Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

sie in einem kleinen Stübchen leben sollte. Und einen
solchen Mann hatte sie bald gefunden. Es war der
Oberkellner des Hotels; seine Bildung war untadel¬
haft, er sprach englisch und französisch, ging immer
in schwarzem Frack und weißer Halsbinde, und hatte
in seinem Wesen etwas überaus Vornehmes. Daß
sie gerade mit ihrer Liebe Schiffbruch gelitten, kam
Herrn Eduard zu gute, denn bald war er ihrer Liebe
gewiß. Natürlich hatte er ihr vorher seine Verhält¬
nisse klar auseinander gesetzt. Eigentlich konnten sie
jetzt schon heirathen, er hatte 200 Thaler Zinsen und
stand sich beinahe ebenso viel im Dienste: aber sein
Streben ging nach einem eigenen Hotel, seine Kennt¬
nisse, seine Bekanntschaften mußten es ihm leicht ma¬
chen eines zu erhalten, ja, er war schon nach verschie¬
denen Seiten hin in Unterhandlungen gewesen. Er
malte Klärchen die herrlichste Zukunft. Sie, die Dame
des Hotels, sollte ein Leben wie eine Prinzessin füh¬
ren, und schalten und walten nach Wohlgefallen.
Klärchen vergaß ganz die Vergangenheit und ward
wieder kühn in ihrem Auftreten, und sehr selbstgefällig
und mit sich zufrieden. Zum 10. August, Klärchens
Geburtstag, hatten sie sich vorgenommen, die Verlo¬
bung zu veröffentlichen. Der Bräutigam hatte ihr im
Voraus einen rosa Taffethut und eine schwarze Atlas¬
mantille geschenkt. Beides lag auf dem Sopha in ihrem
Stübchen, ein ächtes Batisttuch und gelbe Glaceehand¬
schuh daneben. Es war am Vorabend des Geburts¬
tages, schon ganz spät dämmerig, ihre Stubenthür
war nur angelehnt, -- da hörte sie zwei flüsternde
Stimmen auf dem Korridor.

ſie in einem kleinen Stübchen leben ſollte. Und einen
ſolchen Mann hatte ſie bald gefunden. Es war der
Oberkellner des Hotels; ſeine Bildung war untadel¬
haft, er ſprach engliſch und franzöſiſch, ging immer
in ſchwarzem Frack und weißer Halsbinde, und hatte
in ſeinem Weſen etwas überaus Vornehmes. Daß
ſie gerade mit ihrer Liebe Schiffbruch gelitten, kam
Herrn Eduard zu gute, denn bald war er ihrer Liebe
gewiß. Natürlich hatte er ihr vorher ſeine Verhält¬
niſſe klar auseinander geſetzt. Eigentlich konnten ſie
jetzt ſchon heirathen, er hatte 200 Thaler Zinſen und
ſtand ſich beinahe ebenſo viel im Dienſte: aber ſein
Streben ging nach einem eigenen Hotel, ſeine Kennt¬
niſſe, ſeine Bekanntſchaften mußten es ihm leicht ma¬
chen eines zu erhalten, ja, er war ſchon nach verſchie¬
denen Seiten hin in Unterhandlungen geweſen. Er
malte Klärchen die herrlichſte Zukunft. Sie, die Dame
des Hotels, ſollte ein Leben wie eine Prinzeſſin füh¬
ren, und ſchalten und walten nach Wohlgefallen.
