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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.

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des positiven und negativen Moments darin (Lust und Unlust)
vielleicht in der einzig möglichen Weise begreiflich wird.

Mag man nun diese (etwa mit Brentano sich berührende)
psychologische Vorstellungsweise annehmen oder nicht, ganz
unabhängig davon bleibt unsere Feststellung, dass eine Be-
ziehung des dem Bewusstsein Gegenwärtigen auf ein Nicht-
gegenwärtiges (d. i. Tendenz) immer stattfindet und wohl
immer auch in irgend welchem Grade zum Bewusstsein kommt.
Und das ist nun unsere Behauptung, dass diese Beziehung ihre
Grundlage schliesslich nur haben könne in jenem Ursprüng-
lichen des Bewusstseins, dem allein auch Nichtgegen-
wärtiges gegenwärtig sein kann
, sei es nun, in bloss
theoretischer Vorstellung, vergegenwärtigt, oder, in prak-
tischer, mit der eignen Positivität des Sollens gesetzt. Nur
wenn man dies unter Vorstellung mitverstände, und andrerseits
in Lust und Unlust das Moment der Tendenz eingeschlossen
sein liesse, wäre gegen die These allerdings wenig einzuwen-
den, dass das Streben oder Begehren sich auflöse in Vor-
stellung und Gefühl. Aber die Absicht dieser Erklärung ging
vielmehr dahin, jenes ursprüngliche, über die blosse Gegen-
wart der Vorstellung wie des Gefühls zum Nichtgegenwärtigen
hinübergreifende Moment des praktischen Bewusstseins, in
dem die ganze, unvergleichliche Eigentümlichkeit des Strebens
liegt, überhaupt wegzuerklären; weil man, als Empirist, aus
dem je im Bewusstsein Gegenwärtigen, Gegebenen, alles er-
klären zu müssen meinte.

Man ersieht leicht, wie nach unserer psychologischen Auf-
fassung das Streben und Widerstreben und mit ihm das Lust-
und Unlustgefühl immer in der innerlichsten Beziehung zum
Vorstellen, nämlich zum geschehenden Vollzug der Ver-
bindung und beziehentlich Trennung der Vorstellungselemente
verbleibt. Herbart, der sowohl das Gefühl als das Begehren in
blosse Verhältnisse unter Strebungen seiner einfachen Vor-
stellungen auflöst, hatte etwas davon im Sinne, obwohl das
Verhältnis zu einwurffreiem Ausdruck bei ihm nicht gekom-
men ist und bei seinem grundlosen Operieren mit Vorstellungen
als Kräften und eigentlich selbständigen Wesen auch nicht

des positiven und negativen Moments darin (Lust und Unlust)
vielleicht in der einzig möglichen Weise begreiflich wird.

Mag man nun diese (etwa mit Brentano sich berührende)
psychologische Vorstellungsweise annehmen oder nicht, ganz
unabhängig davon bleibt unsere Feststellung, dass eine Be-
ziehung des dem Bewusstsein Gegenwärtigen auf ein Nicht-
gegenwärtiges (d. i. Tendenz) immer stattfindet und wohl
immer auch in irgend welchem Grade zum Bewusstsein kommt.
Und das ist nun unsere Behauptung, dass diese Beziehung ihre
Grundlage schliesslich nur haben könne in jenem Ursprüng-
lichen des Bewusstseins, dem allein auch Nichtgegen-
wärtiges gegenwärtig sein kann
, sei es nun, in bloss
theoretischer Vorstellung, vergegenwärtigt, oder, in prak-
tischer, mit der eignen Positivität des Sollens gesetzt. Nur
wenn man dies unter Vorstellung mitverstände, und andrerseits
in Lust und Unlust das Moment der Tendenz eingeschlossen
sein liesse, wäre gegen die These allerdings wenig einzuwen-
den, dass das Streben oder Begehren sich auflöse in Vor-
stellung und Gefühl. Aber die Absicht dieser Erklärung ging
vielmehr dahin, jenes ursprüngliche, über die blosse Gegen-
wart der Vorstellung wie des Gefühls zum Nichtgegenwärtigen
hinübergreifende Moment des praktischen Bewusstseins, in
dem die ganze, unvergleichliche Eigentümlichkeit des Strebens
liegt, überhaupt wegzuerklären; weil man, als Empirist, aus
dem je im Bewusstsein Gegenwärtigen, Gegebenen, alles er-
klären zu müssen meinte.

