damit Natur geworden sein; es musste also auch schon vor- her auf den Naturzusammenhang, als in diesem Zusammen- hange möglich, sich beziehen. Was aus dem Gesetzeszusammen- hang der Natur herausfiele, fiele damit überhaupt aus dem Sein heraus.
Die Verwirklichung des Gewollten ist Sache der Technik, nach ihrem allgemeinsten Begriff: Herrschaft über die Natur durch Erkenntnis ihrer Gesetzlichkeit. Was könnte wohl ein menschliches Wollen zur Materie haben, das nicht diesem Bereiche angehörte? Kausalität beherrscht daher alles menschliche Thun, insofern es sich um die Verwirklichung des Gewollten handelt. Aus dem Gebiete der Technik ent- stammt selbst der gemeine Begriff des Sollens, des Rechten und Verkehrten, Guten und Schlechten; und doch waltet in dem allen nur schlichte Kausalität. Sie beherrscht unumschränkt die Wahl der Mittel zu jedem gewählten Zweck; das Ver- hältnis des Mittels zum Zweck ist überhaupt kein andres, als das der Ursache zur Wirkung (vgl. § 2). Die mancherlei Ge- biete der Technik ordnen sich daher genau nach der Einteilung der Wissensgebiete. Von der physikalisch-chemischen Technik (Technik im engeren Sinn) unterscheidet sich die biologische: Kultur von Pflanzen und Tieren; innerhalb dieser die anthro- pologische: physische Kultur des Menschen, welche nicht bloss Hygiene, Gymnastik, Medizin, sondern schliesslich das ganze Leben und Treiben des Menschen nach seiner physischen Seite umspannt; z. B. gehört dahin jede Frage der geeigneten Rege- lung menschlicher Arbeit aus dem Gesichtspunkt der Erhaltung der physischen Arbeitskräfte; und so die ganze physische Seite der Erziehung. Aber es giebt auch eine psychologische Technik: die Kunst der Seelenbehandlung, an der die Psychiatrie, die individuelle psychische Erziehung, aber auch alle Art Regie- rung in welchem Kreise immer, und so schliesslich jede Thätig- keit teilhat, welche irgend einen Grad und eine Art bewusster und berechneter, psychologischer d. h. das Subjektive des Bewusstseins mitberührender Einwirkung auf den Andern ein- schliesst. Nur die vergrösserte Gestalt dieser psychologischen endlich ist die soziologische Technik, auf der alles Aeussere
damit Natur geworden sein; es musste also auch schon vor- her auf den Naturzusammenhang, als in diesem Zusammen- hange möglich, sich beziehen. Was aus dem Gesetzeszusammen- hang der Natur herausfiele, fiele damit überhaupt aus dem Sein heraus.
Die Verwirklichung des Gewollten ist Sache der Technik, nach ihrem allgemeinsten Begriff: Herrschaft über die Natur durch Erkenntnis ihrer Gesetzlichkeit. Was könnte wohl ein menschliches Wollen zur Materie haben, das nicht diesem Bereiche angehörte? Kausalität beherrscht daher alles menschliche Thun, insofern es sich um die Verwirklichung des Gewollten handelt. Aus dem Gebiete der Technik ent- stammt selbst der gemeine Begriff des Sollens, des Rechten und Verkehrten, Guten und Schlechten; und doch waltet in dem allen nur schlichte Kausalität. Sie beherrscht unumschränkt die Wahl der Mittel zu jedem gewählten Zweck; das Ver- hältnis des Mittels zum Zweck ist überhaupt kein andres, als das der Ursache zur Wirkung (vgl. § 2). Die mancherlei Ge- biete der Technik ordnen sich daher genau nach der Einteilung der Wissensgebiete. Von der physikalisch-chemischen Technik (Technik im engeren Sinn) unterscheidet sich die biologische: Kultur von Pflanzen und Tieren; innerhalb dieser die anthro- pologische: physische Kultur des Menschen, welche nicht bloss Hygiene, Gymnastik, Medizin, sondern schliesslich das ganze Leben und Treiben des Menschen nach seiner physischen Seite umspannt; z. B. gehört dahin jede Frage der geeigneten Rege- lung menschlicher Arbeit aus dem Gesichtspunkt der Erhaltung der physischen Arbeitskräfte; und so die ganze physische Seite der Erziehung. Aber es giebt auch eine psychologische Technik: die Kunst der Seelenbehandlung, an der die Psychiatrie, die individuelle psychische Erziehung, aber auch alle Art Regie- rung in welchem Kreise immer, und so schliesslich jede Thätig- keit teilhat, welche irgend einen Grad und eine Art bewusster und berechneter, psychologischer d. h. das Subjektive des Bewusstseins mitberührender Einwirkung auf den Andern ein- schliesst. Nur die vergrösserte Gestalt dieser psychologischen endlich ist die soziologische Technik, auf der alles Aeussere
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0054"n="38"/>
damit Natur geworden sein; es musste also auch schon vor-<lb/>
her auf den Naturzusammenhang, als in diesem Zusammen-<lb/>
hange möglich, sich beziehen. Was aus dem Gesetzeszusammen-<lb/>
