Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.wie plump war seine Sprache und sein ganzes We¬ Das Haus war durch die Neujahrs-Glückwün¬ wie plump war ſeine Sprache und ſein ganzes We¬ Das Haus war durch die Neujahrs-Glückwün¬ <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0052" n="46"/> wie plump war ſeine Sprache und ſein ganzes We¬<lb/> ſen! Freilich, tröſtete ſie ſich, er iſt ein Student, und<lb/> die meinen, ſie müſſen burſchikos ſein; wenn er bei<lb/> ſeiner Mutter, der Frau Präſidentin ſitzt, wird er auch<lb/> anders ſein. Aber er ſoll auch gegen mich anders<lb/> ſein, dachte ſie weiter, er ſoll fein und nobel werden<lb/> wie der Gardelieutenant!</p><lb/> <p>Das Haus war durch die Neujahrs-Glückwün¬<lb/> ſchenden ſo belebt, daß es dem Mediziner unmöglich<lb/> ward, Klärchen zu ſehen. Auch den Abend war große<lb/> Geſellſchaft, der Flur hell erleuchtet und faſt immer¬<lb/> fort Bewegung auf der Treppe. Er war ſehr unge¬<lb/> duldig und wußte kaum wie er die Zeit hinbringen<lb/> ſollte. Klärchen ging es nicht ſo, ſie war heut ſo<lb/> beſchäftigt und hingenommen, daß ſie kaum Zeit hatte<lb/> an ihre Liebe zu denken. Bis jetzt hatte ſie faſt nur<lb/> alten Damen den Thee ſervirt, heute aber waren junge<lb/> Herren, die Freunde des Lieutenants, in der Geſell¬<lb/> ſchaft. Klärchen, im hellblauen Muſſelin-Kleide mit<lb/> freiem Hals und freien Armen, ſtand vor der ſingen¬<lb/> den Theemaſchine und ſchwebte dann in den hell er¬<lb/> leuchteten und wohl durchdufteten Zimmern hin und<lb/> her. Ein ſolcher Triumph war ihr noch nie geworden:<lb/> die Blicke der jungen Leute folgten ihr, wohin ſie<lb/> ging, bis leider die Generalin ſehr ernſte Blicke auf<lb/> ſie warf und ihr huldreich ſagte, ſie möchte ſich nicht<lb/> weiter bemühen, der Bediente ſolle allein aufwarten.<lb/> Sie ging, und trat erhitzt und aufgeregt in ihre Stube.<lb/> Kaum hatte der Mediziner Licht darinnen geſehen, als<lb/> er ſein Fenſter öffnete und leiſe mit den Händen klappte.<lb/> Klärchen hatte eigentlich nicht große Luſt ihn jetzt zu<lb/></p> </body> </text> </TEI> [46/0052]
wie plump war ſeine Sprache und ſein ganzes We¬
ſen! Freilich, tröſtete ſie ſich, er iſt ein Student, und
die meinen, ſie müſſen burſchikos ſein; wenn er bei
ſeiner Mutter, der Frau Präſidentin ſitzt, wird er auch
anders ſein. Aber er ſoll auch gegen mich anders
ſein, dachte ſie weiter, er ſoll fein und nobel werden
wie der Gardelieutenant!
Das Haus war durch die Neujahrs-Glückwün¬
ſchenden ſo belebt, daß es dem Mediziner unmöglich
ward, Klärchen zu ſehen. Auch den Abend war große
Geſellſchaft, der Flur hell erleuchtet und faſt immer¬
fort Bewegung auf der Treppe. Er war ſehr unge¬
duldig und wußte kaum wie er die Zeit hinbringen
ſollte. Klärchen ging es nicht ſo, ſie war heut ſo
beſchäftigt und hingenommen, daß ſie kaum Zeit hatte
an ihre Liebe zu denken. Bis jetzt hatte ſie faſt nur
alten Damen den Thee ſervirt, heute aber waren junge
Herren, die Freunde des Lieutenants, in der Geſell¬
ſchaft. Klärchen, im hellblauen Muſſelin-Kleide mit
freiem Hals und freien Armen, ſtand vor der ſingen¬
den Theemaſchine und ſchwebte dann in den hell er¬
leuchteten und wohl durchdufteten Zimmern hin und
her. Ein ſolcher Triumph war ihr noch nie geworden:
die Blicke der jungen Leute folgten ihr, wohin ſie
ging, bis leider die Generalin ſehr ernſte Blicke auf
ſie warf und ihr huldreich ſagte, ſie möchte ſich nicht
weiter bemühen, der Bediente ſolle allein aufwarten.
Sie ging, und trat erhitzt und aufgeregt in ihre Stube.
Kaum hatte der Mediziner Licht darinnen geſehen, als
er ſein Fenſter öffnete und leiſe mit den Händen klappte.
Klärchen hatte eigentlich nicht große Luſt ihn jetzt zu
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