lichen Interessierens und Erwärmens durch äussere Mittel, schliesslich durch eben jene unmittelbaren Gefühlswirkungen, die doch Herbart mit grösstem Rechte ahlehnt und in denen er das gerade Widerspiel des "erziehenden Unterrichts" sieht. Ohne Zweifel soll der Zögling sich durch den Unterricht auch erwärmt und interessiert, nämlich zu selbstgewollter Mitarbeit gespornt fühlen. Aber solches echte "Interesse", das bereits unter der Herrschaft des Willens steht, nicht ihn erst produ- zieren kann, fliesst am sichersten aus der eindringenden Be- schäftigung mit der Sache, aus dem Aufleuchten der Erkennt- nis in der Seele des heranwachsenden Kindes, aus der Ent- fesselung der gestaltenden Kraft des verstehenden Bewusstseins. Dagegen muss die Sachlichkeit notwendig Schaden leiden und ein aussersachliches, subjektives Verfahren Platz greifen, wenn das persönliche Erfülltsein, die Begeisterung des Lehrers, das Ergreifende der Darstellung (wovon allerdings auch Herbart gelegentlich gesprochen hat) so einseitig betont wird, wie es von den Herbartianern einer bestimmten Richtung geschieht.
In engem Zusammenhang damit steht schliesslich die Stempe- lung bestimmter Unterrichtsstoffe, vorzüglich Geschichte und Religion, zu "Gesinnungsstoffen" vor andern. Als ob es jemals unmittelbar Aufgabe und Wirkung des Unterrichts sein könnte, "Gesinnung" hervorzubringen statt Begriff und Erkenntnis; und als ob der Unterricht eines oder einiger Fächer sich eben hierdurch von allem übrigen unterscheiden, als ob insbesondere die Geschichte es sich gefallen lassen dürfte, aus der Reihe der verstandbildenden Fächer so gut wie gestrichen zu werden. Vielmehr muss die innige Verbindung zwischen Intellekt- und Willensbildung, je mehr sie als schlechthin notwendig und wurzelhaft erkannt wird, umso allgemeiner für alle Gebiete des Unterrichts behauptet und zur Wahrheit gemacht werden. In allen ist jene relative Selbständigkeit der Verstandesbildung zu wahren, allen aber auch eignet die fernere und letzte Be- ziehung auf das Willensgesetz, der zufolge sie zur Charakter- bildung zugleich beizutragen imstande sind. Auch sofern Unter- schiede des Grades hierbei obwalten, sind sie nicht ausschliess- lich oder zuerst zu gründen auf eine materiale Einteilung wie
Natorp, Sozialpädagogik. 18
lichen Interessierens und Erwärmens durch äussere Mittel, schliesslich durch eben jene unmittelbaren Gefühlswirkungen, die doch Herbart mit grösstem Rechte ahlehnt und in denen er das gerade Widerspiel des „erziehenden Unterrichts“ sieht. Ohne Zweifel soll der Zögling sich durch den Unterricht auch erwärmt und interessiert, nämlich zu selbstgewollter Mitarbeit gespornt fühlen. Aber solches echte „Interesse“, das bereits unter der Herrschaft des Willens steht, nicht ihn erst produ- zieren kann, fliesst am sichersten aus der eindringenden Be- schäftigung mit der Sache, aus dem Aufleuchten der Erkennt- nis in der Seele des heranwachsenden Kindes, aus der Ent- fesselung der gestaltenden Kraft des verstehenden Bewusstseins. Dagegen muss die Sachlichkeit notwendig Schaden leiden und ein aussersachliches, subjektives Verfahren Platz greifen, wenn das persönliche Erfülltsein, die Begeisterung des Lehrers, das Ergreifende der Darstellung (wovon allerdings auch Herbart gelegentlich gesprochen hat) so einseitig betont wird, wie es von den Herbartianern einer bestimmten Richtung geschieht.
