Jn der Ferne sah ich mein Schiff liegen, das mir durch die arglistige Bosheit eines Taugenichts so theuer zu stehen kommen sollte. Jch ließ mich durch einen Schuytenfahrer an den Bord desselben übersetzen; fand aber beim Hinaufsteigen, auf dem Verdeck keine lebendige Seele. Voll Sinnens gieng ich auf demselben einige Minuten lang umher; und indem ich mir Masten, Taue, Segel, Anker -- Alles die alten wohlbekannten Gegenstände! -- genauer darauf ansah, konnt' ich, mit steigender Verwunderung, immer weniger begreifen, was denn mit den aufgenommenen ungeheuern Summen daran verändert oder gebessert worden?
Endlich kam der Schiffsjunge aus dem Kabel-Gat zum Vorschein und machte treff- lich große Augen, als er seinen Herrn und Meister so unverhofft erblickte. Jch säumte nicht, den Burschen in ein näheres Verhör zu nehmen; und nun erzählte er mir denn, halb aus Treuherzigkeit, halb aus Furcht, mehr als mir lieb war und ich zu wissen verlangte. Sein Schiffer, sammt den übri- gen Leuten, hatte sich, sogleich nach der An- kunft; im hellen Haufen an's Land begeben. Der neue Steuermann (denn der, von Königs- berg mitgegangenen, war -- Ein Unglück mehr für mich! -- in Gothenburg gestorben) be- fand sich nur noch allein an Bord und ver-
Jn der Ferne ſah ich mein Schiff liegen, das mir durch die argliſtige Bosheit eines Taugenichts ſo theuer zu ſtehen kommen ſollte. Jch ließ mich durch einen Schuytenfahrer an den Bord deſſelben uͤberſetzen; fand aber beim Hinaufſteigen, auf dem Verdeck keine lebendige Seele. Voll Sinnens gieng ich auf demſelben einige Minuten lang umher; und indem ich mir Maſten, Taue, Segel, Anker — Alles die alten wohlbekannten Gegenſtaͤnde! — genauer darauf anſah, konnt’ ich, mit ſteigender Verwunderung, immer weniger begreifen, was denn mit den aufgenommenen ungeheuern Summen daran veraͤndert oder gebeſſert worden?
Endlich kam der Schiffsjunge aus dem Kabel-Gat zum Vorſchein und machte treff- lich große Augen, als er ſeinen Herrn und Meiſter ſo unverhofft erblickte. Jch ſaͤumte nicht, den Burſchen in ein naͤheres Verhoͤr zu nehmen; und nun erzaͤhlte er mir denn, halb aus Treuherzigkeit, halb aus Furcht, mehr als mir lieb war und ich zu wiſſen verlangte. Sein Schiffer, ſammt den uͤbri- gen Leuten, hatte ſich, ſogleich nach der An- kunft; im hellen Haufen an’s Land begeben. Der neue Steuermann (denn der, von Koͤnigs- berg mitgegangenen, war — Ein Ungluͤck mehr fuͤr mich! — in Gothenburg geſtorben) be- fand ſich nur noch allein an Bord und ver-
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Jn der Ferne ſah ich mein Schiff liegen,
das mir durch die argliſtige Bosheit eines
Taugenichts ſo theuer zu ſtehen kommen ſollte.
Jch ließ mich durch einen Schuytenfahrer
an den Bord deſſelben uͤberſetzen; fand aber
beim Hinaufſteigen, auf dem Verdeck keine
lebendige Seele. Voll Sinnens gieng ich auf
demſelben einige Minuten lang umher; und
indem ich mir Maſten, Taue, Segel, Anker
— Alles die alten wohlbekannten Gegenſtaͤnde!
— genauer darauf anſah, konnt’ ich, mit
ſteigender Verwunderung, immer weniger
begreifen, was denn mit den aufgenommenen
ungeheuern Summen daran veraͤndert oder
gebeſſert worden?
Endlich kam der Schiffsjunge aus dem
Kabel-Gat zum Vorſchein und machte treff-
lich große Augen, als er ſeinen Herrn und
Meiſter ſo unverhofft erblickte. Jch ſaͤumte
nicht, den Burſchen in ein naͤheres Verhoͤr
zu nehmen; und nun erzaͤhlte er mir denn,
halb aus Treuherzigkeit, halb aus Furcht,
mehr als mir lieb war und ich zu wiſſen
verlangte. Sein Schiffer, ſammt den uͤbri-
gen Leuten, hatte ſich, ſogleich nach der An-
kunft; im hellen Haufen an’s Land begeben.
Der neue Steuermann (denn der, von Koͤnigs-
berg mitgegangenen, war — Ein Ungluͤck mehr
fuͤr mich! — in Gothenburg geſtorben) be-
fand ſich nur noch allein an Bord und ver-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/214>, abgerufen am 23.11.2024.
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