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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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Das V. Capitel.
Worms.

Man siehet in dieser Stadt 2. publique Häuser, das Rath- und Bür-
ger-Haus: Jn letzterem zeiget man die Banck, worauf der sel. Lutherus das
Glas gesetzet, das man ihm, um solches auszutrincken, gereichet, welches aber
von selbst zersprungen, vermuthlich wegen des starck vergiffteten Weins.
Diese Banck ist bey allen Curiosen so remarquable, daß fast kein Fremder
in diese Stadt kommt, ohne dieses Haus wegen gemeldter Rarität zu besehen,
ja einige halten es für ein Glücke, wenn sie durch besondere Gunst eines
Splitters davon haben habhafft werden können; wie man denn dieselbe
hie und da etwas ausgeschnitten siehet. Ferner siehet man hier in dem Müntz-
Hause folgende Raritäten, als ein Blat von Pergament in einem viereckig-
ten Ramen, auf welchem zwölfferley Schreib-Arten sehr schön mit vielen
kleinen Gemählden, und auf das subtileste mit der Feder gezogenen Stri-
chen zu sehen, welches von Thomas Schweicker, einem ohne Arm gebohr-
nen Menschen, mit den Füssen geschrieben worden; oben darüber sind solgen-
de Verse zu lesen:

Mira fides, pedibus Juvenis facit omnia recte,
Cui pariens mater brachia nulla dedit.

Ferner zeigt man auch das Vater Unser in dem Begriff eines Guinees ge-
schrieben. Jn diesem Hause hangen auch ungeheure grosse Knochen und
Hörner. Man sagt, daß jene grosse Riesen-Gebeine, diese aber die Hörner
von denen Ochsen wären, welche die Steine zu der Cathedral-Kirche anhero
gebracht. Einige machen von diesen Antiquitäten viel Wesens. Bey
diesem Hause beschauet man weiter eine Anzahl artiger Gemählde, unter
welchen viele geharnischte Riesen, Vangiones genannt, nach Anleitung der
Inscription. so über solchen zu lesen, befindlich. Man hält dafür, daß um
diese Gegend vor Alters Völcker gewohnet, welche Vangiones genennet wor-
den, wie Tacitus und andre solches bejahen; daraus aber erhellet nicht, daß
solches eine Nation der Riesen gewesen. Unterdessen erzehlet man zu Worms
viele Sache von solchen grossen Menschen, davon ein ieder das Seine glau-
bet. Jn Summa man findet zu Worms hie und da unterschiedliche curiöse
und sehens-würdige Dinge, welche man selber besser nachfragen, als beschrei-
ben kan. Nur will ich noch zum Beschluß eines curiösen Gemähldes ge-

den-
titulo: Catalogus variorum Exoticorum rarissimorum, maximam partem incognito-
rum & nullibi descriptorum, partim medicinoe, partim curiositati inservientium & c.

Wittenb. 1726. 4. publici
ret hat. Zu wünschen ist, daß dieses curieuse Werck
bald zum Vorschein kommen möge.
R 3
Das V. Capitel.
Worms.

Man ſiehet in dieſer Stadt 2. publique Haͤuſer, das Rath- und Buͤr-
ger-Haus: Jn letzterem zeiget man die Banck, worauf der ſel. Lutherus das
Glas geſetzet, das man ihm, um ſolches auszutrincken, gereichet, welches aber
von ſelbſt zerſprungen, vermuthlich wegen des ſtarck vergiffteten Weins.
Dieſe Banck iſt bey allen Curioſen ſo remarquable, daß faſt kein Fremder
in dieſe Stadt kommt, ohne dieſes Haus wegen gemeldter Rarität zu beſehen,
ja einige halten es fuͤr ein Gluͤcke, wenn ſie durch beſondere Gunſt eines
Splitters davon haben habhafft werden koͤnnen; wie man denn dieſelbe
hie und da etwas ausgeſchnitten ſiehet. Ferner ſiehet man hier in dem Muͤntz-
Hauſe folgende Raritäten, als ein Blat von Pergament in einem viereckig-
ten Ramen, auf welchem zwoͤlfferley Schreib-Arten ſehr ſchoͤn mit vielen
kleinen Gemaͤhlden, und auf das ſubtileſte mit der Feder gezogenen Stri-
chen zu ſehen, welches von Thomas Schweicker, einem ohne Arm gebohr-
nen Menſchen, mit den Fuͤſſen geſchrieben worden; oben daruͤber ſind ſolgen-
de Verſe zu leſen:

Mira fides, pedibus Juvenis facit omnia recte,
Cui pariens mater brachia nulla dedit.

