Es lief aber Alles verwirrt durch einan- der, und kein Mensch konnte oder wollte in dem Tumult auf mich hören. Da griff ich Einen von meinen Schiffszimmerleuten auf; sprang mit ihm in das Boot, welches zum brennenden Schiffe gehörte und demselben zur Seite lag, und zeigte ihm eine Planke, dicht an und über dem Wasser, wo er in Gottes Namen ein Loch durch's Schiff hauen sollte. "Das lass' ich wohl bleiben!" war seine Ant- wort -- "Jch könnte schlimmen Lohn dafür haben!"
Dieser Widerstand erhitzte mich noch mehr. Jch riß ihm die Axt aus den Händen, und bedachte mich keinen Augenblick, ein ganz hüb- sches Loch hart überm Wasserspiegel durch- zukappen. Als ich den guten Erfolg sah, legte ich mich auf den Bauch und hieb immer tiefer einwärts, bis endlich das Wasser strom- weise da durch und in den Schiffsraum drang. Das eben hatte ich gewollt; und nun eilte ich spornstreichs aus dem Boote auf das Verdeck, wo sich hundert und mehr Men- schen drängten, und schrie: "Herunter vom Schiff, was nicht verfaufen will! Jn der Minute wird's sinken!"
Anfangs hörte man mich nich nicht; da ich es aber immer und immer wiederholte, und zugleich auch das Schiff begann, sich stark auf jene Seite zu neigen, so kam auf
Es lief aber Alles verwirrt durch einan- der, und kein Menſch konnte oder wollte in dem Tumult auf mich hoͤren. Da griff ich Einen von meinen Schiffszimmerleuten auf; ſprang mit ihm in das Boot, welches zum brennenden Schiffe gehoͤrte und demſelben zur Seite lag, und zeigte ihm eine Planke, dicht an und uͤber dem Waſſer, wo er in Gottes Namen ein Loch durch’s Schiff hauen ſollte. „Das laſſ’ ich wohl bleiben!‟ war ſeine Ant- wort — „Jch koͤnnte ſchlimmen Lohn dafuͤr haben!‟
Dieſer Widerſtand erhitzte mich noch mehr. Jch riß ihm die Axt aus den Haͤnden, und bedachte mich keinen Augenblick, ein ganz huͤb- ſches Loch hart uͤberm Waſſerſpiegel durch- zukappen. Als ich den guten Erfolg ſah, legte ich mich auf den Bauch und hieb immer tiefer einwaͤrts, bis endlich das Waſſer ſtrom- weiſe da durch und in den Schiffsraum drang. Das eben hatte ich gewollt; und nun eilte ich ſpornſtreichs aus dem Boote auf das Verdeck, wo ſich hundert und mehr Men- ſchen draͤngten, und ſchrie: „Herunter vom Schiff, was nicht verfaufen will! Jn der Minute wird’s ſinken!‟
Anfangs hoͤrte man mich nich nicht; da ich es aber immer und immer wiederholte, und zugleich auch das Schiff begann, ſich ſtark auf jene Seite zu neigen, ſo kam auf
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Es lief aber Alles verwirrt durch einan-
der, und kein Menſch konnte oder wollte in
dem Tumult auf mich hoͤren. Da griff ich
Einen von meinen Schiffszimmerleuten auf;
ſprang mit ihm in das Boot, welches zum
brennenden Schiffe gehoͤrte und demſelben zur
Seite lag, und zeigte ihm eine Planke, dicht
an und uͤber dem Waſſer, wo er in Gottes
Namen ein Loch durch’s Schiff hauen ſollte.
„Das laſſ’ ich wohl bleiben!‟ war ſeine Ant-
wort — „Jch koͤnnte ſchlimmen Lohn dafuͤr
haben!‟
Dieſer Widerſtand erhitzte mich noch mehr.
Jch riß ihm die Axt aus den Haͤnden, und
bedachte mich keinen Augenblick, ein ganz huͤb-
ſches Loch hart uͤberm Waſſerſpiegel durch-
zukappen. Als ich den guten Erfolg ſah,
legte ich mich auf den Bauch und hieb immer
tiefer einwaͤrts, bis endlich das Waſſer ſtrom-
weiſe da durch und in den Schiffsraum drang.
Das eben hatte ich gewollt; und nun eilte
ich ſpornſtreichs aus dem Boote auf das
Verdeck, wo ſich hundert und mehr Men-
ſchen draͤngten, und ſchrie: „Herunter vom
Schiff, was nicht verfaufen will! Jn der
Minute wird’s ſinken!‟
Anfangs hoͤrte man mich nich nicht; da
ich es aber immer und immer wiederholte,
und zugleich auch das Schiff begann, ſich
ſtark auf jene Seite zu neigen, ſo kam auf
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/198>, abgerufen am 16.02.2025.
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