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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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Vorrede des Autoris.
zu iedermanns Beurtheilung und Reformation öffentlich an den Tag
gegeben wissen; sondern es solte nur der daran bewiesene Fleiß mir und
meinen vertrautesten Freunden dazu nutzen, wozu es geschickt seyn würde.
Dieser Vertraulichkeit aber habe ichs zu dancken, wenn ich anitzo dasjeni-
ge muß und soll bey deren Verlust effectuiren, wozu ich sonst nimmermehr
für mich würde consentiret haben. Jn Erwägung dessen aber, und wenn
ich erwäge, wie viele Schrifften einer öffentlichen Edition gewürdiget
worden, welche offtmals nicht des Lesens werth, und deßwegen den Krä-
mern und Käse-Höckern zur Einwickelung ihrer Waaren dienen müssen,
(wie man denn dergleichen heutiges Tages in Abundanz hat;) so ließ ich
mich darum um desto eher bereden, weil ich die meinige noch etwas repu-
tir
licher halte. Was mich aber am meisten dazu bewogen, ist dieses, daß
nemlich sich einer meiner geliebtesten Bekandten freywillig erkläret, alle
dazu erforderliche Unkosten und Beförderung auf sich zu nehmen, der auch
einen Verleger dazu ohne Mühe gar bald gefunden; daher ich denn um de-
sto leichter darein consentiren können. Denn warum solte ich mich dar-
innen widersetzt haben? Nutzt es nicht, so schadets auch nicht. Wenn ich
aber bedencke, daß kein Buch so schlecht und geringe ist, solte es auch ein
Eulenspiegel und Reincke-Fuchs seyn, daraus man sich nicht zum wenig-
sten doch etwas zu nutzen solte machen können; so lebe ich (ohne Ruhm)
vielmehr der ungezweifelten Hoffnung, daß gegenwärtiges noch viele Ma-
terien wird in sich fassen, daraus mancher sich erbauen kan. Jst es nicht
für Hochgelehrte und Kluge, so mag es für Ungelehrte und Einfältige seyn,
die aber gleichwol auch aus gesunder Vernunfft wissen, daß schwartz und
weiß nicht einerley Farbe sey. Es lieget warlich nicht allemal an grossen
Studiis: Denn wir hören offtmals in Conversationen Leute, so nicht
studiret, von denen curiösesten Materien bescheidentlich discouriren.
Da weiß mancher von allerhand Ertzten und Metallen, ein anderer von
fremden Kräutern, Wurtzeln und derselben Fortpflantzung, und andern
Sachen, sowol aus der Natur, als Kunst, so subtil zu disputiren, darü-
ber sich auch die Gelehrtesten offt selbst verwundern. Welche Wissen-
schafft doch meist von Hören-sagen, oder von Lesung eines und des andern
guten Buches ihren Ursprung genommen, als daran wir heutiges Tages,

