Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Nun hatt' ich, ausser jenem Boote, noch
eine kleine fichtene, sogenannte Berger Jölle.
Flugs sah ich sie mir drauf an, ob sie mich,
in diesem Fall der Noth, nicht ebensowohl
nach Croisic sollte tragen können? -- Wozu
längeres Bedenken? Es mußte gewagt seyn!
-- Jch ließ Mast und Segel auf derselben
einrichten, und bestieg sie mit zwei Mann.
Um mir jedoch nicht offenbar ein Tollmanns-
stückchen zu Schulden kommen zu lassen,
wollt' ich es zuvor auf eine kleine Probe
anlegen; segelte vom Schiffe abwärts, legte
bei, machte diese und jene Wendungen, und
bestärkte mich solchergestalt in meiner Zu-
versicht, daß ich nichts Unmögliches wagte.

Eiligst versah ich mich nun noch an Bord
mit einem durchgeschnittenen halben Oxhoft,
welches ich zum sichern Reisebehälter für
einen Kompaß, Brodt, Fleisch, einige Flaschen
Wein und Brandtwein und andre kleine Be-
dürfnisse bestimmte. Noch nahm ich ein
Bootsanker, ein Tau und drei Regenröcke für
uns ein; und so versehen, trieb ich meine
beiden Gefährten zum Einsteigen; rief ein
herzhaftes: "Nun, mit Gott!" -- und stieß
ab. -- Zwar ward mir's, ehe wir noch
funfzig Klaftern geseegelt waren, hell und
klar, daß ich meine Jölle mit all den Sie-
bensachen zur Ungebührniß überladen, und
daß ich den dümmsten Streich in meinem

Nun hatt’ ich, auſſer jenem Boote, noch
eine kleine fichtene, ſogenannte Berger Joͤlle.
Flugs ſah ich ſie mir drauf an, ob ſie mich,
in dieſem Fall der Noth, nicht ebenſowohl
nach Croiſic ſollte tragen koͤnnen? — Wozu
laͤngeres Bedenken? Es mußte gewagt ſeyn!
— Jch ließ Maſt und Segel auf derſelben
einrichten, und beſtieg ſie mit zwei Mann.
Um mir jedoch nicht offenbar ein Tollmanns-
ſtuͤckchen zu Schulden kommen zu laſſen,
wollt’ ich es zuvor auf eine kleine Probe
anlegen; ſegelte vom Schiffe abwaͤrts, legte
bei, machte dieſe und jene Wendungen, und
beſtaͤrkte mich ſolchergeſtalt in meiner Zu-
verſicht, daß ich nichts Unmoͤgliches wagte.