Ferner zeigt man auch das Vater Unſer in dem Begriff eines Guinées ge-
ſchrieben. Jn dieſem Hauſe hangen auch ungeheure groſſe Knochen und
Hoͤrner. Man ſagt, daß jene groſſe Rieſen-Gebeine, dieſe aber die Hoͤrner
von denen Ochſen waͤren, welche die Steine zu der Cathedral-Kirche anhero
gebracht. Einige machen von dieſen Antiquitäten viel Weſens. Bey
dieſem Hauſe beſchauet man weiter eine Anzahl artiger Gemaͤhlde, unter
welchen viele geharniſchte Rieſen, Vangiones genannt, nach Anleitung der
Inſcription. ſo uͤber ſolchen zu leſen, befindlich. Man haͤlt dafuͤr, daß um
dieſe Gegend vor Alters Voͤlcker gewohnet, welche Vangiones genennet wor-
den, wie Tacitus und andre ſolches bejahen; daraus aber erhellet nicht, daß
ſolches eine Nation der Rieſen geweſen. Unterdeſſen erzehlet man zu Worms
viele Sache von ſolchen groſſen Menſchen, davon ein ieder das Seine glau-
bet. Jn Summa man findet zu Worms hie und da unterſchiedliche curiöſe
und ſehens-wuͤrdige Dinge, welche man ſelber beſſer nachfragen, als beſchrei-
ben kan. Nur will ich noch zum Beſchluß eines curiöſen Gemaͤhldes ge-

den-
titulo: Catalogus variorum Exoticorum rariſſimorum, maximam partem incognito-
rum & nullibi deſcriptorum, partim medicinœ, partim curioſitati inſervientium & c.

Wittenb. 1726. 4. publici
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bald zum Vorſchein kommen moͤge.
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[133/0161] Das V. Capitel. Worms. Man ſiehet in dieſer Stadt 2. publique Haͤuſer, das Rath- und Buͤr- ger-Haus: Jn letzterem zeiget man die Banck, worauf der ſel. Lutherus das Glas geſetzet, das man ihm, um ſolches auszutrincken, gereichet, welches aber von ſelbſt zerſprungen, vermuthlich wegen des ſtarck vergiffteten Weins. Dieſe Banck iſt bey allen Curioſen ſo remarquable, daß faſt kein Fremder in dieſe Stadt kommt, ohne dieſes Haus wegen gemeldter Rarität zu beſehen, ja einige halten es fuͤr ein Gluͤcke, wenn ſie durch beſondere Gunſt eines Splitters davon haben habhafft werden koͤnnen; wie man denn dieſelbe hie und da etwas ausgeſchnitten ſiehet. Ferner ſiehet man hier in dem Muͤntz- Hauſe folgende Raritäten, als ein Blat von Pergament in einem viereckig- ten Ramen, auf welchem zwoͤlfferley Schreib-Arten ſehr ſchoͤn mit vielen kleinen Gemaͤhlden, und auf das ſubtileſte mit der Feder gezogenen Stri- chen zu ſehen, welches von Thomas Schweicker, einem ohne Arm gebohr- nen Menſchen, mit den Fuͤſſen geſchrieben worden; oben daruͤber ſind ſolgen- de Verſe zu leſen: Mira fides, pedibus Juvenis facit omnia recte, Cui pariens mater brachia nulla dedit. Ferner zeigt man auch das Vater Unſer in dem Begriff eines Guinées ge- ſchrieben. Jn dieſem Hauſe hangen auch ungeheure groſſe Knochen und Hoͤrner. Man ſagt, daß jene groſſe Rieſen-Gebeine, dieſe aber die Hoͤrner von denen Ochſen waͤren, welche die Steine zu der Cathedral-Kirche anhero gebracht. Einige machen von dieſen Antiquitäten viel Weſens. Bey dieſem Hauſe beſchauet man weiter eine Anzahl artiger Gemaͤhlde, unter welchen viele geharniſchte Rieſen, Vangiones genannt, nach Anleitung der Inſcription. ſo uͤber ſolchen zu leſen, befindlich. Man haͤlt dafuͤr, daß um dieſe Gegend vor Alters Voͤlcker gewohnet, welche Vangiones genennet wor- den, wie Tacitus und andre ſolches bejahen; daraus aber erhellet nicht, daß ſolches eine Nation der Rieſen geweſen. Unterdeſſen erzehlet man zu Worms viele Sache von ſolchen groſſen Menſchen, davon ein ieder das Seine glau- bet. Jn Summa man findet zu Worms hie und da unterſchiedliche curiöſe und ſehens-wuͤrdige Dinge, welche man ſelber beſſer nachfragen, als beſchrei- ben kan. Nur will ich noch zum Beſchluß eines curiöſen Gemaͤhldes ge- den- (y) (y) titulo: Catalogus variorum Exoticorum rariſſimorum, maximam partem incognito- rum & nullibi deſcriptorum, partim medicinœ, partim curioſitati inſervientium & c. Wittenb. 1726. 4. publiciret hat. Zu wuͤnſchen iſt, daß dieſes curieuſe Werck bald zum Vorſchein kommen moͤge. R 3

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/161>, abgerufen am 12.05.2024.