Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

nens in abstracto aussagt, daher überhaupt keinen Stoff zu
irgend welcher besonderen wissenschaftlichen Frage oder Nach-
forschung bietet; sondern ein Bewusstsein, ausschliesslich ge-
richtet auf die Einheit der Erkenntnis und ihre Be-
dingungen
. Es ist, in der vorerst einzigen Beziehung auf
naturwissenschaftliche und psychologische Erkenntnis, das
logische Bewusstsein. In dessen reinen Gesetzen gründet
sich erst die Gesetzlichkeit der Zeitordnung der Erscheinungen,
d. i. die Kausalität; also können nicht umgekehrt die logischen
von kausalen Gesetzen irgend welcher Art abhängen.

Ist aber auf solchem Wege die Begründung sogar für den
Ursachbegriff erst zu suchen, so kann man hoffen, im Verfolg
desselben Weges etwa auch zum Ursprung des Zweckbegriffes
zu gelangen. Denn so viel ist nach allem schon klar, dass
dieser auf demselben allgemeinen Boden wie jener, gleichsam
an seinen Grenzen gesucht werden muss.

Doch scheint vorerst dieser neue Weg der Forschung
selbst noch der Sicherung bedürftig. Denn die hier voraus-
gesetzte gänzliche Unabhängigkeit der kritischen Untersuchung
nicht nur von der naturwissenschaftlichen, sondern auch von
der psychologischen wird fortwährend bestritten. Die Erledi-
gung dieser anscheinend bloss methodologischen Vorfrage wird
uns unmittelbar an die Schwelle der Lösung unsres eigent-
lichen Problems führen.

§ 4.
Erkenntniskritik nicht Psychologie.

Gegen die Unterscheidung der Erkenntniskritik von der
Psychologie, gegen die Ansicht überhaupt, dass die letzten
Gesetze der Erkenntnis nicht Zeitgesetze, weder äusserer noch
innerer Erscheinungen seien, pflegt eingewandt zu werden:
Gesetze besagen überhaupt nichts andres als allgemeine That-
sachen. Auch der Unterschied zwischen logischem, d. i. er-
kenntnismässigem, und unlogischem, erkenntniswidrigem Denken
kann nur ein thatsächlicher sein, der von thatsächlichen Be-
dingungen abhängt. Gesetze von Thatsachen aber sind ursach-

nens in abstracto aussagt, daher überhaupt keinen Stoff zu
irgend welcher besonderen wissenschaftlichen Frage oder Nach-
forschung bietet; sondern ein Bewusstsein, ausschliesslich ge-
richtet auf die Einheit der Erkenntnis und ihre Be-
dingungen
. Es ist, in der vorerst einzigen Beziehung auf
naturwissenschaftliche und psychologische Erkenntnis, das
logische Bewusstsein. In dessen reinen Gesetzen gründet
sich erst die Gesetzlichkeit der Zeitordnung der Erscheinungen,
d. i. die Kausalität; also können nicht umgekehrt die logischen
von kausalen Gesetzen irgend welcher Art abhängen.

Ist aber auf solchem Wege die Begründung sogar für den
Ursachbegriff erst zu suchen, so kann man hoffen, im Verfolg
desselben Weges etwa auch zum Ursprung des Zweckbegriffes
zu gelangen. Denn so viel ist nach allem schon klar, dass
dieser auf demselben allgemeinen Boden wie jener, gleichsam
an seinen Grenzen gesucht werden muss.

Doch scheint vorerst dieser neue Weg der Forschung
selbst noch der Sicherung bedürftig. Denn die hier voraus-
gesetzte gänzliche Unabhängigkeit der kritischen Untersuchung
nicht nur von der naturwissenschaftlichen, sondern auch von
der psychologischen wird fortwährend bestritten. Die Erledi-
gung dieser anscheinend bloss methodologischen Vorfrage wird
uns unmittelbar an die Schwelle der Lösung unsres eigent-
lichen Problems führen.

§ 4.
Erkenntniskritik nicht Psychologie.