Klärchen vergaß ganz die Vergangenheit und ward
wieder kühn in ihrem Auftreten, und ſehr ſelbſtgefällig
und mit ſich zufrieden. Zum 10. Auguſt, Klärchens
Geburtstag, hatten ſie ſich vorgenommen, die Verlo¬
bung zu veröffentlichen. Der Bräutigam hatte ihr im
Voraus einen roſa Taffethut und eine ſchwarze Atlas¬
mantille geſchenkt. Beides lag auf dem Sopha in ihrem
Stübchen, ein ächtes Batiſttuch und gelbe Glaceehand¬
ſchuh daneben. Es war am Vorabend des Geburts¬
tages, ſchon ganz ſpät dämmerig, ihre Stubenthür
war nur angelehnt, — da hörte ſie zwei flüſternde
Stimmen auf dem Korridor.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0084" n="78"/>
&#x017F;ie in einem kleinen Stübchen leben &#x017F;ollte. Und einen<lb/>
&#x017F;olchen Mann hatte &#x017F;ie bald gefunden. Es war der<lb/>
Oberkellner des Hotels; &#x017F;eine Bildung war untadel¬<lb/>
haft, er &#x017F;prach engli&#x017F;ch und franzö&#x017F;i&#x017F;ch, ging immer<lb/>
in &#x017F;chwarzem Frack und weißer Halsbinde, und hatte<lb/>
in &#x017F;einem We&#x017F;en etwas überaus Vornehmes. Daß<lb/>
&#x017F;ie gerade mit ihrer Liebe Schiffbruch gelitten, kam<lb/>
Herrn Eduard zu gute, denn bald war er ihrer Liebe<lb/>
gewiß. Natürlich hatte er ihr vorher &#x017F;eine Verhält¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e klar auseinander ge&#x017F;etzt. Eigentlich konnten &#x017F;ie<lb/>
jetzt &#x017F;chon heirathen, er hatte 200 Thaler Zin&#x017F;en und<lb/>
&#x017F;tand &#x017F;ich beinahe eben&#x017F;o viel im Dien&#x017F;te: aber &#x017F;ein<lb/>
Streben ging nach einem eigenen Hotel, &#x017F;eine Kennt¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;eine Bekannt&#x017F;chaften mußten es ihm leicht ma¬<lb/>
chen eines zu erhalten, ja, er war &#x017F;chon nach ver&#x017F;chie¬<lb/>
denen Seiten hin in Unterhandlungen gewe&#x017F;en. Er<lb/>
malte Klärchen die herrlich&#x017F;te Zukunft. Sie, die Dame<lb/>
des Hotels, &#x017F;ollte ein Leben wie eine Prinze&#x017F;&#x017F;in füh¬<lb/>
ren, und &#x017F;chalten und walten nach Wohlgefallen.<lb/>
Klärchen vergaß ganz die Vergangenheit und ward<lb/>
wieder kühn in ihrem Auftreten, und &#x017F;ehr &#x017F;elb&#x017F;tgefällig<lb/>
und mit &#x017F;ich zufrieden. Zum 10. Augu&#x017F;t, Klärchens<lb/>
Geburtstag, hatten &#x017F;ie &#x017F;ich vorgenommen, die Verlo¬<lb/>
bung zu veröffentlichen. Der Bräutigam hatte ihr im<lb/>
Voraus einen ro&#x017F;a Taffethut und eine &#x017F;chwarze Atlas¬<lb/>
mantille ge&#x017F;chenkt. Beides lag auf dem Sopha in ihrem<lb/>
Stübchen, ein ächtes Bati&#x017F;ttuch und gelbe Glaceehand¬<lb/>
&#x017F;chuh daneben. Es war am Vorabend des Geburts¬<lb/>
tages, &#x017F;chon ganz &#x017F;pät dämmerig, ihre Stubenthür<lb/>
war nur angelehnt, &#x2014; da hörte &#x017F;ie zwei flü&#x017F;ternde<lb/>
Stimmen auf dem Korridor.<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0084] ſie in einem kleinen Stübchen leben ſollte. Und einen ſolchen Mann hatte ſie bald gefunden. Es war der Oberkellner des Hotels; ſeine Bildung war untadel¬ haft, er ſprach engliſch und franzöſiſch, ging immer in ſchwarzem Frack und weißer Halsbinde, und hatte in ſeinem Weſen etwas überaus Vornehmes. Daß ſie gerade mit ihrer Liebe Schiffbruch gelitten, kam Herrn Eduard zu gute, denn bald war er ihrer Liebe gewiß. Natürlich hatte er ihr vorher ſeine Verhält¬ niſſe klar auseinander geſetzt. Eigentlich konnten ſie jetzt ſchon heirathen, er hatte 200 Thaler Zinſen und ſtand ſich beinahe ebenſo viel im Dienſte: aber ſein Streben ging nach einem eigenen Hotel, ſeine Kennt¬ niſſe, ſeine Bekanntſchaften mußten es ihm leicht ma¬ chen eines zu erhalten, ja, er war ſchon nach verſchie¬ denen Seiten hin in Unterhandlungen geweſen. Er malte Klärchen die herrlichſte Zukunft. Sie, die Dame des Hotels, ſollte ein Leben wie eine Prinzeſſin füh¬ ren, und ſchalten und walten nach Wohlgefallen. Klärchen vergaß ganz die Vergangenheit und ward wieder kühn in ihrem Auftreten, und ſehr ſelbſtgefällig und mit ſich zufrieden. Zum 10. Auguſt, Klärchens Geburtstag, hatten ſie ſich vorgenommen, die Verlo¬ bung zu veröffentlichen. Der Bräutigam hatte ihr im Voraus einen roſa Taffethut und eine ſchwarze Atlas¬ mantille geſchenkt. Beides lag auf dem Sopha in ihrem Stübchen, ein ächtes Batiſttuch und gelbe Glaceehand¬ ſchuh daneben. Es war am Vorabend des Geburts¬ tages, ſchon ganz ſpät dämmerig, ihre Stubenthür war nur angelehnt, — da hörte ſie zwei flüſternde Stimmen auf dem Korridor.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/84
Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/84>, abgerufen am 21.11.2024.