Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.den Schlüssel und schloß auf. Der Mond brach eben Er wandte sich schnell von ihr, sie trat in das Was will er nur? dachte sie. Meine Ehre? da den Schlüſſel und ſchloß auf. Der Mond brach eben Er wandte ſich ſchnell von ihr, ſie trat in das Was will er nur? dachte ſie. Meine Ehre? da <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0049" n="43"/> den Schlüſſel und ſchloß auf. Der Mond brach eben<lb/> durch Wolken und warf ſein helles Licht auf Fritz<lb/> und Klärchen, ſie ſah unwillkürlich auf zu ihm: da<lb/> ruheten ſeine dunklen Augen ſo traurig auf ihrem<lb/> friſchen Geſicht, er reichte ihr die Hand, ſie mußte ihre<lb/> hineinlegen. Klärchen, ſagte er mit bewegter Stimme,<lb/> wir ſtehen jetzt am Anfang eines neuen Jahres. Der<lb/> Herr wolle uns ſegnen, daß wir am Ende deſſelben<lb/> mit reinem Herzen und ruhigem Gewiſſen und unbe¬<lb/> fleckter Ehre mögen darauf zurückſchauen. Der Herr<lb/> behüte Sie!</p><lb/> <p>Er wandte ſich ſchnell von ihr, ſie trat in das<lb/> Haus, aber mußte erſt einige Augenblicke ſich vom<lb/> Schrecken erholen.</p><lb/> <p>Was will er nur? dachte ſie. Meine Ehre? da<lb/> will ich ſelbſt für ſorgen. Und das Gewiſſen? ich<lb/> werde doch kein Verbrechen begehen? — Sie ſuchte<lb/> mit Gewalt den Eindruck von Fritzens Worten abzu¬<lb/> ſchütteln, und das ſollte ihr leider nicht ſchwer werden.<lb/> Als ſie die erſte Treppe hinauf war und eben den Zu¬<lb/> gang, der zur Etage bei Generalin führte, öffnen wollte,<lb/> kam Jemand von oben herunter. Sie zögerte, — ja<lb/> es war der Mediziner. Er hatte den Sylveſter-Abend<lb/> etwas lauter und wilder gefeiert als Klärchen, ſein<lb/> Geſicht glühte von Wein und Punſch, und ſeit geraumer<lb/> Zeit hatte er mit Ungeduld auf Klärchens Rückkehr<lb/> gewartet. Jetzt floſſen ihm die Worte wie Feuer von<lb/> den Lippen. Dieſe Liebes- und Treueverſicherungen,<lb/> dieſe Ausdrücke von erhabenen Gefühlen — Klärchen<lb/> konnte nicht widerſtehen. Sie erwiederte flüſternd ſüße<lb/> Liebesphraſen, duldete, daß er ſie küßte, und als ſie<lb/></p> </body> </text> </TEI> [43/0049]
den Schlüſſel und ſchloß auf. Der Mond brach eben
durch Wolken und warf ſein helles Licht auf Fritz
und Klärchen, ſie ſah unwillkürlich auf zu ihm: da
ruheten ſeine dunklen Augen ſo traurig auf ihrem
friſchen Geſicht, er reichte ihr die Hand, ſie mußte ihre
hineinlegen. Klärchen, ſagte er mit bewegter Stimme,
wir ſtehen jetzt am Anfang eines neuen Jahres. Der
Herr wolle uns ſegnen, daß wir am Ende deſſelben
mit reinem Herzen und ruhigem Gewiſſen und unbe¬
fleckter Ehre mögen darauf zurückſchauen. Der Herr
behüte Sie!
Er wandte ſich ſchnell von ihr, ſie trat in das
Haus, aber mußte erſt einige Augenblicke ſich vom
Schrecken erholen.
Was will er nur? dachte ſie. Meine Ehre? da
will ich ſelbſt für ſorgen. Und das Gewiſſen? ich
werde doch kein Verbrechen begehen? — Sie ſuchte
mit Gewalt den Eindruck von Fritzens Worten abzu¬
ſchütteln, und das ſollte ihr leider nicht ſchwer werden.
Als ſie die erſte Treppe hinauf war und eben den Zu¬
gang, der zur Etage bei Generalin führte, öffnen wollte,
kam Jemand von oben herunter. Sie zögerte, — ja
es war der Mediziner. Er hatte den Sylveſter-Abend
etwas lauter und wilder gefeiert als Klärchen, ſein
Geſicht glühte von Wein und Punſch, und ſeit geraumer
Zeit hatte er mit Ungeduld auf Klärchens Rückkehr
gewartet. Jetzt floſſen ihm die Worte wie Feuer von
den Lippen. Dieſe Liebes- und Treueverſicherungen,
dieſe Ausdrücke von erhabenen Gefühlen — Klärchen
konnte nicht widerſtehen. Sie erwiederte flüſternd ſüße
Liebesphraſen, duldete, daß er ſie küßte, und als ſie
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