Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666.Siebenjährige Welt-Beschauung. nicht. Gibs armen Leuten/ das will ich annehmen/ als hätteichs selber empfangen. Jch rede weiter: Liebes Jesulein/ ja das will ich gerne thun/ aber ich muß dir auch selber etwas geben/ o- der ich muß für Leide sterben. Das Kindlein gibt mir zur Ant- wort: Lieber Hieronyme, weil du ja so kostfrey bist/ so will ich dir sagen/ was du mir geben solst: Gib mir her dein böses Ge- wissen/ deine Sünde und Verdamniß. Jch spreche: Was wilst du denn damit machen? Da antwortete mir das liebe Jesulein: Jch wils auf meine Schultern nehmen. Das soll meine Herr- schafft und herrliche That seyn/ wie Esaias vor Zeiten verkün- diget hat/ daß ich deine Sünde tragen und hinweg tragen wol- le. Da fange ich alsdenn an/ spricht Hieronymus, bitterlich zu weinen und sage: Kindlein/ ach liebes Kindlein/ wie hast du mir das Hertz gerühret! Jch dachte du woltest was gutes haben/ so wilstu bey mir haben alles/ was in und an mir böse ist. So nimm demnach hin/ was mein ist und gib mir dagegen was dein ist/ so werde ich der Sünden loß und deß ewigen Lebens ge- wiß. Das habe ich also allhier mit gedencken wollen/ was der heilige Hieronymus an dem Orte bey dem Kripplein Christi für geistreiche seelige Gedancken gehabt/ wannenhero schwerlich zu glauben/ daß die Natur mit seiner Gestalt im Münchs-Habit also in obgedachtem grauen Marmel spielen können/ dieweil die Münche vom Wege zur Gerechtigkeit und Seeligkeit weit anders gläuben und reden/ als Hieronymus allhier beym Kripplein Christi gegläubet und davon geredet hat. Uber obgedachten drey Stuffen heraussen zwischen den Von
Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung. nicht. Gibs armen Leuten/ das will ich annehmen/ als haͤtteichs ſelber empfangen. Jch rede weiter: Liebes Jeſulein/ ja das will ich gerne thun/ aber ich muß dir auch ſelber etwas geben/ o- der ich muß fuͤr Leide ſterben. Das Kindlein gibt mir zur Ant- wort: Lieber Hieronyme, weil du ja ſo koſtfrey biſt/ ſo will ich dir ſagen/ was du mir geben ſolſt: Gib mir her dein boͤſes Ge- wiſſen/ deine Suͤnde und Verdamniß. Jch ſpreche: Was wilſt du denn damit machen? Da antwortete mir das liebe Jeſulein: Jch wils auf meine Schultern nehmen. Das ſoll meine Herr- ſchafft und herrliche That ſeyn/ wie Eſaias vor Zeiten verkuͤn- diget hat/ daß ich deine Suͤnde tragen und hinweg tragen wol- le. Da fange ich alsdenn an/ ſpricht Hieronymus, bitterlich zu weinen und ſage: Kindlein/ ach liebes Kindlein/ wie haſt du mir das Hertz geruͤhret! Jch dachte du wolteſt was gutes haben/ ſo wilſtu bey mir haben alles/ was in und an mir boͤſe iſt. So nimm demnach hin/ was mein iſt und gib mir dagegen was dein iſt/ ſo werde ich der Suͤnden loß und deß ewigen Lebens ge- wiß. Das habe ich alſo allhier mit gedencken wollen/ was der heilige Hieronymus an dem Orte bey dem Kripplein Chriſti fuͤr geiſtreiche ſeelige Gedancken gehabt/ wannenhero ſchwerlich zu glauben/ daß die Natur mit ſeiner Geſtalt im Muͤnchs-Habit alſo in obgedachtem grauen Marmel ſpielen koͤñen/ dieweil die Muͤnche vom Wege zur Gerechtigkeit und Seeligkeit weit anders glaͤuben und reden/ als Hieronymus allhier beym Kripplein Chriſti geglaͤubet und davon geredet hat. Uber obgedachten drey Stuffen herauſſen zwiſchen den Von
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Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
nicht. Gibs armen Leuten/ das will ich annehmen/ als haͤtte
ichs ſelber empfangen. Jch rede weiter: Liebes Jeſulein/ ja das
will ich gerne thun/ aber ich muß dir auch ſelber etwas geben/ o-
der ich muß fuͤr Leide ſterben. Das Kindlein gibt mir zur Ant-
wort: Lieber Hieronyme, weil du ja ſo koſtfrey biſt/ ſo will ich
dir ſagen/ was du mir geben ſolſt: Gib mir her dein boͤſes Ge-
wiſſen/ deine Suͤnde und Verdamniß. Jch ſpreche: Was wilſt
du denn damit machen? Da antwortete mir das liebe Jeſulein:
Jch wils auf meine Schultern nehmen. Das ſoll meine Herr-
ſchafft und herrliche That ſeyn/ wie Eſaias vor Zeiten verkuͤn-
diget hat/ daß ich deine Suͤnde tragen und hinweg tragen wol-
le. Da fange ich alsdenn an/ ſpricht Hieronymus, bitterlich zu
weinen und ſage: Kindlein/ ach liebes Kindlein/ wie haſt du mir
das Hertz geruͤhret! Jch dachte du wolteſt was gutes haben/
ſo wilſtu bey mir haben alles/ was in und an mir boͤſe iſt. So
nimm demnach hin/ was mein iſt und gib mir dagegen was
dein iſt/ ſo werde ich der Suͤnden loß und deß ewigen Lebens ge-
wiß. Das habe ich alſo allhier mit gedencken wollen/ was der
heilige Hieronymus an dem Orte bey dem Kripplein Chriſti fuͤr
geiſtreiche ſeelige Gedancken gehabt/ wannenhero ſchwerlich zu
glauben/ daß die Natur mit ſeiner Geſtalt im Muͤnchs-Habit
alſo in obgedachtem grauen Marmel ſpielen koͤñen/ dieweil die
Muͤnche vom Wege zur Gerechtigkeit und Seeligkeit weit
anders glaͤuben und reden/ als Hieronymus allhier beym
Kripplein Chriſti geglaͤubet und davon geredet hat.
Uber obgedachten drey Stuffen herauſſen zwiſchen den
auch gedachten beiden Stiegen/ gleich da oben in der Kirchen
Helenæ der Altar druͤber ſtehet/ iſt der Orth/ wo die allerheilig-
ſte Jungfrau Maria den Heiland aller Welt gebohren/ von
dannen ſie ihn hernach in obgedachte kleine Hoͤhle getragen
und in die Krippe geleget hat.
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