Unsre Bestürzung war nicht geringe. Wie war dies zugegangen? Was war geschehen? Was konnte geschehen seyn? -- Ein uner- meßliches Feld eröffnete sich unsern Muth- maassungen und Zweifeln. Manche waren der Meynung, unsre Leute wären, zusammt dem Schiffe, gesunken; so wie es auch zuvor schon von seiner eigentlichen Besatzung um irgend eines, nicht mehr zu stopfenden Lecks willen, verlassen worden seyn möchte. Dem mußte ich aber, mit Fug entgegnen, daß ich, sammt Allen, die mit mir am Bord gewe- sen, das Schiff dicht und gut befunden; daß wir das wenige Wasser, das sich am Kiele gesammlet, mit leichter Mühe ausge- pumpt, und daß ich ja auch selbst in den Raum hinabgestiegen gewesen, ohne etwas von eingedrungenem Wasser zu spüren. Billig also ward diese Voraussetzung verworfen.
Möglicher aber schien es uns, und stieg bald zur ängstlichen Besorgniß, daß aller- dings doch Leute im Schiff versteckt gewe- sen, die bei Nacht unversehens hervorgebro- chen, die Unsrigen überwältigt und ermordet und sich, unter Begünstigung der Finsterniß, davongemacht hätten. Gewaltthätigkeit und Meuterei schien, wie die zersplitterte Kajüten- Thüre bewies, allerdings, vor dem Begeg- niß mit uns, auf dem Schiffe stattgefunden
Unſre Beſtuͤrzung war nicht geringe. Wie war dies zugegangen? Was war geſchehen? Was konnte geſchehen ſeyn? — Ein uner- meßliches Feld eroͤffnete ſich unſern Muth- maaſſungen und Zweifeln. Manche waren der Meynung, unſre Leute waͤren, zuſammt dem Schiffe, geſunken; ſo wie es auch zuvor ſchon von ſeiner eigentlichen Beſatzung um irgend eines, nicht mehr zu ſtopfenden Lecks willen, verlaſſen worden ſeyn moͤchte. Dem mußte ich aber, mit Fug entgegnen, daß ich, ſammt Allen, die mit mir am Bord gewe- ſen, das Schiff dicht und gut befunden; daß wir das wenige Waſſer, das ſich am Kiele geſammlet, mit leichter Muͤhe ausge- pumpt, und daß ich ja auch ſelbſt in den Raum hinabgeſtiegen geweſen, ohne etwas von eingedrungenem Waſſer zu ſpuͤren. Billig alſo ward dieſe Vorausſetzung verworfen.
Moͤglicher aber ſchien es uns, und ſtieg bald zur aͤngſtlichen Beſorgniß, daß aller- dings doch Leute im Schiff verſteckt gewe- ſen, die bei Nacht unverſehens hervorgebro- chen, die Unſrigen uͤberwaͤltigt und ermordet und ſich, unter Beguͤnſtigung der Finſterniß, davongemacht haͤtten. Gewaltthaͤtigkeit und Meuterei ſchien, wie die zerſplitterte Kajuͤten- Thuͤre bewies, allerdings, vor dem Begeg- niß mit uns, auf dem Schiffe ſtattgefunden
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Unſre Beſtuͤrzung war nicht geringe. Wie
war dies zugegangen? Was war geſchehen?
Was konnte geſchehen ſeyn? — Ein uner-
meßliches Feld eroͤffnete ſich unſern Muth-
maaſſungen und Zweifeln. Manche waren
der Meynung, unſre Leute waͤren, zuſammt
dem Schiffe, geſunken; ſo wie es auch zuvor
ſchon von ſeiner eigentlichen Beſatzung um
irgend eines, nicht mehr zu ſtopfenden Lecks
willen, verlaſſen worden ſeyn moͤchte. Dem
mußte ich aber, mit Fug entgegnen, daß ich,
ſammt Allen, die mit mir am Bord gewe-
ſen, das Schiff dicht und gut befunden;
daß wir das wenige Waſſer, das ſich am
Kiele geſammlet, mit leichter Muͤhe ausge-
pumpt, und daß ich ja auch ſelbſt in den
Raum hinabgeſtiegen geweſen, ohne etwas von
eingedrungenem Waſſer zu ſpuͤren. Billig
alſo ward dieſe Vorausſetzung verworfen.
Moͤglicher aber ſchien es uns, und ſtieg
bald zur aͤngſtlichen Beſorgniß, daß aller-
dings doch Leute im Schiff verſteckt gewe-
ſen, die bei Nacht unverſehens hervorgebro-
chen, die Unſrigen uͤberwaͤltigt und ermordet
und ſich, unter Beguͤnſtigung der Finſterniß,
davongemacht haͤtten. Gewaltthaͤtigkeit und
Meuterei ſchien, wie die zerſplitterte Kajuͤten-
Thuͤre bewies, allerdings, vor dem Begeg-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/287>, abgerufen am 19.07.2024.
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