und wohlgemuth alte und neue Geschichten, nach Seemanns Weise, auf die Bahn brachten.
Ganz von ohngefähr fielen hierbei meine Blicke auf den emsig beschäftigten Tischler und nahmen mit Verwunderung wahr, wie Dieser hinter der Verkleidung, wo die Fen- sterrahmen eingeschoben gewesen waren, aller- lei Sachen hervorlangte und mit dem krum- men Stiele seines Schnitzers immer noch nach Mehreren angelte. Das Blut schoß mir auf's Herz und ins Gesicht. Jch fiel, wie aus den Wolken: denn ich erkannte au- genblicklich, Stück für Stück, das verschwun- dene Eigenthum des verstorbenen Schiffers Karl Christian. Da war seine Uhr, seine Garnitur silberner Schnallen, ein Beutel mit einigen hundert Thalern Dänisch Courant, ein Schächtelchen mit Pretiosen an goldenen Ringen und Ohrgehängen, desgleichen sil- berne Schlösser zu großen Bügeltaschen nach damaliger Mode, und was sonst noch mehr, das der gute Mann vormals in Amsterdam eingehandelt und unterweges, aus Furcht vor Kaperei, hier in Sicherheit gebracht hatte. -- Hier hatt' es kein Mensch gesucht und auch wir es eher in jedem andern Ver- steckwinkel geahndet!
Guter Gott! Und ich hatte mich müssen drum gleichwohl einen Dieb heissen lassen! Aber der Himmel ist gerecht und barmherzig.
und wohlgemuth alte und neue Geſchichten, nach Seemanns Weiſe, auf die Bahn brachten.
Ganz von ohngefaͤhr fielen hierbei meine Blicke auf den emſig beſchaͤftigten Tiſchler und nahmen mit Verwunderung wahr, wie Dieſer hinter der Verkleidung, wo die Fen- ſterrahmen eingeſchoben geweſen waren, aller- lei Sachen hervorlangte und mit dem krum- men Stiele ſeines Schnitzers immer noch nach Mehreren angelte. Das Blut ſchoß mir auf’s Herz und ins Geſicht. Jch fiel, wie aus den Wolken: denn ich erkannte au- genblicklich, Stuͤck fuͤr Stuͤck, das verſchwun- dene Eigenthum des verſtorbenen Schiffers Karl Chriſtian. Da war ſeine Uhr, ſeine Garnitur ſilberner Schnallen, ein Beutel mit einigen hundert Thalern Daͤniſch Courant, ein Schaͤchtelchen mit Pretioſen an goldenen Ringen und Ohrgehaͤngen, desgleichen ſil- berne Schloͤſſer zu großen Buͤgeltaſchen nach damaliger Mode, und was ſonſt noch mehr, das der gute Mann vormals in Amſterdam eingehandelt und unterweges, aus Furcht vor Kaperei, hier in Sicherheit gebracht hatte. — Hier hatt’ es kein Menſch geſucht und auch wir es eher in jedem andern Ver- ſteckwinkel geahndet!
Guter Gott! Und ich hatte mich muͤſſen drum gleichwohl einen Dieb heiſſen laſſen! Aber der Himmel iſt gerecht und barmherzig.
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und wohlgemuth alte und neue Geſchichten,
nach Seemanns Weiſe, auf die Bahn brachten.
Ganz von ohngefaͤhr fielen hierbei meine
Blicke auf den emſig beſchaͤftigten Tiſchler
und nahmen mit Verwunderung wahr, wie
Dieſer hinter der Verkleidung, wo die Fen-
ſterrahmen eingeſchoben geweſen waren, aller-
lei Sachen hervorlangte und mit dem krum-
men Stiele ſeines Schnitzers immer noch
nach Mehreren angelte. Das Blut ſchoß
mir auf’s Herz und ins Geſicht. Jch fiel,
wie aus den Wolken: denn ich erkannte au-
genblicklich, Stuͤck fuͤr Stuͤck, das verſchwun-
dene Eigenthum des verſtorbenen Schiffers
Karl Chriſtian. Da war ſeine Uhr, ſeine
Garnitur ſilberner Schnallen, ein Beutel
mit einigen hundert Thalern Daͤniſch Courant,
ein Schaͤchtelchen mit Pretioſen an goldenen
Ringen und Ohrgehaͤngen, desgleichen ſil-
berne Schloͤſſer zu großen Buͤgeltaſchen nach
damaliger Mode, und was ſonſt noch mehr,
das der gute Mann vormals in Amſterdam
eingehandelt und unterweges, aus Furcht
vor Kaperei, hier in Sicherheit gebracht
hatte. — Hier hatt’ es kein Menſch geſucht
und auch wir es eher in jedem andern Ver-
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Guter Gott! Und ich hatte mich muͤſſen
drum gleichwohl einen Dieb heiſſen laſſen!
Aber der Himmel iſt gerecht und barmherzig.
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/184>, abgerufen am 16.02.2025.
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