sachen vorhanden, die eine fortschreitende Entwicklung bis zu diesem Punkte notwendig machten. Aber ein allgemeines Naturgesetz, nach welchem eine im gleichen Sinne fort- schreitende Entwicklung nun auch ferner und gar in alle Zu- kunft notwendig wäre, zu behaupten, dazu reicht die Basis, auf die wir unsern Schluss gestellt haben, offenbar nicht aus. Dem Willen hingegen ist gerade durch ein derartiges Gesetz seine Bahn bestimmt. Sein Gesetz ist eben das jenes über die gegebene Erfahrung, ja über die Möglichkeit des Erfahrungs- beweises überhaupt hinausgehenden Bewusstseins; seine eigen- tümliche Methode ist es, an den Grenzen der Erfahrung, ob- wohl im beständigen Rückblick auf sie, das eigene Gesetz der Idee aufzurichten.
Allein auf die Zurückbeziehung der Idee auf die Er- fahrung kommt nun hier nicht weniger als alles an. Und diese erschöpft sich nicht darin, dass an die einzelnen empi- rischen Daten der Maasstab der Idee angelegt wird. Auch daraus würde noch gar kein Gesetz folgen, nach dem der Gang der Entwicklung sich (im erklärten Sinne) allgemeingültig be- stimmen liesse. Sondern es muss noch eine Verbindung nachgewiesen werden zwischen dem Gesetze der Idee und den allgemeinen Gesetzen der Erfahrung. Eine innere Beziehung zwischen beiden haben wir von Anfang an voraus- gesetzt. Das ist in der That die einzige Voraussetzung, unter der eine konkrete Erfassung der sittlichen Aufgabe in gesetz- mässiger Form möglich ist. In welcher Art aber die ver- langte Verbindung insbesondere für das soziale Leben besteht, ergiebt sich aus den Darlegungen der beiden letzten Para- graphen. Die vernunftmässige Gestaltung des sozialen Lebens kann nur geschehen durch das Mittel der sozialen Regelung, die die Willensform des sozialen Lebens darstellt; diese aber hat ihre letzte materiale Grundlage in der Technik; der Fort- schritt der Technik endlich ruht unmittelbar auf dem Fort- schritt der Naturerkenntnis. Damit ist der Zusammen- hang im Prinzip gegeben, und zwar, wie wir erwarten mussten, durch eine notwendige, innerlich begründete Beziehung der Grundgesetzlichkeit des praktischen auf die des theoretischen
sachen vorhanden, die eine fortschreitende Entwicklung bis zu diesem Punkte notwendig machten. Aber ein allgemeines Naturgesetz, nach welchem eine im gleichen Sinne fort- schreitende Entwicklung nun auch ferner und gar in alle Zu- kunft notwendig wäre, zu behaupten, dazu reicht die Basis, auf die wir unsern Schluss gestellt haben, offenbar nicht aus. Dem Willen hingegen ist gerade durch ein derartiges Gesetz seine Bahn bestimmt. Sein Gesetz ist eben das jenes über die gegebene Erfahrung, ja über die Möglichkeit des Erfahrungs- beweises überhaupt hinausgehenden Bewusstseins; seine eigen- tümliche Methode ist es, an den Grenzen der Erfahrung, ob- wohl im beständigen Rückblick auf sie, das eigene Gesetz der Idee aufzurichten.
Allein auf die Zurückbeziehung der Idee auf die Er- fahrung kommt nun hier nicht weniger als alles an. Und diese erschöpft sich nicht darin, dass an die einzelnen empi- rischen Daten der Maasstab der Idee angelegt wird. Auch daraus würde noch gar kein Gesetz folgen, nach dem der Gang der Entwicklung sich (im erklärten Sinne) allgemeingültig be- stimmen liesse. Sondern es muss noch eine Verbindung nachgewiesen werden zwischen dem Gesetze der Idee und den allgemeinen Gesetzen der Erfahrung. Eine innere Beziehung zwischen beiden haben wir von Anfang an voraus- gesetzt. Das ist in der That die einzige Voraussetzung, unter der eine konkrete Erfassung der sittlichen Aufgabe in gesetz- mässiger Form möglich ist. In welcher Art aber die ver- langte Verbindung insbesondere für das soziale Leben besteht, ergiebt sich aus den Darlegungen der beiden letzten Para- graphen. Die vernunftmässige Gestaltung des sozialen Lebens kann nur geschehen durch das Mittel der sozialen Regelung, die die Willensform des sozialen Lebens darstellt; diese aber hat ihre letzte materiale Grundlage in der Technik; der Fort- schritt der Technik endlich ruht unmittelbar auf dem Fort- schritt der Naturerkenntnis. Damit ist der Zusammen- hang im Prinzip gegeben, und zwar, wie wir erwarten mussten, durch eine notwendige, innerlich begründete Beziehung der Grundgesetzlichkeit des praktischen auf die des theoretischen
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sachen vorhanden, die eine fortschreitende Entwicklung bis zu
diesem Punkte notwendig machten. Aber ein allgemeines
Naturgesetz, nach welchem eine im gleichen Sinne fort-
schreitende Entwicklung nun auch ferner und gar in alle Zu-
kunft notwendig wäre, zu behaupten, dazu reicht die Basis,
auf die wir unsern Schluss gestellt haben, offenbar nicht aus.
Dem Willen hingegen ist gerade durch ein derartiges Gesetz
seine Bahn bestimmt. Sein Gesetz ist eben das jenes über
die gegebene Erfahrung, ja über die Möglichkeit des Erfahrungs-
beweises überhaupt hinausgehenden Bewusstseins; seine eigen-
tümliche Methode ist es, an den Grenzen der Erfahrung, ob-
wohl im beständigen Rückblick auf sie, das eigene Gesetz der
Idee aufzurichten.
Allein auf die Zurückbeziehung der Idee auf die Er-
fahrung kommt nun hier nicht weniger als alles an. Und
diese erschöpft sich nicht darin, dass an die einzelnen empi-
rischen Daten der Maasstab der Idee angelegt wird. Auch
daraus würde noch gar kein Gesetz folgen, nach dem der Gang
der Entwicklung sich (im erklärten Sinne) allgemeingültig be-
stimmen liesse. Sondern es muss noch eine Verbindung
nachgewiesen werden zwischen dem Gesetze der Idee und
den allgemeinen Gesetzen der Erfahrung. Eine innere
Beziehung zwischen beiden haben wir von Anfang an voraus-
gesetzt. Das ist in der That die einzige Voraussetzung, unter
der eine konkrete Erfassung der sittlichen Aufgabe in gesetz-
mässiger Form möglich ist. In welcher Art aber die ver-
langte Verbindung insbesondere für das soziale Leben besteht,
ergiebt sich aus den Darlegungen der beiden letzten Para-
graphen. Die vernunftmässige Gestaltung des sozialen Lebens
kann nur geschehen durch das Mittel der sozialen Regelung,
die die Willensform des sozialen Lebens darstellt; diese aber
hat ihre letzte materiale Grundlage in der Technik; der Fort-
schritt der Technik endlich ruht unmittelbar auf dem Fort-
schritt der Naturerkenntnis. Damit ist der Zusammen-
hang im Prinzip gegeben, und zwar, wie wir erwarten mussten,
durch eine notwendige, innerlich begründete Beziehung der
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/179>, abgerufen am 04.12.2024.
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