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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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und bat sie, einige Maschen an seiner Geldbörse wie¬
der zu befestigen. Während sie es mit den feinen ge¬
schickten Händen that, stand er schweigend vor ihr.
Auch Klärchen schwieg, aber ihr ganzes Wesen redete.
Wie sie den Kopf hielt, wie sie die Finger bewegte,
wie sie aufschaute, ihm dann die Börse gab -- es mußte
das Alles das Herz des Lieutenants bestürmen. Klär¬
chen merkte, daß er gern eine Unterhaltung mit ihr
angeknüpft hätte, doch die Schritte der Generalin wa¬
ren im Nebenzimmer hörbar, und er verließ sie mit
einem kurzen verbindlichen Danke.

Der Tag verging mit Plänen für heut Abend;
und wenn auch das Bild des Lieutenants sich zuwei¬
len dazwischen drängte, so schob sie es mit Gewalt
zurück. Der Mediziner muß sich heut Abend feierlich
mit dir verloben, wo möglich müssen wir heut Abend
noch Brautvisite bei Tante Rieke machen. Was wird
die sagen! Und Grete! Nun, sie werden Respekt be¬
kommen vor der Schwiegertochter einer Frau Präsiden¬
tin. Der Mediziner mußte morgen früh selbst die
Frau Generalin um ihre Entlassung bitten, oder we¬
nigstens ihr eine andere Stellung geben; die Hälfte
des Wechsels mußte er ihr gleich überlassen, um für
Toilette und Wäsche zu sorgen; sie war nun aus al¬
ler Noth, konnte sich die Hemden Dutzendweis fertig
kaufen und so alle Sachen. In dieser Weise flogen
ihre Gedanken, sie konnte kaum den Abend erwarten,
und es war ihr recht unangenehm, daß sie ihrer Her¬
rin noch von 6 bis 7 Uhr vorlesen sollte. Die Frau
Generalin aber war ganz allein, erwartete den Sohn
erst zum Abend zurück, und Klärchen mußte wie ge¬

und bat ſie, einige Maſchen an ſeiner Geldbörſe wie¬
der zu befeſtigen. Während ſie es mit den feinen ge¬
ſchickten Händen that, ſtand er ſchweigend vor ihr.
Auch Klärchen ſchwieg, aber ihr ganzes Weſen redete.
Wie ſie den Kopf hielt, wie ſie die Finger bewegte,
wie ſie aufſchaute, ihm dann die Börſe gab — es mußte
das Alles das Herz des Lieutenants beſtürmen. Klär¬
chen merkte, daß er gern eine Unterhaltung mit ihr
angeknüpft hätte, doch die Schritte der Generalin wa¬
ren im Nebenzimmer hörbar, und er verließ ſie mit
einem kurzen verbindlichen Danke.

Der Tag verging mit Plänen für heut Abend;
und wenn auch das Bild des Lieutenants ſich zuwei¬
len dazwiſchen drängte, ſo ſchob ſie es mit Gewalt
zurück. Der Mediziner muß ſich heut Abend feierlich
mit dir verloben, wo möglich müſſen wir heut Abend
noch Brautviſite bei Tante Rieke machen. Was wird
die ſagen! Und Grete! Nun, ſie werden Reſpekt be¬
kommen vor der Schwiegertochter einer Frau Präſiden¬
tin. Der Mediziner mußte morgen früh ſelbſt die
Frau Generalin um ihre Entlaſſung bitten, oder we¬
nigſtens ihr eine andere Stellung geben; die Hälfte
des Wechſels mußte er ihr gleich überlaſſen, um für
Toilette und Wäſche zu ſorgen; ſie war nun aus al¬
ler Noth, konnte ſich die Hemden Dutzendweis fertig
kaufen und ſo alle Sachen. In dieſer Weiſe flogen
ihre Gedanken, ſie konnte kaum den Abend erwarten,
und es war ihr recht unangenehm, daß ſie ihrer Her¬
rin noch von 6 bis 7 Uhr vorleſen ſollte. Die Frau
Generalin aber war ganz allein, erwartete den Sohn
erſt zum Abend zurück, und Klärchen mußte wie ge¬

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[48/0054] und bat ſie, einige Maſchen an ſeiner Geldbörſe wie¬ der zu befeſtigen. Während ſie es mit den feinen ge¬ ſchickten Händen that, ſtand er ſchweigend vor ihr. Auch Klärchen ſchwieg, aber ihr ganzes Weſen redete. Wie ſie den Kopf hielt, wie ſie die Finger bewegte, wie ſie aufſchaute, ihm dann die Börſe gab — es mußte das Alles das Herz des Lieutenants beſtürmen. Klär¬ chen merkte, daß er gern eine Unterhaltung mit ihr angeknüpft hätte, doch die Schritte der Generalin wa¬ ren im Nebenzimmer hörbar, und er verließ ſie mit einem kurzen verbindlichen Danke. Der Tag verging mit Plänen für heut Abend; und wenn auch das Bild des Lieutenants ſich zuwei¬ len dazwiſchen drängte, ſo ſchob ſie es mit Gewalt zurück. Der Mediziner muß ſich heut Abend feierlich mit dir verloben, wo möglich müſſen wir heut Abend noch Brautviſite bei Tante Rieke machen. Was wird die ſagen! Und Grete! Nun, ſie werden Reſpekt be¬ kommen vor der Schwiegertochter einer Frau Präſiden¬ tin. Der Mediziner mußte morgen früh ſelbſt die Frau Generalin um ihre Entlaſſung bitten, oder we¬ nigſtens ihr eine andere Stellung geben; die Hälfte des Wechſels mußte er ihr gleich überlaſſen, um für Toilette und Wäſche zu ſorgen; ſie war nun aus al¬ ler Noth, konnte ſich die Hemden Dutzendweis fertig kaufen und ſo alle Sachen. In dieſer Weiſe flogen ihre Gedanken, ſie konnte kaum den Abend erwarten, und es war ihr recht unangenehm, daß ſie ihrer Her¬ rin noch von 6 bis 7 Uhr vorleſen ſollte. Die Frau Generalin aber war ganz allein, erwartete den Sohn erſt zum Abend zurück, und Klärchen mußte wie ge¬

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/54>, abgerufen am 21.11.2024.