sonst üblichen Auffassung der Psychologie, die nur, statt einer, zwei Naturen kennt.
Aber vielleicht giebt es noch einen von diesen allen ver- schiedenen Weg der Forschung. Nämlich wir haben zum mindesten noch Naturwissenschaft selbst nach dem Grunde und Rechte jener ihr eigentümlichen Ordnungsweise der Er- scheinungen, welche die Natur als Objekt unsrer Erkenntnis erst hervorbringt, und nach dem Grunde und Rechte der fun- damentalen Begriffe, Grundsätze und Methoden, mittels deren sie diese Ordnung gewinnt, zu befragen; zu denen als einer der obersten der Begriff der Ursache, der Grundsatz der Kau- salität aller Naturerscheinungen, und die Methoden gehören, nach welchen diese Kausalität erforscht wird. Diese Frage kann nicht wiederum eine Frage der Naturwissenschaft sein; es lässt sich darauf nicht antworten durch die wiederum ur- sachliche Erkenntnis, welche Not etwa oder welcher sonstige Anreiz den Menschen treibt nach Ursachen zu forschen. Da- bei würde ja eben das, wonach gefragt ist, die Verursachung überhaupt, fortwährend vorausgesetzt. Es ist ebensowenig eine Frage der Psychologie, denn diese würde entweder nur Ursachen einer andern Art für das Ursachdenken angeben können, oder gar sich darauf beschränken müssen, es als unser inneres Erlebnis lediglich aufzuweisen, worin überhaupt nichts von Begründung enthalten wäre. Sondern es wird notwendig, von der ganzen, sei es in bloss thatsachlicher Nachweisung oder ursachlicher Erklärung der Erscheinungen sich bewegen- den Erkenntnis -- welche letztere stets naturwissenschaftlich ist, und es ihrem allgemeinen Charakter nach auch dann bleibt, wenn man sie Psychologie zu nennen vorzieht -- gleichsam eine Stufe emporzusteigen und sie selbst, alle Erkenntnis von dieser Art, aus einem neuen Gesichtspunkte zu betrachten, den wir den der Methode oder der Kritik nennen. Es ist ein Bewusstsein, welches nicht unmittelbar, sei es auf die Gegenstände der Natur oder auf die Erscheinungen des Be- wusstseins geht; auch nicht auf jenes nackte Bewusst-sein, welches, für alle Erscheinungen unterschiedslos dasselbe und ohne eigenen Inhalt, eigentlich nur die Thatsache des Erschei-
sonst üblichen Auffassung der Psychologie, die nur, statt einer, zwei Naturen kennt.
Aber vielleicht giebt es noch einen von diesen allen ver- schiedenen Weg der Forschung. Nämlich wir haben zum mindesten noch Naturwissenschaft selbst nach dem Grunde und Rechte jener ihr eigentümlichen Ordnungsweise der Er- scheinungen, welche die Natur als Objekt unsrer Erkenntnis erst hervorbringt, und nach dem Grunde und Rechte der fun- damentalen Begriffe, Grundsätze und Methoden, mittels deren sie diese Ordnung gewinnt, zu befragen; zu denen als einer der obersten der Begriff der Ursache, der Grundsatz der Kau- salität aller Naturerscheinungen, und die Methoden gehören, nach welchen diese Kausalität erforscht wird. Diese Frage kann nicht wiederum eine Frage der Naturwissenschaft sein; es lässt sich darauf nicht antworten durch die wiederum ur- sachliche Erkenntnis, welche Not etwa oder welcher sonstige Anreiz den Menschen treibt nach Ursachen zu forschen. Da- bei würde ja eben das, wonach gefragt ist, die Verursachung überhaupt, fortwährend vorausgesetzt. Es ist ebensowenig eine Frage der Psychologie, denn diese würde entweder nur Ursachen einer andern Art für das Ursachdenken angeben können, oder gar sich darauf beschränken müssen, es als unser inneres Erlebnis lediglich aufzuweisen, worin überhaupt nichts von Begründung enthalten wäre. Sondern es wird notwendig, von der ganzen, sei es in bloss thatsachlicher Nachweisung oder ursachlicher Erklärung der Erscheinungen sich bewegen- den Erkenntnis — welche letztere stets naturwissenschaftlich ist, und es ihrem allgemeinen Charakter nach auch dann bleibt, wenn man sie Psychologie zu nennen vorzieht — gleichsam eine Stufe emporzusteigen und sie selbst, alle Erkenntnis von dieser Art, aus einem neuen Gesichtspunkte zu betrachten, den wir den der Methode oder der Kritik nennen. Es ist ein Bewusstsein, welches nicht unmittelbar, sei es auf die Gegenstände der Natur oder auf die Erscheinungen des Be- wusstseins geht; auch nicht auf jenes nackte Bewusst-sein, welches, für alle Erscheinungen unterschiedslos dasselbe und ohne eigenen Inhalt, eigentlich nur die Thatsache des Erschei-
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sonst üblichen Auffassung der Psychologie, die nur, statt einer,
zwei Naturen kennt.
Aber vielleicht giebt es noch einen von diesen allen ver-
schiedenen Weg der Forschung. Nämlich wir haben zum
mindesten noch Naturwissenschaft selbst nach dem Grunde
und Rechte jener ihr eigentümlichen Ordnungsweise der Er-
scheinungen, welche die Natur als Objekt unsrer Erkenntnis
erst hervorbringt, und nach dem Grunde und Rechte der fun-
damentalen Begriffe, Grundsätze und Methoden, mittels deren
sie diese Ordnung gewinnt, zu befragen; zu denen als einer
der obersten der Begriff der Ursache, der Grundsatz der Kau-
salität aller Naturerscheinungen, und die Methoden gehören,
nach welchen diese Kausalität erforscht wird. Diese Frage
kann nicht wiederum eine Frage der Naturwissenschaft sein;
es lässt sich darauf nicht antworten durch die wiederum ur-
sachliche Erkenntnis, welche Not etwa oder welcher sonstige
Anreiz den Menschen treibt nach Ursachen zu forschen. Da-
bei würde ja eben das, wonach gefragt ist, die Verursachung
überhaupt, fortwährend vorausgesetzt. Es ist ebensowenig
eine Frage der Psychologie, denn diese würde entweder nur
Ursachen einer andern Art für das Ursachdenken angeben
können, oder gar sich darauf beschränken müssen, es als unser
inneres Erlebnis lediglich aufzuweisen, worin überhaupt nichts
von Begründung enthalten wäre. Sondern es wird notwendig,
von der ganzen, sei es in bloss thatsachlicher Nachweisung
oder ursachlicher Erklärung der Erscheinungen sich bewegen-
den Erkenntnis — welche letztere stets naturwissenschaftlich
ist, und es ihrem allgemeinen Charakter nach auch dann bleibt,
wenn man sie Psychologie zu nennen vorzieht — gleichsam
eine Stufe emporzusteigen und sie selbst, alle Erkenntnis von
dieser Art, aus einem neuen Gesichtspunkte zu betrachten,
den wir den der Methode oder der Kritik nennen. Es ist
ein Bewusstsein, welches nicht unmittelbar, sei es auf die
Gegenstände der Natur oder auf die Erscheinungen des Be-
wusstseins geht; auch nicht auf jenes nackte Bewusst-sein,
welches, für alle Erscheinungen unterschiedslos dasselbe und
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/30>, abgerufen am 03.12.2024.
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