Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.aber das Geld dazu nehmen? Es war gerade Ebbe 5
aber das Geld dazu nehmen? Es war gerade Ebbe 5
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0071" n="65"/> aber das Geld dazu nehmen? Es war gerade Ebbe<lb/> in allen Kaſſen, die Mutter hatte ſchon einige Male<lb/> nach neuen Zuſchüſſen geſeufzt, aber der Graf hatte<lb/> keine Anſpielung verſtanden, weil er gerade ſelbſt nichts<lb/> hatte. Borgen konnte Klärchen nicht mehr, denn in<lb/> allen Läden faſt hatte ſie Plemperſchulden, auch Au¬<lb/> guſte Vogler bekam beinahe zwei Thaler. Die Schul¬<lb/> den machten ihr weiter keine Sorgen, ſie hätte es<lb/> längſt bezahlen können und würde auch bald wieder<lb/> Geld die Fülle haben, es war nur dieſe augenblick¬<lb/> liche Verlegenheit. Den ächten Sammetüberwurf hatte<lb/> ſie ſchon aufgegeben, es brauchte auch nur ein un¬<lb/> ächter zu ſein, und dazu gehörten kaum einige Thaler.<lb/> Bei dieſem Grübeln führte ihr der Teufel immer den<lb/> vollen Geldkaſten im Schreibtiſch der Generalin vor.<lb/> Stehlen? nein! ſie entſetzte ſich vor dem Gedanken.<lb/> Vermiſſen würde freilich die Generalin eine ſo kleine<lb/> Summe nicht, denn ſchon öfter hatte ſie mit Klärchen<lb/> geſonnen, ob ſie nicht einige Poſten in ihr Haushalts¬<lb/> buch einzutragen vergeſſen hätte, und ſich bald beru¬<lb/> higt, wenn ſie die Summe nicht finden konnte. Der<lb/> Gedanke kam wieder und immer wieder, je näher die<lb/> Zeit der Redoute heranrückte. Für einige Tage we¬<lb/> nigſtens könnteſt du das Geld nehmen und legſt es<lb/> wieder hinein, flüſterte ihr der Böſe zu. Sie wider¬<lb/> ſtand nicht, was hätte auch in ihr widerſtehen ſollen?<lb/> Die Klugheit, ihre einzige Waffe, mit der ſie ſich vor<lb/> Sünde und Untergang ſchützen wollte, rieth ihr gerade<lb/> den Schritt. Du entlehnſt es nur, du nimmſt es<lb/> nicht, ſagte dieſe Klugheit; dazu erfährt es Niemand,<lb/> und das grüne Sammetgewand iſt nothwendig zu dei¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">5<lb/></fw> </p> </body> </text> </TEI> [65/0071]
aber das Geld dazu nehmen? Es war gerade Ebbe
in allen Kaſſen, die Mutter hatte ſchon einige Male
nach neuen Zuſchüſſen geſeufzt, aber der Graf hatte
keine Anſpielung verſtanden, weil er gerade ſelbſt nichts
hatte. Borgen konnte Klärchen nicht mehr, denn in
allen Läden faſt hatte ſie Plemperſchulden, auch Au¬
guſte Vogler bekam beinahe zwei Thaler. Die Schul¬
den machten ihr weiter keine Sorgen, ſie hätte es
längſt bezahlen können und würde auch bald wieder
Geld die Fülle haben, es war nur dieſe augenblick¬
liche Verlegenheit. Den ächten Sammetüberwurf hatte
ſie ſchon aufgegeben, es brauchte auch nur ein un¬
ächter zu ſein, und dazu gehörten kaum einige Thaler.
Bei dieſem Grübeln führte ihr der Teufel immer den
vollen Geldkaſten im Schreibtiſch der Generalin vor.
Stehlen? nein! ſie entſetzte ſich vor dem Gedanken.
Vermiſſen würde freilich die Generalin eine ſo kleine
Summe nicht, denn ſchon öfter hatte ſie mit Klärchen
geſonnen, ob ſie nicht einige Poſten in ihr Haushalts¬
buch einzutragen vergeſſen hätte, und ſich bald beru¬
higt, wenn ſie die Summe nicht finden konnte. Der
Gedanke kam wieder und immer wieder, je näher die
Zeit der Redoute heranrückte. Für einige Tage we¬
nigſtens könnteſt du das Geld nehmen und legſt es
wieder hinein, flüſterte ihr der Böſe zu. Sie wider¬
ſtand nicht, was hätte auch in ihr widerſtehen ſollen?
Die Klugheit, ihre einzige Waffe, mit der ſie ſich vor
Sünde und Untergang ſchützen wollte, rieth ihr gerade
den Schritt. Du entlehnſt es nur, du nimmſt es
nicht, ſagte dieſe Klugheit; dazu erfährt es Niemand,
und das grüne Sammetgewand iſt nothwendig zu dei¬
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