einer individualen Form der Vernunft und des Willens, und so auch des Trieblebens, zu unterscheiden. Ist aber mensch- liche Arbeit überhaupt, der Materie nach, technisch bedingt, so ist sie es sogar ganz besonders eben in Hinsicht ihres sozialen Charakters: menschliche Thätigkeit wird dann und nur dann soziale Gestalt annehmen, wenn sie, technisch erwogen, zu gemeinschaftlicher Gestaltung tauglich ist und zu ihr auf- fordert. Gemeinschaft der Arbeit besagt, technisch beurteilt, dass die Arbeitskräfte der Einzelnen sich in solcher Art am gemeinschaftlichen Werk verbinden, dass das Werk überhaupt vollbracht und besser vollbracht wird als ohne diese Verbindung; besser, d. h. mit technischem Vorteil. Dieser technische Vor- teil ist also der entscheidende Grund der Vergemeinschaf- tung der Arbeit, in letzter materialer Hinsicht; jeder fernere Grund, den man für sie geltend machen kann, ist nicht mehr rein material, sondern berührt bereits irgendwie auch die Form der Thätigkeit, das Eigentümliche des Wollens, wo nicht gar der Vernunft.
Aber die Technik, wird eingewandt, gehorcht allein den Gesetzen der Naturkausalität; es handelt sich aber um menschliche Thätigkeit, die, als solche von blossem Natur- wirken grundverschieden, ausschliesslich der Gesetzlichkeit der Zwecke untersteht.
Hierauf ist zu antworten: in materialer Hinsicht unter- liegt thatsächlich das menschliche Arbeiten der Naturkausalität. In der That nicht anders als sich an einer Maschine eine Reihe einzelner Naturwirkungen zu einer beabsichtigten Gesamt- leistung verbinden, treten die menschlichen Arbeitskräfte, selbst bis zu den höchsten hinauf, zu vereinter Wirkung zusammen: des technischen Vorteils halber. Dies betrifft eben den Menschen, insofern er bestimmbar ist; bloss als solcher ist er eben Natur und nichts andres, d. h. untersteht er den Gesetzen der Kau- salität und keinen andern. Dagegen, als sich zur Thätigkeit selber bestimmend, gehorcht er der eignen Gesetzlichkeit der Zwecke; aber auch die Technik selbst zielt ja darauf, das in sich ledig- lich kausale Zusammenwirken toter Naturkräfte gleichwohl in den Dienst menschlicher Zwecke zu zwingen. Nun war
einer individualen Form der Vernunft und des Willens, und so auch des Trieblebens, zu unterscheiden. Ist aber mensch- liche Arbeit überhaupt, der Materie nach, technisch bedingt, so ist sie es sogar ganz besonders eben in Hinsicht ihres sozialen Charakters: menschliche Thätigkeit wird dann und nur dann soziale Gestalt annehmen, wenn sie, technisch erwogen, zu gemeinschaftlicher Gestaltung tauglich ist und zu ihr auf- fordert. Gemeinschaft der Arbeit besagt, technisch beurteilt, dass die Arbeitskräfte der Einzelnen sich in solcher Art am gemeinschaftlichen Werk verbinden, dass das Werk überhaupt vollbracht und besser vollbracht wird als ohne diese Verbindung; besser, d. h. mit technischem Vorteil. Dieser technische Vor- teil ist also der entscheidende Grund der Vergemeinschaf- tung der Arbeit, in letzter materialer Hinsicht; jeder fernere Grund, den man für sie geltend machen kann, ist nicht mehr rein material, sondern berührt bereits irgendwie auch die Form der Thätigkeit, das Eigentümliche des Wollens, wo nicht gar der Vernunft.
Aber die Technik, wird eingewandt, gehorcht allein den Gesetzen der Naturkausalität; es handelt sich aber um menschliche Thätigkeit, die, als solche von blossem Natur- wirken grundverschieden, ausschliesslich der Gesetzlichkeit der Zwecke untersteht.
Hierauf ist zu antworten: in materialer Hinsicht unter- liegt thatsächlich das menschliche Arbeiten der Naturkausalität. In der That nicht anders als sich an einer Maschine eine Reihe einzelner Naturwirkungen zu einer beabsichtigten Gesamt- leistung verbinden, treten die menschlichen Arbeitskräfte, selbst bis zu den höchsten hinauf, zu vereinter Wirkung zusammen: des technischen Vorteils halber. Dies betrifft eben den Menschen, insofern er bestimmbar ist; bloss als solcher ist er eben Natur und nichts andres, d. h. untersteht er den Gesetzen der Kau- salität und keinen andern. Dagegen, als sich zur Thätigkeit selber bestimmend, gehorcht er der eignen Gesetzlichkeit der Zwecke; aber auch die Technik selbst zielt ja darauf, das in sich ledig- lich kausale Zusammenwirken toter Naturkräfte gleichwohl in den Dienst menschlicher Zwecke zu zwingen. Nun war
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einer individualen Form der Vernunft und des Willens, und
so auch des Trieblebens, zu unterscheiden. Ist aber mensch-
liche Arbeit überhaupt, der Materie nach, technisch bedingt,
so ist sie es sogar ganz besonders eben in Hinsicht ihres
sozialen Charakters: menschliche Thätigkeit wird dann und nur
dann soziale Gestalt annehmen, wenn sie, technisch erwogen,
zu gemeinschaftlicher Gestaltung tauglich ist und zu ihr auf-
fordert. Gemeinschaft der Arbeit besagt, technisch beurteilt,
dass die Arbeitskräfte der Einzelnen sich in solcher Art am
gemeinschaftlichen Werk verbinden, dass das Werk überhaupt
vollbracht und besser vollbracht wird als ohne diese Verbindung;
besser, d. h. mit technischem Vorteil. Dieser technische Vor-
teil ist also der entscheidende Grund der Vergemeinschaf-
tung der Arbeit, in letzter materialer Hinsicht; jeder
fernere Grund, den man für sie geltend machen kann, ist nicht
mehr rein material, sondern berührt bereits irgendwie auch
die Form der Thätigkeit, das Eigentümliche des Wollens, wo
nicht gar der Vernunft.
Aber die Technik, wird eingewandt, gehorcht allein den
Gesetzen der Naturkausalität; es handelt sich aber um
menschliche Thätigkeit, die, als solche von blossem Natur-
wirken grundverschieden, ausschliesslich der Gesetzlichkeit der
Zwecke untersteht.
Hierauf ist zu antworten: in materialer Hinsicht unter-
liegt thatsächlich das menschliche Arbeiten der Naturkausalität.
In der That nicht anders als sich an einer Maschine eine Reihe
einzelner Naturwirkungen zu einer beabsichtigten Gesamt-
leistung verbinden, treten die menschlichen Arbeitskräfte, selbst
bis zu den höchsten hinauf, zu vereinter Wirkung zusammen:
des technischen Vorteils halber. Dies betrifft eben den Menschen,
insofern er bestimmbar ist; bloss als solcher ist er eben
Natur und nichts andres, d. h. untersteht er den Gesetzen der Kau-
salität und keinen andern. Dagegen, als sich zur Thätigkeit selber
bestimmend, gehorcht er der eignen Gesetzlichkeit der Zwecke;
aber auch die Technik selbst zielt ja darauf, das in sich ledig-
lich kausale Zusammenwirken toter Naturkräfte gleichwohl
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/153>, abgerufen am 27.11.2024.
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