Gegen die Unterscheidung der Erkenntniskritik von der
Psychologie, gegen die Ansicht überhaupt, dass die letzten
Gesetze der Erkenntnis nicht Zeitgesetze, weder äusserer noch
innerer Erscheinungen seien, pflegt eingewandt zu werden:
Gesetze besagen überhaupt nichts andres als allgemeine That-
sachen. Auch der Unterschied zwischen logischem, d. i. er-
kenntnismässigem, und unlogischem, erkenntniswidrigem Denken
kann nur ein thatsächlicher sein, der von thatsächlichen Be-
dingungen abhängt. Gesetze von Thatsachen aber sind ursach-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0031" n="15"/>
nens <hi rendition="#i">in abstracto</hi> aussagt, daher überhaupt keinen Stoff zu<lb/>
irgend welcher besonderen wissenschaftlichen Frage oder Nach-<lb/>
forschung bietet; sondern ein Bewusstsein, ausschliesslich ge-<lb/>
richtet auf die <hi rendition="#g">Einheit der Erkenntnis und ihre Be-<lb/>
dingungen</hi>. Es ist, in der vorerst einzigen Beziehung auf<lb/>
naturwissenschaftliche und psychologische Erkenntnis, das<lb/><hi rendition="#g">logische</hi> Bewusstsein. In dessen reinen Gesetzen gründet<lb/>
sich erst die Gesetzlichkeit der Zeitordnung der Erscheinungen,<lb/>
d. i. die Kausalität; also können nicht umgekehrt die logischen<lb/>
von kausalen Gesetzen irgend welcher Art abhängen.</p><lb/>
          <p>Ist aber auf solchem Wege die Begründung sogar für den<lb/>
Ursachbegriff erst zu suchen, so kann man hoffen, im Verfolg<lb/>
desselben Weges etwa auch zum Ursprung des Zweckbegriffes<lb/>
zu gelangen. Denn so viel ist nach allem schon klar, dass<lb/>
dieser auf demselben allgemeinen Boden wie jener, gleichsam<lb/>
an seinen Grenzen gesucht werden muss.</p><lb/>
          <p>Doch scheint vorerst dieser neue Weg der Forschung<lb/>
selbst noch der Sicherung bedürftig. Denn die hier voraus-<lb/>
gesetzte gänzliche Unabhängigkeit der kritischen Untersuchung<lb/>
nicht nur von der naturwissenschaftlichen, sondern auch von<lb/>
der psychologischen wird fortwährend bestritten. Die Erledi-<lb/>
gung dieser anscheinend bloss methodologischen Vorfrage wird<lb/>
uns unmittelbar an die Schwelle der Lösung unsres eigent-<lb/>
lichen Problems führen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§ 4.<lb/><hi rendition="#b">Erkenntniskritik nicht Psychologie.</hi></head><lb/>
          <p>Gegen die Unterscheidung der Erkenntniskritik von der<lb/>
Psychologie, gegen die Ansicht überhaupt, dass die letzten<lb/>
Gesetze der Erkenntnis nicht Zeitgesetze, weder äusserer noch<lb/>
innerer Erscheinungen seien, pflegt eingewandt zu werden:<lb/>
Gesetze besagen überhaupt nichts andres als allgemeine That-<lb/>
sachen. Auch der Unterschied zwischen logischem, d. i. er-<lb/>
kenntnismässigem, und unlogischem, erkenntniswidrigem Denken<lb/>
kann nur ein thatsächlicher sein, der von thatsächlichen Be-<lb/>
dingungen abhängt. Gesetze von Thatsachen aber sind ursach-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0031] nens in abstracto aussagt, daher überhaupt keinen Stoff zu irgend welcher besonderen wissenschaftlichen Frage oder Nach- forschung bietet; sondern ein Bewusstsein, ausschliesslich ge- richtet auf die Einheit der Erkenntnis und ihre Be- dingungen. Es ist, in der vorerst einzigen Beziehung auf naturwissenschaftliche und psychologische Erkenntnis, das logische Bewusstsein. In dessen reinen Gesetzen gründet sich erst die Gesetzlichkeit der Zeitordnung der Erscheinungen, d. i. die Kausalität; also können nicht umgekehrt die logischen von kausalen Gesetzen irgend welcher Art abhängen. Ist aber auf solchem Wege die Begründung sogar für den Ursachbegriff erst zu suchen, so kann man hoffen, im Verfolg desselben Weges etwa auch zum Ursprung des Zweckbegriffes zu gelangen. Denn so viel ist nach allem schon klar, dass dieser auf demselben allgemeinen Boden wie jener, gleichsam an seinen Grenzen gesucht werden muss. Doch scheint vorerst dieser neue Weg der Forschung selbst noch der Sicherung bedürftig. Denn die hier voraus- gesetzte gänzliche Unabhängigkeit der kritischen Untersuchung nicht nur von der naturwissenschaftlichen, sondern auch von der psychologischen wird fortwährend bestritten. Die Erledi- gung dieser anscheinend bloss methodologischen Vorfrage wird uns unmittelbar an die Schwelle der Lösung unsres eigent- lichen Problems führen. § 4. Erkenntniskritik nicht Psychologie. Gegen die Unterscheidung der Erkenntniskritik von der Psychologie, gegen die Ansicht überhaupt, dass die letzten Gesetze der Erkenntnis nicht Zeitgesetze, weder äusserer noch innerer Erscheinungen seien, pflegt eingewandt zu werden: Gesetze besagen überhaupt nichts andres als allgemeine That- sachen. Auch der Unterschied zwischen logischem, d. i. er- kenntnismässigem, und unlogischem, erkenntniswidrigem Denken kann nur ein thatsächlicher sein, der von thatsächlichen Be- dingungen abhängt. Gesetze von Thatsachen aber sind ursach-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/31
Zitationshilfe: Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/31>, abgerufen am 21.11.2024.