Einige Zeit nachher, während ich noch an meinem Schiffe baute, kam eines Tages das Geschrei zu mir auf die Baustelle: Auf dem Pregel am grünen Krahn stehe ein Holländi- sches Schiff, mit 120 Lasten Hanf geladen, in lichtem Brande. Sofort machte ich mich, sammt all meinen Schiffszimmerleuten, deren Jeder mit seiner Axt versehen war, auf den Platz, und sah, wie das Feuer klafterlang, gleich einem Pferdeschweif, hinten durch die Kajüt-Porten emporflackerte. Alle Menschen, soviel sich deren bereits herbeigemacht hatten, waren damit beschäftigt, Löcher in das Ver- deck zu hauen und von oben hinab Wasser in den brennenden Raum zu giessen. Offenbar aber gewann dadurch der Brand unterm Deck nur um so größern Zug und war auf diese Weise mit nichten zu dämpfen.
Ein so widersinniges Verfahren konnt' ich nicht lange gelassen mit anblicken; und das nur um so weniger, da mir das schnelle und sichre Mittel beifiel, dem weitern Unglück auf der Stelle zu steuern; wenn nemlich das Schiff, ohne langes Säumen, zum Untersinken gebracht werden konnte. So packte ich denn flugs den Schiffer am Arm, und schrie ihm zu: "Jhr arbeitet Euch ja damit zum Un- glück, daß Jhr dem Feuer noch mehr Luft macht. Versenken müßt Jhr das Schiff! Hört Jhr? Versenken! Was da lange Besinnens!"
Einige Zeit nachher, waͤhrend ich noch an meinem Schiffe baute, kam eines Tages das Geſchrei zu mir auf die Bauſtelle: Auf dem Pregel am gruͤnen Krahn ſtehe ein Hollaͤndi- ſches Schiff, mit 120 Laſten Hanf geladen, in lichtem Brande. Sofort machte ich mich, ſammt all meinen Schiffszimmerleuten, deren Jeder mit ſeiner Axt verſehen war, auf den Platz, und ſah, wie das Feuer klafterlang, gleich einem Pferdeſchweif, hinten durch die Kajuͤt-Porten emporflackerte. Alle Menſchen, ſoviel ſich deren bereits herbeigemacht hatten, waren damit beſchaͤftigt, Loͤcher in das Ver- deck zu hauen und von oben hinab Waſſer in den brennenden Raum zu gieſſen. Offenbar aber gewann dadurch der Brand unterm Deck nur um ſo groͤßern Zug und war auf dieſe Weiſe mit nichten zu daͤmpfen.
Ein ſo widerſinniges Verfahren konnt’ ich nicht lange gelaſſen mit anblicken; und das nur um ſo weniger, da mir das ſchnelle und ſichre Mittel beifiel, dem weitern Ungluͤck auf der Stelle zu ſteuern; wenn nemlich das Schiff, ohne langes Saͤumen, zum Unterſinken gebracht werden konnte. So packte ich denn flugs den Schiffer am Arm, und ſchrie ihm zu: „Jhr arbeitet Euch ja damit zum Un- gluͤck, daß Jhr dem Feuer noch mehr Luft macht. Verſenken muͤßt Jhr das Schiff! Hoͤrt Jhr? Verſenken! Was da lange Beſinnens!‟
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Einige Zeit nachher, waͤhrend ich noch an
meinem Schiffe baute, kam eines Tages das
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Pregel am gruͤnen Krahn ſtehe ein Hollaͤndi-
ſches Schiff, mit 120 Laſten Hanf geladen,
in lichtem Brande. Sofort machte ich mich,
ſammt all meinen Schiffszimmerleuten, deren
Jeder mit ſeiner Axt verſehen war, auf den
Platz, und ſah, wie das Feuer klafterlang,
gleich einem Pferdeſchweif, hinten durch die
Kajuͤt-Porten emporflackerte. Alle Menſchen,
ſoviel ſich deren bereits herbeigemacht hatten,
waren damit beſchaͤftigt, Loͤcher in das Ver-
deck zu hauen und von oben hinab Waſſer in
den brennenden Raum zu gieſſen. Offenbar
aber gewann dadurch der Brand unterm
Deck nur um ſo groͤßern Zug und war auf
dieſe Weiſe mit nichten zu daͤmpfen.
Ein ſo widerſinniges Verfahren konnt’
ich nicht lange gelaſſen mit anblicken; und das
nur um ſo weniger, da mir das ſchnelle und
ſichre Mittel beifiel, dem weitern Ungluͤck auf
der Stelle zu ſteuern; wenn nemlich das
Schiff, ohne langes Saͤumen, zum Unterſinken
gebracht werden konnte. So packte ich denn
flugs den Schiffer am Arm, und ſchrie ihm
zu: „Jhr arbeitet Euch ja damit zum Un-
gluͤck, daß Jhr dem Feuer noch mehr Luft
macht. Verſenken muͤßt Jhr das Schiff! Hoͤrt
Jhr? Verſenken! Was da lange Beſinnens!‟
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/197>, abgerufen am 16.05.2024.
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