GOtt

Vorrede des Autoris.
zu iedermanns Beurtheilung und Reformation oͤffentlich an den Tag
gegeben wiſſen; ſondern es ſolte nur der daran bewieſene Fleiß mir und
meinen vertrauteſten Freunden dazu nutzen, wozu es geſchickt ſeyn wuͤrde.
Dieſer Vertraulichkeit aber habe ichs zu dancken, wenn ich anitzo dasjeni-
ge muß und ſoll bey deren Verluſt effectuiren, wozu ich ſonſt nimmermehr
fuͤr mich wuͤrde conſentiret haben. Jn Erwaͤgung deſſen aber, und wenn
ich erwaͤge, wie viele Schrifften einer oͤffentlichen Edition gewuͤrdiget
worden, welche offtmals nicht des Leſens werth, und deßwegen den Kraͤ-
mern und Kaͤſe-Hoͤckern zur Einwickelung ihrer Waaren dienen muͤſſen,
(wie man denn dergleichen heutiges Tages in Abundanz hat;) ſo ließ ich
mich darum um deſto eher bereden, weil ich die meinige noch etwas repu-
tir
licher halte. Was mich aber am meiſten dazu bewogen, iſt dieſes, daß
nemlich ſich einer meiner geliebteſten Bekandten freywillig erklaͤret, alle
dazu erforderliche Unkoſten und Befoͤrderung auf ſich zu nehmen, der auch
einen Verleger dazu ohne Muͤhe gar bald gefunden; daher ich denn um de-
ſto leichter darein conſentiren koͤnnen. Denn warum ſolte ich mich dar-
innen widerſetzt haben? Nutzt es nicht, ſo ſchadets auch nicht. Wenn ich
aber bedencke, daß kein Buch ſo ſchlecht und geringe iſt, ſolte es auch ein
Eulenſpiegel und Reincke-Fuchs ſeyn, daraus man ſich nicht zum wenig-
ſten doch etwas zu nutzen ſolte machen koͤnnen; ſo lebe ich (ohne Ruhm)
vielmehr der ungezweifelten Hoffnung, daß gegenwaͤrtiges noch viele Ma-
terien wird in ſich faſſen, daraus mancher ſich erbauen kan. Jſt es nicht
fuͤr Hochgelehrte und Kluge, ſo mag es fuͤr Ungelehrte und Einfaͤltige ſeyn,
die aber gleichwol auch aus geſunder Vernunfft wiſſen, daß ſchwartz und
weiß nicht einerley Farbe ſey. Es lieget warlich nicht allemal an groſſen
Studiis: Denn wir hoͤren offtmals in Converſationen Leute, ſo nicht
ſtudiret, von denen curiöſeſten Materien beſcheidentlich diſcouriren.
Da weiß mancher von allerhand Ertzten und Metallen, ein anderer von
fremden Kraͤutern, Wurtzeln und derſelben Fortpflantzung, und andern
Sachen, ſowol aus der Natur, als Kunſt, ſo ſubtil zu diſputiren, daruͤ-
ber ſich auch die Gelehrteſten offt ſelbſt verwundern. Welche Wiſſen-
ſchafft doch meiſt von Hoͤren-ſagen, oder von Leſung eines und des andern
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[0019] Vorrede des Autoris. zu iedermanns Beurtheilung und Reformation oͤffentlich an den Tag gegeben wiſſen; ſondern es ſolte nur der daran bewieſene Fleiß mir und meinen vertrauteſten Freunden dazu nutzen, wozu es geſchickt ſeyn wuͤrde. Dieſer Vertraulichkeit aber habe ichs zu dancken, wenn ich anitzo dasjeni- ge muß und ſoll bey deren Verluſt effectuiren, wozu ich ſonſt nimmermehr fuͤr mich wuͤrde conſentiret haben. Jn Erwaͤgung deſſen aber, und wenn ich erwaͤge, wie viele Schrifften einer oͤffentlichen Edition gewuͤrdiget worden, welche offtmals nicht des Leſens werth, und deßwegen den Kraͤ- mern und Kaͤſe-Hoͤckern zur Einwickelung ihrer Waaren dienen muͤſſen, (wie man denn dergleichen heutiges Tages in Abundanz hat;) ſo ließ ich mich darum um deſto eher bereden, weil ich die meinige noch etwas repu- tirlicher halte. Was mich aber am meiſten dazu bewogen, iſt dieſes, daß nemlich ſich einer meiner geliebteſten Bekandten freywillig erklaͤret, alle dazu erforderliche Unkoſten und Befoͤrderung auf ſich zu nehmen, der auch einen Verleger dazu ohne Muͤhe gar bald gefunden; daher ich denn um de- ſto leichter darein conſentiren koͤnnen. Denn warum ſolte ich mich dar- innen widerſetzt haben? Nutzt es nicht, ſo ſchadets auch nicht. Wenn ich aber bedencke, daß kein Buch ſo ſchlecht und geringe iſt, ſolte es auch ein Eulenſpiegel und Reincke-Fuchs ſeyn, daraus man ſich nicht zum wenig- ſten doch etwas zu nutzen ſolte machen koͤnnen; ſo lebe ich (ohne Ruhm) vielmehr der ungezweifelten Hoffnung, daß gegenwaͤrtiges noch viele Ma- terien wird in ſich faſſen, daraus mancher ſich erbauen kan. Jſt es nicht fuͤr Hochgelehrte und Kluge, ſo mag es fuͤr Ungelehrte und Einfaͤltige ſeyn, die aber gleichwol auch aus geſunder Vernunfft wiſſen, daß ſchwartz und weiß nicht einerley Farbe ſey. Es lieget warlich nicht allemal an groſſen Studiis: Denn wir hoͤren offtmals in Converſationen Leute, ſo nicht ſtudiret, von denen curiöſeſten Materien beſcheidentlich diſcouriren. Da weiß mancher von allerhand Ertzten und Metallen, ein anderer von fremden Kraͤutern, Wurtzeln und derſelben Fortpflantzung, und andern Sachen, ſowol aus der Natur, als Kunſt, ſo ſubtil zu diſputiren, daruͤ- ber ſich auch die Gelehrteſten offt ſelbſt verwundern. Welche Wiſſen- ſchafft doch meiſt von Hoͤren-ſagen, oder von Leſung eines und des andern guten Buches ihren Urſprung genommen, als daran wir heutiges Tages, GOtt

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/19>, abgerufen am 27.04.2024.