Es wirkte, wie ich gehofft hatte. Er stutzte, stand lange in Gedanken, und bestellte mich zum nächsten Morgen wieder zu sich, damit er sehen könne, was sich thun liesse. Jch verfehlte nicht, mich auf die Minute ein- zustellen. Da standen aber bereits meine Frachtgelder mit 2,000 Rubeln aufgestapelt auf einem Tische vor mir; und ich hatte keine weitere Mühe, als den Empfang von 2,100 Rubeln zu bescheinigen und mein klingendes Silber einzustreichen. -- Hat man je dergleichen gehört? Es ist aber gewisse Wahrheit!
Gleich noch an dem nemlichen Tage gieng das Einladen vor sich. Und worinn bestand meine Fracht? Jn lauter Kommiß-Stiefeln, je Paarweise zusammen genäht. Wohl ein ganzes Regiment Soldaten kam damit, hoch- bepackt, aus einem benachbarten Speicher anmarschirt, und jeder Einzelne warf seine Ladung durch die Schiffsluke in den Raum, wie Kraut und Rüben durch einander, bis endlich diese Stiefeln sich zu einem hohen Berge aufthürmten. Als ich nun dem Officier, welcher dabei die Aufsicht führte, Vorstellung that, daß hinten und vorne Alles ledig bleibe und die Last durch den ganzen Raum gleich- mäßig vertheilt werden müsse, so schickte er endlich einige Mannschaft hinunter, die sich die Stiefeln wacker um die Ohren schmiß,
Es wirkte, wie ich gehofft hatte. Er ſtutzte, ſtand lange in Gedanken, und beſtellte mich zum naͤchſten Morgen wieder zu ſich, damit er ſehen koͤnne, was ſich thun lieſſe. Jch verfehlte nicht, mich auf die Minute ein- zuſtellen. Da ſtanden aber bereits meine Frachtgelder mit 2,000 Rubeln aufgeſtapelt auf einem Tiſche vor mir; und ich hatte keine weitere Muͤhe, als den Empfang von 2,100 Rubeln zu beſcheinigen und mein klingendes Silber einzuſtreichen. — Hat man je dergleichen gehoͤrt? Es iſt aber gewiſſe Wahrheit!
Gleich noch an dem nemlichen Tage gieng das Einladen vor ſich. Und worinn beſtand meine Fracht? Jn lauter Kommiß-Stiefeln, je Paarweiſe zuſammen genaͤht. Wohl ein ganzes Regiment Soldaten kam damit, hoch- bepackt, aus einem benachbarten Speicher anmarſchirt, und jeder Einzelne warf ſeine Ladung durch die Schiffsluke in den Raum, wie Kraut und Ruͤben durch einander, bis endlich dieſe Stiefeln ſich zu einem hohen Berge aufthuͤrmten. Als ich nun dem Officier, welcher dabei die Aufſicht fuͤhrte, Vorſtellung that, daß hinten und vorne Alles ledig bleibe und die Laſt durch den ganzen Raum gleich- maͤßig vertheilt werden muͤſſe, ſo ſchickte er endlich einige Mannſchaft hinunter, die ſich die Stiefeln wacker um die Ohren ſchmiß,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0167"n="151"/><p>Es wirkte, wie ich gehofft hatte. Er<lb/>ſtutzte, ſtand lange in Gedanken, und beſtellte<lb/>
mich zum naͤchſten Morgen wieder zu ſich,<lb/>
damit er ſehen koͤnne, was ſich thun lieſſe.<lb/>
Jch verfehlte nicht, mich auf die Minute ein-<lb/>
zuſtellen. Da ſtanden aber bereits meine<lb/>
Frachtgelder mit 2,000 Rubeln aufgeſtapelt<lb/>
auf einem Tiſche vor mir; und ich hatte<lb/>
keine weitere Muͤhe, als den Empfang von<lb/>
2,100 Rubeln zu beſcheinigen und mein<lb/>
klingendes Silber einzuſtreichen. — Hat<lb/>
man je dergleichen gehoͤrt? Es iſt aber gewiſſe<lb/>
Wahrheit!</p><lb/><p>Gleich noch an dem nemlichen Tage gieng<lb/>
das Einladen vor ſich. Und worinn beſtand<lb/>
meine Fracht? Jn lauter Kommiß-Stiefeln,<lb/>
je Paarweiſe zuſammen genaͤht. Wohl ein<lb/>
ganzes Regiment Soldaten kam damit, hoch-<lb/>
bepackt, aus einem benachbarten Speicher<lb/>
anmarſchirt, und jeder Einzelne warf ſeine<lb/>
Ladung durch die Schiffsluke in den Raum,<lb/>
wie Kraut und Ruͤben durch einander, bis<lb/>
endlich dieſe Stiefeln ſich zu einem hohen<lb/>
Berge aufthuͤrmten. Als ich nun dem Officier,<lb/>
welcher dabei die Aufſicht fuͤhrte, Vorſtellung<lb/>
that, daß hinten und vorne Alles ledig bleibe<lb/>
und die Laſt durch den ganzen Raum gleich-<lb/>
maͤßig vertheilt werden muͤſſe, ſo ſchickte er<lb/>
endlich einige Mannſchaft hinunter, die ſich<lb/>
die Stiefeln wacker um die Ohren ſchmiß,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[151/0167]
Es wirkte, wie ich gehofft hatte. Er
ſtutzte, ſtand lange in Gedanken, und beſtellte
mich zum naͤchſten Morgen wieder zu ſich,
damit er ſehen koͤnne, was ſich thun lieſſe.
Jch verfehlte nicht, mich auf die Minute ein-
zuſtellen. Da ſtanden aber bereits meine
Frachtgelder mit 2,000 Rubeln aufgeſtapelt
auf einem Tiſche vor mir; und ich hatte
keine weitere Muͤhe, als den Empfang von
2,100 Rubeln zu beſcheinigen und mein
klingendes Silber einzuſtreichen. — Hat
man je dergleichen gehoͤrt? Es iſt aber gewiſſe
Wahrheit!
Gleich noch an dem nemlichen Tage gieng
das Einladen vor ſich. Und worinn beſtand
meine Fracht? Jn lauter Kommiß-Stiefeln,
je Paarweiſe zuſammen genaͤht. Wohl ein
ganzes Regiment Soldaten kam damit, hoch-
bepackt, aus einem benachbarten Speicher
anmarſchirt, und jeder Einzelne warf ſeine
Ladung durch die Schiffsluke in den Raum,
wie Kraut und Ruͤben durch einander, bis
endlich dieſe Stiefeln ſich zu einem hohen
Berge aufthuͤrmten. Als ich nun dem Officier,
welcher dabei die Aufſicht fuͤhrte, Vorſtellung
that, daß hinten und vorne Alles ledig bleibe
und die Laſt durch den ganzen Raum gleich-
maͤßig vertheilt werden muͤſſe, ſo ſchickte er
endlich einige Mannſchaft hinunter, die ſich
die Stiefeln wacker um die Ohren ſchmiß,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/167>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.