Verhältnis aufbaut, ist in sich eine vollkommen geschlossene Einheit. Die drei Momente: Arbeit, Willensregelung und ver- nünftige Kritik, sind gar nicht ausser einander, sondern nur als ebenso viele Momente einer und derselben sozialen Thätig- keit zu denken. Die soziale Vernunft hat gar keine andre Existenz als in der thatsächlichen Gestaltung und Umgestaltung der sozialen Willensregelung; diese wiederum ist nur die Regelung der sozialen Arbeit, und existiert gar nicht ausser- halb dieser. Denn dass sie etwa in abgesonderter Formulierung als geschriebenes Gesetz da ist, wird man nicht eine abge- sonderte Existenz nennen wollen. Ein geschriebenes Gesetz ist nichts mehr als ein beschriebenes oder bedrucktes Papier, wofern nicht das, was darin geschrieben steht, auch mit der That befolgt wird; befolgt aber wird es in der Konkretion des Arbeitslebens der Gemeinschaft, in Handel und Wandel der Menschen. Die thatsächliche soziale Regelung, das Anordnen und Verbieten, Aufsichtführen, Strafen und Wiederzurecht- bringen ist ein unablöslicher Bestandteil der sozialen Arbeit selbst; es verhält sich zur so beaufsichtigten und kontrollierten, unmittelbar auf ihren Gegenstand gerichteten Arbeit allgemein nicht anders wie etwa das Kommando des Offiziers zur aus- führenden Thätigkeit des Soldaten, oder der anordnende oder berichtigende Befehl des Meisters in irgend einem Handwerk zur Ausführung des Befehles durch den unmittelbaren Ar- beiter. Dies Ganze: Anordnung und Befolgung des Angeord- neten, Befehl und Ausführung des Befohlenen ist zuletzt ein gemeinschaftliches Werk, an dem die einzelnen Funktionen sich zwar nach dem Gesetz der Arbeitsteilung von einander sondern mögen, aber dabei immer genau auf einander hinge- wiesen bleiben.
Eine gewisse Sonderung der Funktionen ist nun aber, unbeschadet dieser wesentlichen und unaufheblichen Einheit des sozialen Thuns, an sich möglich und schon in technischer Rücksicht erforderlich, damit nach dem divide et impera die grösste Gesamtwirkung durch zweckmässigstes Ineinander- greifen richtig berechneter Einzelwirkungen erzielt wird. Und es liegt der Gedanke nicht fern, dass zur obersten Einteilung
Verhältnis aufbaut, ist in sich eine vollkommen geschlossene Einheit. Die drei Momente: Arbeit, Willensregelung und ver- nünftige Kritik, sind gar nicht ausser einander, sondern nur als ebenso viele Momente einer und derselben sozialen Thätig- keit zu denken. Die soziale Vernunft hat gar keine andre Existenz als in der thatsächlichen Gestaltung und Umgestaltung der sozialen Willensregelung; diese wiederum ist nur die Regelung der sozialen Arbeit, und existiert gar nicht ausser- halb dieser. Denn dass sie etwa in abgesonderter Formulierung als geschriebenes Gesetz da ist, wird man nicht eine abge- sonderte Existenz nennen wollen. Ein geschriebenes Gesetz ist nichts mehr als ein beschriebenes oder bedrucktes Papier, wofern nicht das, was darin geschrieben steht, auch mit der That befolgt wird; befolgt aber wird es in der Konkretion des Arbeitslebens der Gemeinschaft, in Handel und Wandel der Menschen. Die thatsächliche soziale Regelung, das Anordnen und Verbieten, Aufsichtführen, Strafen und Wiederzurecht- bringen ist ein unablöslicher Bestandteil der sozialen Arbeit selbst; es verhält sich zur so beaufsichtigten und kontrollierten, unmittelbar auf ihren Gegenstand gerichteten Arbeit allgemein nicht anders wie etwa das Kommando des Offiziers zur aus- führenden Thätigkeit des Soldaten, oder der anordnende oder berichtigende Befehl des Meisters in irgend einem Handwerk zur Ausführung des Befehles durch den unmittelbaren Ar- beiter. Dies Ganze: Anordnung und Befolgung des Angeord- neten, Befehl und Ausführung des Befohlenen ist zuletzt ein gemeinschaftliches Werk, an dem die einzelnen Funktionen sich zwar nach dem Gesetz der Arbeitsteilung von einander sondern mögen, aber dabei immer genau auf einander hinge- wiesen bleiben.
Eine gewisse Sonderung der Funktionen ist nun aber, unbeschadet dieser wesentlichen und unaufheblichen Einheit des sozialen Thuns, an sich möglich und schon in technischer Rücksicht erforderlich, damit nach dem divide et impera die grösste Gesamtwirkung durch zweckmässigstes Ineinander- greifen richtig berechneter Einzelwirkungen erzielt wird. Und es liegt der Gedanke nicht fern, dass zur obersten Einteilung
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Verhältnis aufbaut, ist in sich eine vollkommen geschlossene
Einheit. Die drei Momente: Arbeit, Willensregelung und ver-
nünftige Kritik, sind gar nicht ausser einander, sondern nur
als ebenso viele Momente einer und derselben sozialen Thätig-
keit zu denken. Die soziale Vernunft hat gar keine andre
Existenz als in der thatsächlichen Gestaltung und Umgestaltung
der sozialen Willensregelung; diese wiederum ist nur die
Regelung der sozialen Arbeit, und existiert gar nicht ausser-
halb dieser. Denn dass sie etwa in abgesonderter Formulierung
als geschriebenes Gesetz da ist, wird man nicht eine abge-
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ist nichts mehr als ein beschriebenes oder bedrucktes Papier,
wofern nicht das, was darin geschrieben steht, auch mit der
That befolgt wird; befolgt aber wird es in der Konkretion des
Arbeitslebens der Gemeinschaft, in Handel und Wandel der
Menschen. Die thatsächliche soziale Regelung, das Anordnen
und Verbieten, Aufsichtführen, Strafen und Wiederzurecht-
bringen ist ein unablöslicher Bestandteil der sozialen Arbeit
selbst; es verhält sich zur so beaufsichtigten und kontrollierten,
unmittelbar auf ihren Gegenstand gerichteten Arbeit allgemein
nicht anders wie etwa das Kommando des Offiziers zur aus-
führenden Thätigkeit des Soldaten, oder der anordnende oder
berichtigende Befehl des Meisters in irgend einem Handwerk
zur Ausführung des Befehles durch den unmittelbaren Ar-
beiter. Dies Ganze: Anordnung und Befolgung des Angeord-
neten, Befehl und Ausführung des Befohlenen ist zuletzt ein
gemeinschaftliches Werk, an dem die einzelnen Funktionen
sich zwar nach dem Gesetz der Arbeitsteilung von einander
sondern mögen, aber dabei immer genau auf einander hinge-
wiesen bleiben.
Eine gewisse Sonderung der Funktionen ist nun aber,
unbeschadet dieser wesentlichen und unaufheblichen Einheit
des sozialen Thuns, an sich möglich und schon in technischer
Rücksicht erforderlich, damit nach dem divide et impera die
grösste Gesamtwirkung durch zweckmässigstes Ineinander-
greifen richtig berechneter Einzelwirkungen erzielt wird. Und
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/162>, abgerufen am 28.11.2024.
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