der so entstehenden gesonderten Thätigkeiten dasselbe drei- gliedrige Schema, das uns bisher geleitet hat, geeignet sein möchte, d. h. dass in den verschiedenen doch zu einander ge- hörigen sozialen Thätigkeiten, die das soziale Leben im ganzen ausmachen, die ursprünglichen drei Grundbeding- ungen der sozialen Thätigkeit überhaupt eigene Provinzen in der Art abgrenzen, dass eine jede in einem beson- deren Kreise von Thätigkeiten die Herrschaft führt.
Die Analogie dieses Gedankens mit dem, welchem Plato folgte, als er aus den drei "Seelenteilen" seiner Psychologie die drei Stände des Staats ableitete, drängt sich unmittelbar auf; umso nötiger ist es, auf den Unterschied unsrer Auf- stellung von der seinigen ausdrücklich hinzuweisen. Es han- delt sich für uns nicht, wie für Plato, um getrennte Stände oder vielmehr Kasten, sondern vorerst nur um Grundklassen von Funktionen, wobei noch ganz offen bleibt, ob diesen auch ebenso viele Klassen von Funktionären entsprechen müssen. An sich sind es nicht notwendig verschiedene Per- sonen, welche die verschiedenen (etwa auch örtlich und zeit- lich getrennten) Arbeiten verrichten. Das Gesetz der Arbeits- teilung, von unanfechtbarer Allgemeingültigkeit in dem objek- tiven Sinne der Zerlegung der Arbeit selbst in ihre notwendi- gen Bestandteile, unterliegt dagegen sehr bestimmten Grenzen in der subjektiven Bedeutung der Zuweisung der verschiedenen Arbeitsteile an ebenso viele verschiedene Klassen von Arbeitern. Zumal wenn es sich um die wesentlichen Bestandteile sozialer Thätigkeit überhaupt handelt, erscheint es von Anfang an ein- leuchtender, dass an diesen normalerweise alle irgendwie teil- haben müssen; so wie im körperlichen Organismus zwar eigen- tümliche Organe für eigentümliche Verrichtungen vorhanden sind, aber doch sie alle teilhaben am Stoffwechsel, und alle auch in einigem Maasse an motorischen und sensorischen Leistungen.
Die sozialen Funktionen greifen eben in ganz andrer, or- ganischerer Weise in einander, als es bei Plato erscheint. Es ist, nach unsrer dargelegten Grundauffassung, eine völlig un-
der so entstehenden gesonderten Thätigkeiten dasselbe drei- gliedrige Schema, das uns bisher geleitet hat, geeignet sein möchte, d. h. dass in den verschiedenen doch zu einander ge- hörigen sozialen Thätigkeiten, die das soziale Leben im ganzen ausmachen, die ursprünglichen drei Grundbeding- ungen der sozialen Thätigkeit überhaupt eigene Provinzen in der Art abgrenzen, dass eine jede in einem beson- deren Kreise von Thätigkeiten die Herrschaft führt.
Die Analogie dieses Gedankens mit dem, welchem Plato folgte, als er aus den drei „Seelenteilen“ seiner Psychologie die drei Stände des Staats ableitete, drängt sich unmittelbar auf; umso nötiger ist es, auf den Unterschied unsrer Auf- stellung von der seinigen ausdrücklich hinzuweisen. Es han- delt sich für uns nicht, wie für Plato, um getrennte Stände oder vielmehr Kasten, sondern vorerst nur um Grundklassen von Funktionen, wobei noch ganz offen bleibt, ob diesen auch ebenso viele Klassen von Funktionären entsprechen müssen. An sich sind es nicht notwendig verschiedene Per- sonen, welche die verschiedenen (etwa auch örtlich und zeit- lich getrennten) Arbeiten verrichten. Das Gesetz der Arbeits- teilung, von unanfechtbarer Allgemeingültigkeit in dem objek- tiven Sinne der Zerlegung der Arbeit selbst in ihre notwendi- gen Bestandteile, unterliegt dagegen sehr bestimmten Grenzen in der subjektiven Bedeutung der Zuweisung der verschiedenen Arbeitsteile an ebenso viele verschiedene Klassen von Arbeitern. Zumal wenn es sich um die wesentlichen Bestandteile sozialer Thätigkeit überhaupt handelt, erscheint es von Anfang an ein- leuchtender, dass an diesen normalerweise alle irgendwie teil- haben müssen; so wie im körperlichen Organismus zwar eigen- tümliche Organe für eigentümliche Verrichtungen vorhanden sind, aber doch sie alle teilhaben am Stoffwechsel, und alle auch in einigem Maasse an motorischen und sensorischen Leistungen.
Die sozialen Funktionen greifen eben in ganz andrer, or- ganischerer Weise in einander, als es bei Plato erscheint. Es ist, nach unsrer dargelegten Grundauffassung, eine völlig un-
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der so entstehenden gesonderten Thätigkeiten dasselbe drei-
gliedrige Schema, das uns bisher geleitet hat, geeignet sein
möchte, d. h. dass in den verschiedenen doch zu einander ge-
hörigen sozialen Thätigkeiten, die das soziale Leben im ganzen
ausmachen, die ursprünglichen drei Grundbeding-
ungen der sozialen Thätigkeit überhaupt eigene Provinzen
in der Art abgrenzen, dass eine jede in einem beson-
deren Kreise von Thätigkeiten die Herrschaft
führt.
Die Analogie dieses Gedankens mit dem, welchem Plato
folgte, als er aus den drei „Seelenteilen“ seiner Psychologie
die drei Stände des Staats ableitete, drängt sich unmittelbar
auf; umso nötiger ist es, auf den Unterschied unsrer Auf-
stellung von der seinigen ausdrücklich hinzuweisen. Es han-
delt sich für uns nicht, wie für Plato, um getrennte Stände
oder vielmehr Kasten, sondern vorerst nur um Grundklassen
von Funktionen, wobei noch ganz offen bleibt, ob diesen
auch ebenso viele Klassen von Funktionären entsprechen
müssen. An sich sind es nicht notwendig verschiedene Per-
sonen, welche die verschiedenen (etwa auch örtlich und zeit-
lich getrennten) Arbeiten verrichten. Das Gesetz der Arbeits-
teilung, von unanfechtbarer Allgemeingültigkeit in dem objek-
tiven Sinne der Zerlegung der Arbeit selbst in ihre notwendi-
gen Bestandteile, unterliegt dagegen sehr bestimmten Grenzen
in der subjektiven Bedeutung der Zuweisung der verschiedenen
Arbeitsteile an ebenso viele verschiedene Klassen von Arbeitern.
Zumal wenn es sich um die wesentlichen Bestandteile sozialer
Thätigkeit überhaupt handelt, erscheint es von Anfang an ein-
leuchtender, dass an diesen normalerweise alle irgendwie teil-
haben müssen; so wie im körperlichen Organismus zwar eigen-
tümliche Organe für eigentümliche Verrichtungen vorhanden
sind, aber doch sie alle teilhaben am Stoffwechsel, und alle
auch in einigem Maasse an motorischen und sensorischen
Leistungen.
Die sozialen Funktionen greifen eben in ganz andrer, or-
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/163>, abgerufen am 28.11.2024.
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