Zweispänner. Er war Senior seiner Verbindung und überall zu finden, wo es lustig herging, oder wo Spek¬ takel war. Seine Gestalt war groß und klobig, sein gelbes Haar hing schlicht an dem rothen Gesicht her¬ unter, das breit und platt einen gewaltig rohen Aus¬ druck hatte. So wie seine Gestalt war auch sein Wesen und waren seine Reden. Er saß jetzt den Mädchen gegenüber; beide Ellenbogen auf den Tisch gestützt, die blauen Dampfwolken aus seiner Cigarre blasend, machte er höchst unmanierliche Späße. Klär¬ chen fand das nicht roh, nein, weil er reich und aus angesehener Familie war (sein Vater war Präsident), fand sie es nur pikant, und hielt sich nicht für zu gut, ihn zu amüsiren. Sie ward immer lebendiger und liebenswürdiger, und es war unverkennbar, daß ihre Schönheit auf ihn Eindruck machte, und sie in seinen Augen höher stieg, denn er nahm die Ellenbogen von dem Tisch und nahm sich in Wort und Wesen mehr zusammen. Für Klärchen war das ein neuer Triumph und die beiden Freundinnen bemerkten es mit Ver¬ wunderung. Die Putzmacherin kannte den Studenten längst, sie ging bei der Generalin aus und ein, und das war Gelegenheit genug, um eine Studenten-Be¬ kanntschaft zu machen. Sie hätte ihm ihr leichtsinni¬ ges Herz gern selbst zu Füßen gelegt und beneidete jetzt die Gefährtin um diese bedeutende Eroberung, und Klärchen ward immer stolzer und glücklicher. Nur eines störte sie. Ihr gerade gegenüber in einer einsa¬ men Laube saß Fritz Buchstein. Ja, unbegreiflicher Weise war er auch umgekehrt und ihnen in den Kaffee¬ garten gefolgt. Ob das wohl um ihretwillen war?
Zweiſpänner. Er war Senior ſeiner Verbindung und überall zu finden, wo es luſtig herging, oder wo Spek¬ takel war. Seine Geſtalt war groß und klobig, ſein gelbes Haar hing ſchlicht an dem rothen Geſicht her¬ unter, das breit und platt einen gewaltig rohen Aus¬ druck hatte. So wie ſeine Geſtalt war auch ſein Weſen und waren ſeine Reden. Er ſaß jetzt den Mädchen gegenüber; beide Ellenbogen auf den Tiſch geſtützt, die blauen Dampfwolken aus ſeiner Cigarre blaſend, machte er höchſt unmanierliche Späße. Klär¬ chen fand das nicht roh, nein, weil er reich und aus angeſehener Familie war (ſein Vater war Präſident), fand ſie es nur pikant, und hielt ſich nicht für zu gut, ihn zu amüſiren. Sie ward immer lebendiger und liebenswürdiger, und es war unverkennbar, daß ihre Schönheit auf ihn Eindruck machte, und ſie in ſeinen Augen höher ſtieg, denn er nahm die Ellenbogen von dem Tiſch und nahm ſich in Wort und Weſen mehr zuſammen. Für Klärchen war das ein neuer Triumph und die beiden Freundinnen bemerkten es mit Ver¬ wunderung. Die Putzmacherin kannte den Studenten längſt, ſie ging bei der Generalin aus und ein, und das war Gelegenheit genug, um eine Studenten-Be¬ kanntſchaft zu machen. Sie hätte ihm ihr leichtſinni¬ ges Herz gern ſelbſt zu Füßen gelegt und beneidete jetzt die Gefährtin um dieſe bedeutende Eroberung, und Klärchen ward immer ſtolzer und glücklicher. Nur eines ſtörte ſie. Ihr gerade gegenüber in einer einſa¬ men Laube ſaß Fritz Buchſtein. Ja, unbegreiflicher Weiſe war er auch umgekehrt und ihnen in den Kaffee¬ garten gefolgt. Ob das wohl um ihretwillen war?
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Zweiſpänner. Er war Senior ſeiner Verbindung und
überall zu finden, wo es luſtig herging, oder wo Spek¬
takel war. Seine Geſtalt war groß und klobig, ſein
gelbes Haar hing ſchlicht an dem rothen Geſicht her¬
unter, das breit und platt einen gewaltig rohen Aus¬
druck hatte. So wie ſeine Geſtalt war auch ſein
Weſen und waren ſeine Reden. Er ſaß jetzt den
Mädchen gegenüber; beide Ellenbogen auf den Tiſch
geſtützt, die blauen Dampfwolken aus ſeiner Cigarre
blaſend, machte er höchſt unmanierliche Späße. Klär¬
chen fand das nicht roh, nein, weil er reich und aus
angeſehener Familie war (ſein Vater war Präſident),
fand ſie es nur pikant, und hielt ſich nicht für zu gut,
ihn zu amüſiren. Sie ward immer lebendiger und
liebenswürdiger, und es war unverkennbar, daß ihre
Schönheit auf ihn Eindruck machte, und ſie in ſeinen
Augen höher ſtieg, denn er nahm die Ellenbogen von
dem Tiſch und nahm ſich in Wort und Weſen mehr
zuſammen. Für Klärchen war das ein neuer Triumph
und die beiden Freundinnen bemerkten es mit Ver¬
wunderung. Die Putzmacherin kannte den Studenten
längſt, ſie ging bei der Generalin aus und ein, und
das war Gelegenheit genug, um eine Studenten-Be¬
kanntſchaft zu machen. Sie hätte ihm ihr leichtſinni¬
ges Herz gern ſelbſt zu Füßen gelegt und beneidete
jetzt die Gefährtin um dieſe bedeutende Eroberung,
und Klärchen ward immer ſtolzer und glücklicher. Nur
eines ſtörte ſie. Ihr gerade gegenüber in einer einſa¬
men Laube ſaß Fritz Buchſtein. Ja, unbegreiflicher
Weiſe war er auch umgekehrt und ihnen in den Kaffee¬
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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/22>, abgerufen am 16.07.2024.
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