die der Herbartianer nach "Erfahrung" und "Umgang", sondern es wird sich fragen nach der grösseren Nähe zur Idee, d. h. nach dem Grade der Herrschaft der Form in den be- treffenden Unterrichtszweigen. Nach diesem Maasstab ge- bührt z. B. der Mathematik (wie Plato schon erkannt und Aristoteles vergeblich geleugnet hat) sogar eine ganz hervor- ragende Stelle; dagegen würde sie nicht der Geschichte bloss insofern zukommen, als sie "Teilnahme" am Menschen er- weckt. Würde nicht im Begriff des Menschen die Idee mit- gedacht, so wäre die Beschäftigung des Unterrichts mit Menschen nicht gesinnungbildender als die mit Gleichungen und Kegelschnitten. Erhebung zur Idee ist etwas sehr andres als Weckung von Teilnahme. Zu ihr aber geht der alleinige Weg durch den Begriff, der sich, angesichts der Unend- lichkeit der Aufgabe der Erfahrung, mit sachlicher Notwendig- keit zur Idee vertieft. Also sehen wir uns doch auf den Weg der Verstandesbildung zurückverwiesen, auch für den Geschichts- unterricht, und gerade in Hinsicht des Beitrags, den er zur Willensbildung liefern soll.
Und so ist allgemein zu sagen: Je reiner die Verstandes- bildung ihre Eigenart bewahrt, um so reiner vermag sie zur Willensbildung beizutragen. Zugleich fordert die Wahrheit der Gesinnung selbst, dass man sich grundsätz- lich davor hüte Gesinnung zu machen.
Auf diesen allgemeinen Grundlagen sei es nun versucht, von Art und Maass des Einflusses der Intellektbildung auf die Willensbildung genauere Rechenschaft zu geben. Als Grund- satz darf nunmehr vorangestellt werden: dass die Bildung des Verstandes in eben dem Maasse den Willen entwickeln hilft, als sie, nach der Grundforderung Pestalozzis, die Selbstthätig- keit in Anspruch nimmt, und als das Stoffliche in ihr sich dem Formalen unterordnet. Und zwar findet dies seine An- wendung gleichermaassen auf beide notwendig zusammengehören- den Bestandteile der intellektuellen Thätigkeit: das Kennen und das Können, Einsicht und Ausübung, Theorie und Technik. Denn da einerseits theoretische und praktische Einsicht wesens- verwandt und zusammengehörig sind, andrerseits die Uebung
die der Herbartianer nach „Erfahrung“ und „Umgang“, sondern es wird sich fragen nach der grösseren Nähe zur Idee, d. h. nach dem Grade der Herrschaft der Form in den be- treffenden Unterrichtszweigen. Nach diesem Maasstab ge- bührt z. B. der Mathematik (wie Plato schon erkannt und Aristoteles vergeblich geleugnet hat) sogar eine ganz hervor- ragende Stelle; dagegen würde sie nicht der Geschichte bloss insofern zukommen, als sie „Teilnahme“ am Menschen er- weckt. Würde nicht im Begriff des Menschen die Idee mit- gedacht, so wäre die Beschäftigung des Unterrichts mit Menschen nicht gesinnungbildender als die mit Gleichungen und Kegelschnitten. Erhebung zur Idee ist etwas sehr andres als Weckung von Teilnahme. Zu ihr aber geht der alleinige Weg durch den Begriff, der sich, angesichts der Unend- lichkeit der Aufgabe der Erfahrung, mit sachlicher Notwendig- keit zur Idee vertieft. Also sehen wir uns doch auf den Weg der Verstandesbildung zurückverwiesen, auch für den Geschichts- unterricht, und gerade in Hinsicht des Beitrags, den er zur Willensbildung liefern soll.
Und so ist allgemein zu sagen: Je reiner die Verstandes- bildung ihre Eigenart bewahrt, um so reiner vermag sie zur Willensbildung beizutragen. Zugleich fordert die Wahrheit der Gesinnung selbst, dass man sich grundsätz- lich davor hüte Gesinnung zu machen.
Auf diesen allgemeinen Grundlagen sei es nun versucht, von Art und Maass des Einflusses der Intellektbildung auf die Willensbildung genauere Rechenschaft zu geben. Als Grund- satz darf nunmehr vorangestellt werden: dass die Bildung des Verstandes in eben dem Maasse den Willen entwickeln hilft, als sie, nach der Grundforderung Pestalozzis, die Selbstthätig- keit in Anspruch nimmt, und als das Stoffliche in ihr sich dem Formalen unterordnet. Und zwar findet dies seine An- wendung gleichermaassen auf beide notwendig zusammengehören- den Bestandteile der intellektuellen Thätigkeit: das Kennen und das Können, Einsicht und Ausübung, Theorie und Technik. Denn da einerseits theoretische und praktische Einsicht wesens- verwandt und zusammengehörig sind, andrerseits die Uebung
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treffenden Unterrichtszweigen. Nach diesem Maasstab ge-
bührt z. B. der Mathematik (wie Plato schon erkannt und
Aristoteles vergeblich geleugnet hat) sogar eine ganz hervor-
ragende Stelle; dagegen würde sie nicht der Geschichte bloss
insofern zukommen, als sie „Teilnahme“ am Menschen er-
weckt. Würde nicht im Begriff des Menschen die Idee mit-
gedacht, so wäre die Beschäftigung des Unterrichts mit
Menschen nicht gesinnungbildender als die mit Gleichungen
und Kegelschnitten. Erhebung zur Idee ist etwas sehr andres
als Weckung von Teilnahme. Zu ihr aber geht der alleinige
Weg durch den Begriff, der sich, angesichts der Unend-
lichkeit der Aufgabe der Erfahrung, mit sachlicher Notwendig-
keit zur Idee vertieft. Also sehen wir uns doch auf den Weg
der Verstandesbildung zurückverwiesen, auch für den Geschichts-
unterricht, und gerade in Hinsicht des Beitrags, den er zur
Willensbildung liefern soll.
Und so ist allgemein zu sagen: Je reiner die Verstandes-
bildung ihre Eigenart bewahrt, um so reiner vermag
sie zur Willensbildung beizutragen. Zugleich fordert
die Wahrheit der Gesinnung selbst, dass man sich grundsätz-
lich davor hüte Gesinnung zu machen.
Auf diesen allgemeinen Grundlagen sei es nun versucht,
von Art und Maass des Einflusses der Intellektbildung auf die
Willensbildung genauere Rechenschaft zu geben. Als Grund-
satz darf nunmehr vorangestellt werden: dass die Bildung des
Verstandes in eben dem Maasse den Willen entwickeln hilft,
als sie, nach der Grundforderung Pestalozzis, die Selbstthätig-
keit in Anspruch nimmt, und als das Stoffliche in ihr sich
dem Formalen unterordnet. Und zwar findet dies seine An-
wendung gleichermaassen auf beide notwendig zusammengehören-
den Bestandteile der intellektuellen Thätigkeit: das Kennen
und das Können, Einsicht und Ausübung, Theorie und Technik.
Denn da einerseits theoretische und praktische Einsicht wesens-
verwandt und zusammengehörig sind, andrerseits die Uebung
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/290>, abgerufen am 22.11.2024.
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