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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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schilderte ihre erhabene Liebe zum Grafen. Wenn er
nicht verreist war, hätte sie das zweite Geld nicht ge¬
nommen, ja sie würde das erstgenommene Geld wieder
hinzugelegt haben. Seine Liebe war so großmüthig
gegen sie. Alles, was ihm gehörte, war auch das
Ihre; ja er hatte versprochen, sie zu heirathen.

Die Generalin erwiederte ihr, daß sie ein armes,
getäuschtes Mädchen sei, daß es aber allen Leichtsinni¬
gen so gehe. Wie würde ein achtbares Offiziercorps
es je dulden, daß der Graf ein Mädchen heirathe,
wie sie!

Klärchen sah die Sprecherin groß an bei diesen
Worten. Wie ich? fragte sie leise.

Ja wie Sie! wiederholte die Generalin. Sie
haben sich des Abends auf der Straße umhergetrieben,
Sie gelten in der Stadt als eine leichtfertige Koquette,
und der Graf ist nicht Ihre erste Liebe.

Klärchen ward roth. Sollte die Generalin vom
Mediziner wissen? Oder wollte sie nur versuchen, die
Wahrheit zu erfahren? Zu jeder andern Zeit würde
sie geleugnet haben, jetzt aber war sie von der Furcht
beherrscht: sie schwieg zu dieser Beschuldigung und be¬
gann nur, die Generalin wegen ihres Fehlers, wie
sie die Entwendung des Geldes nannte, um Verzei¬
hung zu bitten.

Die Generalin hielt ihr eine lange Rede, stellte
ihr die Folgen eines solchen Lebenswandels vor, die
allerdings anders ausschauten, als Klärchens Bilder
von der Zukunft. Zugleich aber versprach die nach¬
sichtige Dame, von der Sache nicht zu reden und Klär¬
chen bis Ostern ruhig im Dienst zu behalten. Da

ſchilderte ihre erhabene Liebe zum Grafen. Wenn er
nicht verreiſt war, hätte ſie das zweite Geld nicht ge¬
nommen, ja ſie würde das erſtgenommene Geld wieder
hinzugelegt haben. Seine Liebe war ſo großmüthig
gegen ſie. Alles, was ihm gehörte, war auch das
Ihre; ja er hatte verſprochen, ſie zu heirathen.

Die Generalin erwiederte ihr, daß ſie ein armes,
getäuſchtes Mädchen ſei, daß es aber allen Leichtſinni¬
gen ſo gehe. Wie würde ein achtbares Offiziercorps
es je dulden, daß der Graf ein Mädchen heirathe,
wie ſie!

Klärchen ſah die Sprecherin groß an bei dieſen
Worten. Wie ich? fragte ſie leiſe.

Ja wie Sie! wiederholte die Generalin. Sie
haben ſich des Abends auf der Straße umhergetrieben,
Sie gelten in der Stadt als eine leichtfertige Koquette,
und der Graf iſt nicht Ihre erſte Liebe.

Klärchen ward roth. Sollte die Generalin vom
Mediziner wiſſen? Oder wollte ſie nur verſuchen, die
Wahrheit zu erfahren? Zu jeder andern Zeit würde
ſie geleugnet haben, jetzt aber war ſie von der Furcht
beherrſcht: ſie ſchwieg zu dieſer Beſchuldigung und be¬
gann nur, die Generalin wegen ihres Fehlers, wie
ſie die Entwendung des Geldes nannte, um Verzei¬
hung zu bitten.

Die Generalin hielt ihr eine lange Rede, ſtellte
ihr die Folgen eines ſolchen Lebenswandels vor, die
allerdings anders ausſchauten, als Klärchens Bilder
von der Zukunft. Zugleich aber verſprach die nach¬
ſichtige Dame, von der Sache nicht zu reden und Klär¬
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[69/0075] ſchilderte ihre erhabene Liebe zum Grafen. Wenn er nicht verreiſt war, hätte ſie das zweite Geld nicht ge¬ nommen, ja ſie würde das erſtgenommene Geld wieder hinzugelegt haben. Seine Liebe war ſo großmüthig gegen ſie. Alles, was ihm gehörte, war auch das Ihre; ja er hatte verſprochen, ſie zu heirathen. Die Generalin erwiederte ihr, daß ſie ein armes, getäuſchtes Mädchen ſei, daß es aber allen Leichtſinni¬ gen ſo gehe. Wie würde ein achtbares Offiziercorps es je dulden, daß der Graf ein Mädchen heirathe, wie ſie! Klärchen ſah die Sprecherin groß an bei dieſen Worten. Wie ich? fragte ſie leiſe. Ja wie Sie! wiederholte die Generalin. Sie haben ſich des Abends auf der Straße umhergetrieben, Sie gelten in der Stadt als eine leichtfertige Koquette, und der Graf iſt nicht Ihre erſte Liebe. Klärchen ward roth. Sollte die Generalin vom Mediziner wiſſen? Oder wollte ſie nur verſuchen, die Wahrheit zu erfahren? Zu jeder andern Zeit würde ſie geleugnet haben, jetzt aber war ſie von der Furcht beherrſcht: ſie ſchwieg zu dieſer Beſchuldigung und be¬ gann nur, die Generalin wegen ihres Fehlers, wie ſie die Entwendung des Geldes nannte, um Verzei¬ hung zu bitten. Die Generalin hielt ihr eine lange Rede, ſtellte ihr die Folgen eines ſolchen Lebenswandels vor, die allerdings anders ausſchauten, als Klärchens Bilder von der Zukunft. Zugleich aber verſprach die nach¬ ſichtige Dame, von der Sache nicht zu reden und Klär¬ chen bis Oſtern ruhig im Dienſt zu behalten. Da

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/75>, abgerufen am 21.11.2024.