Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Einmal der Schrecken unter die Leute;
Alles lief nach dem Lande, in banger Erwar-
tung, was weiter geschehen würde. Jn der
That legte sich das Schiff so gewaltig seit-
wärts, als ob es umfallen wollte; aber im
Sinken selbst richtete es sich plötzlich wieder
empor, und fuhr so, geraden Standes, plötz-
lich bis an die Gaffel-Klaue in die Tiefe, die
hier zur Stelle wohl 36 bis 40 Fuß be-
tragen mochte.

Das Feuer war gedämpft. Eine stille
dumme Verwunderung folgte. Aber plötz-
lich auch ward jedes Gaffers Mund wieder
rege und laut, und Jeder fragte in die Wette:
"Wer hat das gethan? Wer hat das Schiff
in den Grund gehauen?" Jeder hatte aber auch
gleich die durch einander geschrieene Antwort
bei der Hand: "Nettelbeck! Ei, das ist ein
Stückchen von Nettelbeck!" -- Nettelbeck
aber kehrte sich an nichts, gieng ruhig nach
Hause, und war in seinem Herzen überzeugt,
daß er recht gethan habe.

Gleich des andern Tages, Vormittags
neun Uhr, trat, in voller Angst, mein Schwie-
gervater zu mir in's Haus, und fuhr auf
mich ein: "Nun haben wir's! Ein schönes
Unglück habt Jhr angerichtet mit dem in
Grund gehauenen Schiffe! Da sind eben drei
Kaufleute und der holländische Schiffer,
sammt einem Advokaten, auf der Admira-

Einmal der Schrecken unter die Leute;
Alles lief nach dem Lande, in banger Erwar-
tung, was weiter geſchehen wuͤrde. Jn der
That legte ſich das Schiff ſo gewaltig ſeit-
waͤrts, als ob es umfallen wollte; aber im
Sinken ſelbſt richtete es ſich ploͤtzlich wieder
empor, und fuhr ſo, geraden Standes, ploͤtz-
lich bis an die Gaffel-Klaue in die Tiefe, die
hier zur Stelle wohl 36 bis 40 Fuß be-
tragen mochte.

Das Feuer war gedaͤmpft. Eine ſtille
dumme Verwunderung folgte. Aber ploͤtz-
lich auch ward jedes Gaffers Mund wieder
rege und laut, und Jeder fragte in die Wette:
„Wer hat das gethan? Wer hat das Schiff
in den Grund gehauen?‟ Jeder hatte aber auch
gleich die durch einander geſchrieene Antwort
bei der Hand: „Nettelbeck! Ei, das iſt ein
Stuͤckchen von Nettelbeck!‟ — Nettelbeck
aber kehrte ſich an nichts, gieng ruhig nach
Hauſe, und war in ſeinem Herzen uͤberzeugt,
daß er recht gethan habe.

Gleich des andern Tages, Vormittags
neun Uhr, trat, in voller Angſt, mein Schwie-
gervater zu mir in’s Haus, und fuhr auf
mich ein: „Nun haben wir’s! Ein ſchoͤnes
Ungluͤck habt Jhr angerichtet mit dem in
Grund gehauenen Schiffe! Da ſind eben drei
Kaufleute und der hollaͤndiſche Schiffer,
ſammt einem Advokaten, auf der Admira-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0199" n="183"/>
Einmal der Schrecken unter die Leute;<lb/>
Alles lief nach dem Lande, in banger Erwar-<lb/>
tung, was weiter ge&#x017F;chehen wu&#x0364;rde. Jn der<lb/>
That legte &#x017F;ich das Schiff &#x017F;o gewaltig &#x017F;eit-<lb/>
wa&#x0364;rts, als ob es umfallen wollte; aber im<lb/>
Sinken &#x017F;elb&#x017F;t richtete es &#x017F;ich plo&#x0364;tzlich wieder<lb/>
empor, und fuhr &#x017F;o, geraden Standes, plo&#x0364;tz-<lb/>
lich bis an die Gaffel-Klaue in die Tiefe, die<lb/>
hier zur Stelle wohl 36 bis 40 Fuß be-<lb/>
tragen mochte.</p><lb/>
        <p>Das Feuer war geda&#x0364;mpft. Eine &#x017F;tille<lb/>
dumme Verwunderung folgte. Aber plo&#x0364;tz-<lb/>
lich auch ward jedes Gaffers Mund wieder<lb/>
rege und laut, und Jeder fragte in die Wette:<lb/>
&#x201E;Wer hat das gethan? Wer hat das Schiff<lb/>
in den Grund gehauen?&#x201F; Jeder hatte aber auch<lb/>
gleich die durch einander ge&#x017F;chrieene Antwort<lb/>
bei der Hand: &#x201E;Nettelbeck! Ei, das i&#x017F;t ein<lb/>
Stu&#x0364;ckchen von Nettelbeck!&#x201F; &#x2014; Nettelbeck<lb/>
aber kehrte &#x017F;ich an nichts, gieng ruhig nach<lb/>
Hau&#x017F;e, und war in &#x017F;einem Herzen u&#x0364;berzeugt,<lb/>
daß er recht gethan habe.</p><lb/>
        <p>Gleich des andern Tages, Vormittags<lb/>
neun Uhr, trat, in voller Ang&#x017F;t, mein Schwie-<lb/>
gervater zu mir in&#x2019;s Haus, und fuhr auf<lb/>
mich ein: &#x201E;Nun haben wir&#x2019;s! Ein &#x017F;cho&#x0364;nes<lb/>
Unglu&#x0364;ck habt Jhr angerichtet mit dem in<lb/>
Grund gehauenen Schiffe! Da &#x017F;ind eben drei<lb/>
Kaufleute und der holla&#x0364;ndi&#x017F;che Schiffer,<lb/>
&#x017F;ammt einem Advokaten, auf der Admira-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0199] Einmal der Schrecken unter die Leute; Alles lief nach dem Lande, in banger Erwar- tung, was weiter geſchehen wuͤrde. Jn der That legte ſich das Schiff ſo gewaltig ſeit- waͤrts, als ob es umfallen wollte; aber im Sinken ſelbſt richtete es ſich ploͤtzlich wieder empor, und fuhr ſo, geraden Standes, ploͤtz- lich bis an die Gaffel-Klaue in die Tiefe, die hier zur Stelle wohl 36 bis 40 Fuß be- tragen mochte. Das Feuer war gedaͤmpft. Eine ſtille dumme Verwunderung folgte. Aber ploͤtz- lich auch ward jedes Gaffers Mund wieder rege und laut, und Jeder fragte in die Wette: „Wer hat das gethan? Wer hat das Schiff in den Grund gehauen?‟ Jeder hatte aber auch gleich die durch einander geſchrieene Antwort bei der Hand: „Nettelbeck! Ei, das iſt ein Stuͤckchen von Nettelbeck!‟ — Nettelbeck aber kehrte ſich an nichts, gieng ruhig nach Hauſe, und war in ſeinem Herzen uͤberzeugt, daß er recht gethan habe. Gleich des andern Tages, Vormittags neun Uhr, trat, in voller Angſt, mein Schwie- gervater zu mir in’s Haus, und fuhr auf mich ein: „Nun haben wir’s! Ein ſchoͤnes Ungluͤck habt Jhr angerichtet mit dem in Grund gehauenen Schiffe! Da ſind eben drei Kaufleute und der hollaͤndiſche Schiffer, ſammt einem Advokaten, auf der Admira-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/199
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/199>, abgerufen am 16.05.2024.