In engem Zusammenhang damit steht schliesslich die Stempe- lung bestimmter Unterrichtsstoffe, vorzüglich Geschichte und Religion, zu „Gesinnungsstoffen“ vor andern. Als ob es jemals unmittelbar Aufgabe und Wirkung des Unterrichts sein könnte, „Gesinnung“ hervorzubringen statt Begriff und Erkenntnis; und als ob der Unterricht eines oder einiger Fächer sich eben hierdurch von allem übrigen unterscheiden, als ob insbesondere die Geschichte es sich gefallen lassen dürfte, aus der Reihe der verstandbildenden Fächer so gut wie gestrichen zu werden. Vielmehr muss die innige Verbindung zwischen Intellekt- und Willensbildung, je mehr sie als schlechthin notwendig und wurzelhaft erkannt wird, umso allgemeiner für alle Gebiete des Unterrichts behauptet und zur Wahrheit gemacht werden. In allen ist jene relative Selbständigkeit der Verstandesbildung zu wahren, allen aber auch eignet die fernere und letzte Be- ziehung auf das Willensgesetz, der zufolge sie zur Charakter- bildung zugleich beizutragen imstande sind. Auch sofern Unter- schiede des Grades hierbei obwalten, sind sie nicht ausschliess- lich oder zuerst zu gründen auf eine materiale Einteilung wie
Natorp, Sozialpädagogik. 18
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lichen Interessierens und Erwärmens durch äussere Mittel,
schliesslich durch eben jene unmittelbaren Gefühlswirkungen,
die doch Herbart mit grösstem Rechte ahlehnt und in denen
er das gerade Widerspiel des „erziehenden Unterrichts“ sieht.
Ohne Zweifel soll der Zögling sich durch den Unterricht auch
erwärmt und interessiert, nämlich zu selbstgewollter Mitarbeit
gespornt fühlen. Aber solches echte „Interesse“, das bereits
unter der Herrschaft des Willens steht, nicht ihn erst produ-
zieren kann, fliesst am sichersten aus der eindringenden Be-
schäftigung mit der Sache, aus dem Aufleuchten der Erkennt-
nis in der Seele des heranwachsenden Kindes, aus der Ent-
fesselung der gestaltenden Kraft des verstehenden Bewusstseins.
Dagegen muss die Sachlichkeit notwendig Schaden leiden und
ein aussersachliches, subjektives Verfahren Platz greifen, wenn
das persönliche Erfülltsein, die Begeisterung des Lehrers, das
Ergreifende der Darstellung (wovon allerdings auch Herbart
gelegentlich gesprochen hat) so einseitig betont wird, wie es
von den Herbartianern einer bestimmten Richtung geschieht.
In engem Zusammenhang damit steht schliesslich die Stempe-
lung bestimmter Unterrichtsstoffe, vorzüglich Geschichte und
Religion, zu „Gesinnungsstoffen“ vor andern. Als ob es jemals
unmittelbar Aufgabe und Wirkung des Unterrichts sein könnte,
„Gesinnung“ hervorzubringen statt Begriff und Erkenntnis;
und als ob der Unterricht eines oder einiger Fächer sich eben
hierdurch von allem übrigen unterscheiden, als ob insbesondere
die Geschichte es sich gefallen lassen dürfte, aus der Reihe
der verstandbildenden Fächer so gut wie gestrichen zu werden.
Vielmehr muss die innige Verbindung zwischen Intellekt- und
Willensbildung, je mehr sie als schlechthin notwendig und
wurzelhaft erkannt wird, umso allgemeiner für alle Gebiete
des Unterrichts behauptet und zur Wahrheit gemacht werden.
In allen ist jene relative Selbständigkeit der Verstandesbildung
zu wahren, allen aber auch eignet die fernere und letzte Be-
ziehung auf das Willensgesetz, der zufolge sie zur Charakter-
bildung zugleich beizutragen imstande sind. Auch sofern Unter-
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lich oder zuerst zu gründen auf eine materiale Einteilung wie
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/289>, abgerufen am 21.11.2024.
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