stimmt. Ein Jahr später aber ward die Steuermanns-Kunst die Hauptsache und alles Andre in die Neben- und Privat-Stunden verwiesen.
Mein Eifer für diese Sache gieng so weit, daß ich im Winter oftmals bei stren- ger Kälte, wenn des Nachts klarer Himmel war, und wenn meine Eltern glaubten, daß ich im warmen Bette steckte, heimlich auf den Wall und die hohe Katze gieng, mit meinen Jnstrumenten die Entfernung der mir bekannten Sterne vom Horizont oder vom Zenith maaß und darnach die Pol- Höhe berechnete. Dann, wenn ich des Mor- gens erfroren nach Hause kam, verwun- derte sich Alles über mich und erklärte mich für einen überstudierten Narren. Schlimmer aber war es, daß man mich nun des Abends sorgfältiger bewachte und mich nicht aus dem Hause ließ. Dennoch suchte und fand ich oftmals Gelegenheit, bei Nacht wieder auf meine Sternwarte zu kommen; was mir aber, wenn ich mich Morgens wieder ein- stellte, von meinem Vater manche schwere Ohrfeige einbrachte.
Aehnlicher Lohn ward mir auch sonst noch für ähnlichen Eifer! Zu oft hatte ich gehört, daß ein Seemann vor allen Dingen lernen müsse, gut klettern, um die Masten bei Tag
ſtimmt. Ein Jahr ſpaͤter aber ward die Steuermanns-Kunſt die Hauptſache und alles Andre in die Neben- und Privat-Stunden verwieſen.
Mein Eifer fuͤr dieſe Sache gieng ſo weit, daß ich im Winter oftmals bei ſtren- ger Kaͤlte, wenn des Nachts klarer Himmel war, und wenn meine Eltern glaubten, daß ich im warmen Bette ſteckte, heimlich auf den Wall und die hohe Katze gieng, mit meinen Jnſtrumenten die Entfernung der mir bekannten Sterne vom Horizont oder vom Zenith maaß und darnach die Pol- Hoͤhe berechnete. Dann, wenn ich des Mor- gens erfroren nach Hauſe kam, verwun- derte ſich Alles uͤber mich und erklaͤrte mich fuͤr einen uͤberſtudierten Narren. Schlimmer aber war es, daß man mich nun des Abends ſorgfaͤltiger bewachte und mich nicht aus dem Hauſe ließ. Dennoch ſuchte und fand ich oftmals Gelegenheit, bei Nacht wieder auf meine Sternwarte zu kommen; was mir aber, wenn ich mich Morgens wieder ein- ſtellte, von meinem Vater manche ſchwere Ohrfeige einbrachte.
Aehnlicher Lohn ward mir auch ſonſt noch fuͤr aͤhnlichen Eifer! Zu oft hatte ich gehoͤrt, daß ein Seemann vor allen Dingen lernen muͤſſe, gut klettern, um die Maſten bei Tag
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ſtimmt. Ein Jahr ſpaͤter aber ward die
Steuermanns-Kunſt die Hauptſache und alles
Andre in die Neben- und Privat-Stunden
verwieſen.
Mein Eifer fuͤr dieſe Sache gieng ſo
weit, daß ich im Winter oftmals bei ſtren-
ger Kaͤlte, wenn des Nachts klarer Himmel
war, und wenn meine Eltern glaubten, daß
ich im warmen Bette ſteckte, heimlich auf
den Wall und die hohe Katze gieng, mit
meinen Jnſtrumenten die Entfernung der
mir bekannten Sterne vom Horizont oder
vom Zenith maaß und darnach die Pol-
Hoͤhe berechnete. Dann, wenn ich des Mor-
gens erfroren nach Hauſe kam, verwun-
derte ſich Alles uͤber mich und erklaͤrte mich
fuͤr einen uͤberſtudierten Narren. Schlimmer
aber war es, daß man mich nun des Abends
ſorgfaͤltiger bewachte und mich nicht aus
dem Hauſe ließ. Dennoch ſuchte und fand
ich oftmals Gelegenheit, bei Nacht wieder
auf meine Sternwarte zu kommen; was mir
aber, wenn ich mich Morgens wieder ein-
ſtellte, von meinem Vater manche ſchwere
Ohrfeige einbrachte.
Aehnlicher Lohn ward mir auch ſonſt noch
fuͤr aͤhnlichen Eifer! Zu oft hatte ich gehoͤrt,
daß ein Seemann vor allen Dingen lernen
muͤſſe, gut klettern, um die Maſten bei Tag
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/29>, abgerufen am 29.04.2024.
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