Eiligſt verſah ich mich nun noch an Bord
mit einem durchgeſchnittenen halben Oxhoft,
welches ich zum ſichern Reiſebehaͤlter fuͤr
einen Kompaß, Brodt, Fleiſch, einige Flaſchen
Wein und Brandtwein und andre kleine Be-
duͤrfniſſe beſtimmte. Noch nahm ich ein
Bootsanker, ein Tau und drei Regenroͤcke fuͤr
uns ein; und ſo verſehen, trieb ich meine
beiden Gefaͤhrten zum Einſteigen; rief ein
herzhaftes: „Nun, mit Gott!‟ — und ſtieß
ab. — Zwar ward mir’s, ehe wir noch
funfzig Klaftern geſeegelt waren, hell und
klar, daß ich meine Joͤlle mit all den Sie-
benſachen zur Ungebuͤhrniß uͤberladen, und
daß ich den duͤmmſten Streich in meinem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0234" n="218"/>
        <p>Nun hatt&#x2019; ich, au&#x017F;&#x017F;er jenem Boote, noch<lb/>
eine kleine fichtene, &#x017F;ogenannte Berger Jo&#x0364;lle.<lb/>
Flugs &#x017F;ah ich &#x017F;ie mir drauf an, ob &#x017F;ie mich,<lb/>
in die&#x017F;em Fall der Noth, nicht eben&#x017F;owohl<lb/>
nach Croi&#x017F;ic &#x017F;ollte tragen ko&#x0364;nnen? &#x2014; Wozu<lb/>
la&#x0364;ngeres Bedenken? Es mußte gewagt &#x017F;eyn!<lb/>
&#x2014; Jch ließ Ma&#x017F;t und Segel auf der&#x017F;elben<lb/>
einrichten, und be&#x017F;tieg &#x017F;ie mit zwei Mann.<lb/>
Um mir jedoch nicht offenbar ein Tollmanns-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;ckchen zu Schulden kommen zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wollt&#x2019; ich es zuvor auf eine kleine Probe<lb/>
anlegen; &#x017F;egelte vom Schiffe abwa&#x0364;rts, legte<lb/>
bei, machte die&#x017F;e und jene Wendungen, und<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;rkte mich &#x017F;olcherge&#x017F;talt in meiner Zu-<lb/>
ver&#x017F;icht, daß ich nichts Unmo&#x0364;gliches wagte.</p><lb/>
        <p>Eilig&#x017F;t ver&#x017F;ah ich mich nun noch an Bord<lb/>
mit einem durchge&#x017F;chnittenen halben Oxhoft,<lb/>
welches ich zum &#x017F;ichern Rei&#x017F;ebeha&#x0364;lter fu&#x0364;r<lb/>
einen Kompaß, Brodt, Flei&#x017F;ch, einige Fla&#x017F;chen<lb/>
Wein und Brandtwein und andre kleine Be-<lb/>
du&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;timmte. Noch nahm ich ein<lb/>
Bootsanker, ein Tau und drei Regenro&#x0364;cke fu&#x0364;r<lb/>
uns ein; und &#x017F;o ver&#x017F;ehen, trieb ich meine<lb/>
beiden Gefa&#x0364;hrten zum Ein&#x017F;teigen; rief ein<lb/>
herzhaftes: &#x201E;Nun, mit Gott!&#x201F; &#x2014; und &#x017F;tieß<lb/>
ab. &#x2014; Zwar ward mir&#x2019;s, ehe wir noch<lb/>
funfzig Klaftern ge&#x017F;eegelt waren, hell und<lb/>
klar, daß ich meine Jo&#x0364;lle mit all den Sie-<lb/>
ben&#x017F;achen zur Ungebu&#x0364;hrniß u&#x0364;berladen, und<lb/>
daß ich den du&#x0364;mm&#x017F;ten Streich in meinem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0234] Nun hatt’ ich, auſſer jenem Boote, noch eine kleine fichtene, ſogenannte Berger Joͤlle. Flugs ſah ich ſie mir drauf an, ob ſie mich, in dieſem Fall der Noth, nicht ebenſowohl nach Croiſic ſollte tragen koͤnnen? — Wozu laͤngeres Bedenken? Es mußte gewagt ſeyn! — Jch ließ Maſt und Segel auf derſelben einrichten, und beſtieg ſie mit zwei Mann. Um mir jedoch nicht offenbar ein Tollmanns- ſtuͤckchen zu Schulden kommen zu laſſen, wollt’ ich es zuvor auf eine kleine Probe anlegen; ſegelte vom Schiffe abwaͤrts, legte bei, machte dieſe und jene Wendungen, und beſtaͤrkte mich ſolchergeſtalt in meiner Zu- verſicht, daß ich nichts Unmoͤgliches wagte. Eiligſt verſah ich mich nun noch an Bord mit einem durchgeſchnittenen halben Oxhoft, welches ich zum ſichern Reiſebehaͤlter fuͤr einen Kompaß, Brodt, Fleiſch, einige Flaſchen Wein und Brandtwein und andre kleine Be- duͤrfniſſe beſtimmte. Noch nahm ich ein Bootsanker, ein Tau und drei Regenroͤcke fuͤr uns ein; und ſo verſehen, trieb ich meine beiden Gefaͤhrten zum Einſteigen; rief ein herzhaftes: „Nun, mit Gott!‟ — und ſtieß ab. — Zwar ward mir’s, ehe wir noch funfzig Klaftern geſeegelt waren, hell und klar, daß ich meine Joͤlle mit all den Sie- benſachen zur Ungebuͤhrniß uͤberladen, und daß ich den duͤmmſten Streich in meinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/234
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/234>, abgerufen am 23.11.2024.