Man ersieht leicht, wie nach unserer psychologischen Auf-
fassung das Streben und Widerstreben und mit ihm das Lust-
und Unlustgefühl immer in der innerlichsten Beziehung zum
Vorstellen, nämlich zum geschehenden Vollzug der Ver-
bindung und beziehentlich Trennung der Vorstellungselemente
verbleibt. Herbart, der sowohl das Gefühl als das Begehren in
blosse Verhältnisse unter Strebungen seiner einfachen Vor-
stellungen auflöst, hatte etwas davon im Sinne, obwohl das
Verhältnis zu einwurffreiem Ausdruck bei ihm nicht gekom-
men ist und bei seinem grundlosen Operieren mit Vorstellungen
als Kräften und eigentlich selbständigen Wesen auch nicht

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[53/0069] des positiven und negativen Moments darin (Lust und Unlust) vielleicht in der einzig möglichen Weise begreiflich wird. Mag man nun diese (etwa mit Brentano sich berührende) psychologische Vorstellungsweise annehmen oder nicht, ganz unabhängig davon bleibt unsere Feststellung, dass eine Be- ziehung des dem Bewusstsein Gegenwärtigen auf ein Nicht- gegenwärtiges (d. i. Tendenz) immer stattfindet und wohl immer auch in irgend welchem Grade zum Bewusstsein kommt. Und das ist nun unsere Behauptung, dass diese Beziehung ihre Grundlage schliesslich nur haben könne in jenem Ursprüng- lichen des Bewusstseins, dem allein auch Nichtgegen- wärtiges gegenwärtig sein kann, sei es nun, in bloss theoretischer Vorstellung, vergegenwärtigt, oder, in prak- tischer, mit der eignen Positivität des Sollens gesetzt. Nur wenn man dies unter Vorstellung mitverstände, und andrerseits in Lust und Unlust das Moment der Tendenz eingeschlossen sein liesse, wäre gegen die These allerdings wenig einzuwen- den, dass das Streben oder Begehren sich auflöse in Vor- stellung und Gefühl. Aber die Absicht dieser Erklärung ging vielmehr dahin, jenes ursprüngliche, über die blosse Gegen- wart der Vorstellung wie des Gefühls zum Nichtgegenwärtigen hinübergreifende Moment des praktischen Bewusstseins, in dem die ganze, unvergleichliche Eigentümlichkeit des Strebens liegt, überhaupt wegzuerklären; weil man, als Empirist, aus dem je im Bewusstsein Gegenwärtigen, Gegebenen, alles er- klären zu müssen meinte. Man ersieht leicht, wie nach unserer psychologischen Auf- fassung das Streben und Widerstreben und mit ihm das Lust- und Unlustgefühl immer in der innerlichsten Beziehung zum Vorstellen, nämlich zum geschehenden Vollzug der Ver- bindung und beziehentlich Trennung der Vorstellungselemente verbleibt. Herbart, der sowohl das Gefühl als das Begehren in blosse Verhältnisse unter Strebungen seiner einfachen Vor- stellungen auflöst, hatte etwas davon im Sinne, obwohl das Verhältnis zu einwurffreiem Ausdruck bei ihm nicht gekom- men ist und bei seinem grundlosen Operieren mit Vorstellungen als Kräften und eigentlich selbständigen Wesen auch nicht

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Zitationshilfe: Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/69>, abgerufen am 21.11.2024.