bald &#x017F;ehr laut, und begannen<lb/>
Blicke und Späße herüber zu &#x017F;enden. Doch der Oran¬<lb/>
gegelbe blieb nicht dabei, er machte es &#x017F;ich bequemer<lb/>
und &#x017F;iedelte ganz und gar zu den Mädchen über.<lb/>
Klärchen wunderte &#x017F;ich nicht darüber, &#x017F;ie hatte &#x017F;chon<lb/>
läng&#x017F;t mit ihm auf der Straße koquettirt, &#x017F;ie wußte<lb/>
auch, daß er in einem Hau&#x017F;e mit der Frau Generalin,<lb/>
ihrer künftigen Herrin, wohnte, und er war eigentlich<lb/>
die heimliche Veranla&#x017F;&#x017F;ung zu ihrem Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ich<lb/>
zu vermiethen, gewe&#x017F;en. Er war ein Mediziner und<lb/>
dazu ein Student von Bedeutung. Er hatte gute<lb/>
Wech&#x017F;el, hielt &#x017F;ich einen großen Neufundländer Hund,<lb/>
ritt &#x017F;paziren, oder fuhr auch &#x017F;eine Freunde in einem<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0021] Na, Tante Rieke, freue Dich! ſagte Klärchen, das paßt ja wie die Butter aufs Brod, der nimmt die Grete, das iſt klipp und klar. Eine Angſt hatten ſie immer, er möchte auf der Wanderſchaft ſeinem Glau¬ ben untreu werden, und wenn er dann einen ſalbungs¬ vollen Brief geſchrieben, kam der alte Buchſtein mit der großen Brille und er wurde gemeinſchaftlich mit Thränen und Seufzen genoſſen. Nun, ich gönne ihr den Burſchen, obgleich er eigentlich zu hübſch für die Grete iſt; die müßte ſo was Kurzes, Handfeſtes haben, denn Schönheit hält ſie mehr für ein Uebel als ein Glück, nota bene weil ſie ſelber nicht ſchön iſt. Die Mädchen traten jetzt in den Garten. An ei¬ nem Tiſch fanden ſie ſchon eine Bekannte, eine von den beſcheidenen Putzmacherinnen, die in die Häuſer der Damen gehen und Hüte und Hauben in Ordnung bringen, — und ſie ſetzten ſich zu ihr. Die Studen¬ ten nahmen einen Tiſch ganz in ihrer Nähe, wurden beim bairiſchen Bier bald ſehr laut, und begannen Blicke und Späße herüber zu ſenden. Doch der Oran¬ gegelbe blieb nicht dabei, er machte es ſich bequemer und ſiedelte ganz und gar zu den Mädchen über. Klärchen wunderte ſich nicht darüber, ſie hatte ſchon längſt mit ihm auf der Straße koquettirt, ſie wußte auch, daß er in einem Hauſe mit der Frau Generalin, ihrer künftigen Herrin, wohnte, und er war eigentlich die heimliche Veranlaſſung zu ihrem Entſchluſſe, ſich zu vermiethen, geweſen. Er war ein Mediziner und dazu ein Student von Bedeutung. Er hatte gute Wechſel, hielt ſich einen großen Neufundländer Hund, ritt ſpaziren, oder fuhr auch ſeine Freunde in einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/21
Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/21>, abgerufen am 21.11.2024.