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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.

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damit Natur geworden sein; es musste also auch schon vor-
her auf den Naturzusammenhang, als in diesem Zusammen-
hange möglich, sich beziehen. Was aus dem Gesetzeszusammen-
hang der Natur herausfiele, fiele damit überhaupt aus dem
Sein heraus.

Die Verwirklichung des Gewollten ist Sache der Technik,
nach ihrem allgemeinsten Begriff: Herrschaft über die Natur
durch Erkenntnis ihrer Gesetzlichkeit. Was könnte wohl ein
menschliches Wollen zur Materie haben, das nicht diesem
Bereiche angehörte? Kausalität beherrscht daher alles
menschliche Thun, insofern es sich um die Verwirklichung
des Gewollten handelt. Aus dem Gebiete der Technik ent-
stammt selbst der gemeine Begriff des Sollens, des Rechten
und Verkehrten, Guten und Schlechten; und doch waltet in
dem allen nur schlichte Kausalität. Sie beherrscht unumschränkt
die Wahl der Mittel zu jedem gewählten Zweck; das Ver-
hältnis des Mittels zum Zweck ist überhaupt kein andres, als
das der Ursache zur Wirkung (vgl. § 2). Die mancherlei Ge-
biete der Technik ordnen sich daher genau nach der Einteilung
der Wissensgebiete. Von der physikalisch-chemischen Technik
(Technik im engeren Sinn) unterscheidet sich die biologische:
Kultur von Pflanzen und Tieren; innerhalb dieser die anthro-
pologische: physische Kultur des Menschen, welche nicht bloss
Hygiene, Gymnastik, Medizin, sondern schliesslich das ganze
Leben und Treiben des Menschen nach seiner physischen Seite
umspannt; z. B. gehört dahin jede Frage der geeigneten Rege-
lung menschlicher Arbeit aus dem Gesichtspunkt der Erhaltung
der physischen Arbeitskräfte; und so die ganze physische Seite
der Erziehung. Aber es giebt auch eine psychologische Technik:
die Kunst der Seelenbehandlung, an der die Psychiatrie, die
individuelle psychische Erziehung, aber auch alle Art Regie-
rung in welchem Kreise immer, und so schliesslich jede Thätig-
keit teilhat, welche irgend einen Grad und eine Art bewusster
und berechneter, psychologischer d. h. das Subjektive des
Bewusstseins mitberührender Einwirkung auf den Andern ein-
schliesst. Nur die vergrösserte Gestalt dieser psychologischen
endlich ist die soziologische Technik, auf der alles Aeussere

damit Natur geworden sein; es musste also auch schon vor-
her auf den Naturzusammenhang, als in diesem Zusammen-
hange möglich, sich beziehen. Was aus dem Gesetzeszusammen-
hang der Natur herausfiele, fiele damit überhaupt aus dem
Sein heraus.

Die Verwirklichung des Gewollten ist Sache der Technik,
nach ihrem allgemeinsten Begriff: Herrschaft über die Natur
durch Erkenntnis ihrer Gesetzlichkeit. Was könnte wohl ein
menschliches Wollen zur Materie haben, das nicht diesem
Bereiche angehörte? Kausalität beherrscht daher alles
menschliche Thun, insofern es sich um die Verwirklichung
des Gewollten handelt. Aus dem Gebiete der Technik ent-
stammt selbst der gemeine Begriff des Sollens, des Rechten
und Verkehrten, Guten und Schlechten; und doch waltet in
dem allen nur schlichte Kausalität. Sie beherrscht unumschränkt
die Wahl der Mittel zu jedem gewählten Zweck; das Ver-
hältnis des Mittels zum Zweck ist überhaupt kein andres, als
das der Ursache zur Wirkung (vgl. § 2). Die mancherlei Ge-
biete der Technik ordnen sich daher genau nach der Einteilung
der Wissensgebiete. Von der physikalisch-chemischen Technik
(Technik im engeren Sinn) unterscheidet sich die biologische:
Kultur von Pflanzen und Tieren; innerhalb dieser die anthro-
pologische: physische Kultur des Menschen, welche nicht bloss
Hygiene, Gymnastik, Medizin, sondern schliesslich das ganze
Leben und Treiben des Menschen nach seiner physischen Seite
umspannt; z. B. gehört dahin jede Frage der geeigneten Rege-
lung menschlicher Arbeit aus dem Gesichtspunkt der Erhaltung
der physischen Arbeitskräfte; und so die ganze physische Seite
der Erziehung. Aber es giebt auch eine psychologische Technik:
die Kunst der Seelenbehandlung, an der die Psychiatrie, die
individuelle psychische Erziehung, aber auch alle Art Regie-
rung in welchem Kreise immer, und so schliesslich jede Thätig-
keit teilhat, welche irgend einen Grad und eine Art bewusster
und berechneter, psychologischer d. h. das Subjektive des
Bewusstseins mitberührender Einwirkung auf den Andern ein-
schliesst. Nur die vergrösserte Gestalt dieser psychologischen
endlich ist die soziologische Technik, auf der alles Aeussere

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[38/0054] damit Natur geworden sein; es musste also auch schon vor- her auf den Naturzusammenhang, als in diesem Zusammen- hange möglich, sich beziehen. Was aus dem Gesetzeszusammen- hang der Natur herausfiele, fiele damit überhaupt aus dem Sein heraus. Die Verwirklichung des Gewollten ist Sache der Technik, nach ihrem allgemeinsten Begriff: Herrschaft über die Natur durch Erkenntnis ihrer Gesetzlichkeit. Was könnte wohl ein menschliches Wollen zur Materie haben, das nicht diesem Bereiche angehörte? Kausalität beherrscht daher alles menschliche Thun, insofern es sich um die Verwirklichung des Gewollten handelt. Aus dem Gebiete der Technik ent- stammt selbst der gemeine Begriff des Sollens, des Rechten und Verkehrten, Guten und Schlechten; und doch waltet in dem allen nur schlichte Kausalität. Sie beherrscht unumschränkt die Wahl der Mittel zu jedem gewählten Zweck; das Ver- hältnis des Mittels zum Zweck ist überhaupt kein andres, als das der Ursache zur Wirkung (vgl. § 2). Die mancherlei Ge- biete der Technik ordnen sich daher genau nach der Einteilung der Wissensgebiete. Von der physikalisch-chemischen Technik (Technik im engeren Sinn) unterscheidet sich die biologische: Kultur von Pflanzen und Tieren; innerhalb dieser die anthro- pologische: physische Kultur des Menschen, welche nicht bloss Hygiene, Gymnastik, Medizin, sondern schliesslich das ganze Leben und Treiben des Menschen nach seiner physischen Seite umspannt; z. B. gehört dahin jede Frage der geeigneten Rege- lung menschlicher Arbeit aus dem Gesichtspunkt der Erhaltung der physischen Arbeitskräfte; und so die ganze physische Seite der Erziehung. Aber es giebt auch eine psychologische Technik: die Kunst der Seelenbehandlung, an der die Psychiatrie, die individuelle psychische Erziehung, aber auch alle Art Regie- rung in welchem Kreise immer, und so schliesslich jede Thätig- keit teilhat, welche irgend einen Grad und eine Art bewusster und berechneter, psychologischer d. h. das Subjektive des Bewusstseins mitberührender Einwirkung auf den Andern ein- schliesst. Nur die vergrösserte Gestalt dieser psychologischen endlich ist die soziologische Technik, auf der alles Aeussere

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Zitationshilfe: Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/54>, abgerufen am 18.05.2024.