hang der Natur herausfiele, fiele damit überhaupt aus dem<lb/>
Sein heraus.</p><lb/><p>Die Verwirklichung des Gewollten ist Sache der <hirendition="#g">Technik</hi>,<lb/>
nach ihrem allgemeinsten Begriff: Herrschaft über die Natur<lb/>
durch Erkenntnis ihrer Gesetzlichkeit. Was könnte wohl ein<lb/>
menschliches Wollen zur Materie haben, das nicht diesem<lb/>
Bereiche angehörte? <hirendition="#g">Kausalität</hi> beherrscht daher alles<lb/>
menschliche Thun, insofern es sich um die Verwirklichung<lb/>
des Gewollten handelt. Aus dem Gebiete der Technik ent-<lb/>
stammt selbst der gemeine Begriff des Sollens, des Rechten<lb/>
und Verkehrten, Guten und Schlechten; und doch waltet in<lb/>
dem allen nur schlichte Kausalität. Sie beherrscht unumschränkt<lb/>
die Wahl der <hirendition="#g">Mittel</hi> zu jedem gewählten Zweck; das Ver-<lb/>
hältnis des Mittels zum Zweck ist überhaupt kein andres, als<lb/>
das der Ursache zur Wirkung (vgl. § 2). Die mancherlei Ge-<lb/>
biete der Technik ordnen sich daher genau nach der Einteilung<lb/>
der Wissensgebiete. Von der physikalisch-chemischen Technik<lb/>
(Technik im engeren Sinn) unterscheidet sich die biologische:<lb/>
Kultur von Pflanzen und Tieren; innerhalb dieser die anthro-<lb/>
pologische: physische Kultur des Menschen, welche nicht bloss<lb/>
Hygiene, Gymnastik, Medizin, sondern schliesslich das ganze<lb/>
Leben und Treiben des Menschen nach seiner physischen Seite<lb/>
umspannt; z. B. gehört dahin jede Frage der geeigneten Rege-<lb/>
lung menschlicher Arbeit aus dem Gesichtspunkt der Erhaltung<lb/>
der physischen Arbeitskräfte; und so die ganze physische Seite<lb/>
der Erziehung. Aber es giebt auch eine psychologische Technik:<lb/>
die Kunst der Seelenbehandlung, an der die Psychiatrie, die<lb/>
individuelle psychische Erziehung, aber auch alle Art Regie-<lb/>
rung in welchem Kreise immer, und so schliesslich jede Thätig-<lb/>
keit teilhat, welche irgend einen Grad und eine Art bewusster<lb/>
und berechneter, psychologischer d. h. das Subjektive des<lb/>
Bewusstseins mitberührender Einwirkung auf den Andern ein-<lb/>
schliesst. Nur die vergrösserte Gestalt dieser psychologischen<lb/>
endlich ist die soziologische Technik, auf der alles Aeussere<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[38/0054]
damit Natur geworden sein; es musste also auch schon vor-
her auf den Naturzusammenhang, als in diesem Zusammen-
hange möglich, sich beziehen. Was aus dem Gesetzeszusammen-
hang der Natur herausfiele, fiele damit überhaupt aus dem
Sein heraus.
Die Verwirklichung des Gewollten ist Sache der Technik,
nach ihrem allgemeinsten Begriff: Herrschaft über die Natur
durch Erkenntnis ihrer Gesetzlichkeit. Was könnte wohl ein
menschliches Wollen zur Materie haben, das nicht diesem
Bereiche angehörte? Kausalität beherrscht daher alles
menschliche Thun, insofern es sich um die Verwirklichung
des Gewollten handelt. Aus dem Gebiete der Technik ent-
stammt selbst der gemeine Begriff des Sollens, des Rechten
und Verkehrten, Guten und Schlechten; und doch waltet in
dem allen nur schlichte Kausalität. Sie beherrscht unumschränkt
die Wahl der Mittel zu jedem gewählten Zweck; das Ver-
hältnis des Mittels zum Zweck ist überhaupt kein andres, als
das der Ursache zur Wirkung (vgl. § 2). Die mancherlei Ge-
biete der Technik ordnen sich daher genau nach der Einteilung
der Wissensgebiete. Von der physikalisch-chemischen Technik
(Technik im engeren Sinn) unterscheidet sich die biologische:
Kultur von Pflanzen und Tieren; innerhalb dieser die anthro-
pologische: physische Kultur des Menschen, welche nicht bloss
Hygiene, Gymnastik, Medizin, sondern schliesslich das ganze
Leben und Treiben des Menschen nach seiner physischen Seite
umspannt; z. B. gehört dahin jede Frage der geeigneten Rege-
lung menschlicher Arbeit aus dem Gesichtspunkt der Erhaltung
der physischen Arbeitskräfte; und so die ganze physische Seite
der Erziehung. Aber es giebt auch eine psychologische Technik:
die Kunst der Seelenbehandlung, an der die Psychiatrie, die
individuelle psychische Erziehung, aber auch alle Art Regie-
rung in welchem Kreise immer, und so schliesslich jede Thätig-
keit teilhat, welche irgend einen Grad und eine Art bewusster
und berechneter, psychologischer d. h. das Subjektive des
Bewusstseins mitberührender Einwirkung auf den Andern ein-
schliesst. Nur die vergrösserte Gestalt dieser psychologischen
endlich ist die soziologische Technik, auf der alles Aeussere
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/54>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.