Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir waren darüber beinahe bis an den Sack-
heimschen Baum getrieben. Jch machte mich
also eilig von meiner lästigen Begleiterinn
los, stieg an Land, befestigte das Fahrzeug
und half anderweitig bei dem Feuer bergen
und retten, wo und wie ich immer vermochte.
Darüber blieb ich nun von meiner eignen
Schwelle entfernt vom Sonntag Abends, da
das Feuer angieng, bis Dienstags Nachmittags,
wo endlich seine zerstörende Wuth sich legte.
Während dieser entsetzlichen Frist kam ich
verschiedentlich mit Bekannten aus unserm
Stadt-Ende, am Licent und der Gegend um-
her, zusammen. Da ward denn immer die
erste angelegentliche Frage, wie es in der
Nachbarschaft stehe, freudig beantwortet:
"Gottlob! Wir haben bis jetzt keine Noth vom
Feuer: wohl aber vom Sturm hohes Wasser
in Straßen und Häusern, daß man überall
darinn mit Kähnen umherfahren kann." --

Ein ähnlicher Orkan stieg einige Zeit
nach jenem unvergeßlichen Unglück so gewal-
tig auf, daß alle Schiffe mit denen der Pre-
gel, vom grünen Baume an, bedeckt war, sich
theils einzeln von ihren Befestigungen am
Bollwerk losrissen, theils unter einander ab-
drängten, und selbst die mitten im Strome
geworfenen Anker dagegen nicht aushielten.
Die Verwirrung und das Gedränge ward
mit jedem Augenblick größer. Endlich packte

Wir waren daruͤber beinahe bis an den Sack-
heimſchen Baum getrieben. Jch machte mich
alſo eilig von meiner laͤſtigen Begleiterinn
los, ſtieg an Land, befeſtigte das Fahrzeug
und half anderweitig bei dem Feuer bergen
und retten, wo und wie ich immer vermochte.
Daruͤber blieb ich nun von meiner eignen
Schwelle entfernt vom Sonntag Abends, da
das Feuer angieng, bis Dienſtags Nachmittags,
wo endlich ſeine zerſtoͤrende Wuth ſich legte.
Waͤhrend dieſer entſetzlichen Friſt kam ich
verſchiedentlich mit Bekannten aus unſerm
Stadt-Ende, am Licent und der Gegend um-
her, zuſammen. Da ward denn immer die
erſte angelegentliche Frage, wie es in der
Nachbarſchaft ſtehe, freudig beantwortet:
„Gottlob! Wir haben bis jetzt keine Noth vom
Feuer: wohl aber vom Sturm hohes Waſſer
in Straßen und Haͤuſern, daß man uͤberall
darinn mit Kaͤhnen umherfahren kann.‟ —

Ein aͤhnlicher Orkan ſtieg einige Zeit
nach jenem unvergeßlichen Ungluͤck ſo gewal-
tig auf, daß alle Schiffe mit denen der Pre-
gel, vom gruͤnen Baume an, bedeckt war, ſich
theils einzeln von ihren Befeſtigungen am
Bollwerk losriſſen, theils unter einander ab-
draͤngten, und ſelbſt die mitten im Strome
geworfenen Anker dagegen nicht aushielten.
Die Verwirrung und das Gedraͤnge ward
mit jedem Augenblick groͤßer. Endlich packte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0195" n="179"/>
        <p>Wir waren daru&#x0364;ber beinahe bis an den Sack-<lb/>
heim&#x017F;chen Baum getrieben. Jch machte mich<lb/>
al&#x017F;o eilig von meiner la&#x0364;&#x017F;tigen Begleiterinn<lb/>
los, &#x017F;tieg an Land, befe&#x017F;tigte das Fahrzeug<lb/>
und half anderweitig bei dem Feuer bergen<lb/>
und retten, wo und wie ich immer vermochte.<lb/>
Daru&#x0364;ber blieb ich nun von meiner eignen<lb/>
Schwelle entfernt vom Sonntag Abends, da<lb/>
das Feuer angieng, bis Dien&#x017F;tags Nachmittags,<lb/>
wo endlich &#x017F;eine zer&#x017F;to&#x0364;rende Wuth &#x017F;ich legte.<lb/>
Wa&#x0364;hrend die&#x017F;er ent&#x017F;etzlichen Fri&#x017F;t kam ich<lb/>
ver&#x017F;chiedentlich mit Bekannten aus un&#x017F;erm<lb/>
Stadt-Ende, am Licent und der Gegend um-<lb/>
her, zu&#x017F;ammen. Da ward denn immer die<lb/>
er&#x017F;te angelegentliche Frage, wie es in der<lb/>
Nachbar&#x017F;chaft &#x017F;tehe, freudig beantwortet:<lb/>
&#x201E;Gottlob! Wir haben bis jetzt keine Noth vom<lb/>
Feuer: wohl aber vom Sturm hohes Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
in Straßen und Ha&#x0364;u&#x017F;ern, daß man u&#x0364;berall<lb/>
darinn mit Ka&#x0364;hnen umherfahren kann.&#x201F; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ein a&#x0364;hnlicher Orkan &#x017F;tieg einige Zeit<lb/>
nach jenem unvergeßlichen Unglu&#x0364;ck &#x017F;o gewal-<lb/>
tig auf, daß alle Schiffe mit denen der Pre-<lb/>
gel, vom gru&#x0364;nen Baume an, bedeckt war, &#x017F;ich<lb/>
theils einzeln von ihren Befe&#x017F;tigungen am<lb/>
Bollwerk losri&#x017F;&#x017F;en, theils unter einander ab-<lb/>
dra&#x0364;ngten, und &#x017F;elb&#x017F;t die mitten im Strome<lb/>
geworfenen Anker dagegen nicht aushielten.<lb/>
Die Verwirrung und das Gedra&#x0364;nge ward<lb/>
mit jedem Augenblick gro&#x0364;ßer. Endlich packte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0195] Wir waren daruͤber beinahe bis an den Sack- heimſchen Baum getrieben. Jch machte mich alſo eilig von meiner laͤſtigen Begleiterinn los, ſtieg an Land, befeſtigte das Fahrzeug und half anderweitig bei dem Feuer bergen und retten, wo und wie ich immer vermochte. Daruͤber blieb ich nun von meiner eignen Schwelle entfernt vom Sonntag Abends, da das Feuer angieng, bis Dienſtags Nachmittags, wo endlich ſeine zerſtoͤrende Wuth ſich legte. Waͤhrend dieſer entſetzlichen Friſt kam ich verſchiedentlich mit Bekannten aus unſerm Stadt-Ende, am Licent und der Gegend um- her, zuſammen. Da ward denn immer die erſte angelegentliche Frage, wie es in der Nachbarſchaft ſtehe, freudig beantwortet: „Gottlob! Wir haben bis jetzt keine Noth vom Feuer: wohl aber vom Sturm hohes Waſſer in Straßen und Haͤuſern, daß man uͤberall darinn mit Kaͤhnen umherfahren kann.‟ — Ein aͤhnlicher Orkan ſtieg einige Zeit nach jenem unvergeßlichen Ungluͤck ſo gewal- tig auf, daß alle Schiffe mit denen der Pre- gel, vom gruͤnen Baume an, bedeckt war, ſich theils einzeln von ihren Befeſtigungen am Bollwerk losriſſen, theils unter einander ab- draͤngten, und ſelbſt die mitten im Strome geworfenen Anker dagegen nicht aushielten. Die Verwirrung und das Gedraͤnge ward mit jedem Augenblick groͤßer. Endlich packte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/195
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/195>, abgerufen am 16.05.2024.