und Nacht zu besteigen, als daß ich nicht hätte begierig werden sollen, mich darin bei Zeiten zu üben. Hiezu fand sich eine er- wünschte Gelegenheit durch die nähere Be- kanntschaft mit dem Sohne des damaligen Glöckners. Er war in meinen Jahren, hieß David, und wollte auch Schiffer werden. Mit diesem machte ich mich, ausser der Schulzeit, auf den Boden der großen Kirche in das Sparrwerk und die Balkenverbin- dungen bis hoch unter das kupferne Dach hinauf. Hier stiegen und krochen wir überall herum, daß wir uns in der gewaltigen Ver- zimmerung dieses großen Gebäudes oftmals dergestalt verirrten, daß Einer vom Andern nicht wußte. Kamen wir dann wieder zu- sammen, so konnten wir nicht genug erzäh- len, wo wir gewesen waren und was wir gesehen hatten.
Bald gieng es nun zu einem Wagstück weiter. Auch in die Spitze des Thurms krochen wir in dem inwendigen Holzverbande hinauf -- so hoch, bis wir uns in dem be- engten Raume nicht weiter rühren konnten. Aber eben diese Gewandtheit und Orts-Kennt- niß kam mir in der Folge recht gut zu stat- ten, um hier in der äußersten Spitze, wo ein Wetterstrahl am 28sten April 1777 ge- zündet hatte, das Feuer löschen zu können;
und Nacht zu beſteigen, als daß ich nicht haͤtte begierig werden ſollen, mich darin bei Zeiten zu uͤben. Hiezu fand ſich eine er- wuͤnſchte Gelegenheit durch die naͤhere Be- kanntſchaft mit dem Sohne des damaligen Gloͤckners. Er war in meinen Jahren, hieß David, und wollte auch Schiffer werden. Mit dieſem machte ich mich, auſſer der Schulzeit, auf den Boden der großen Kirche in das Sparrwerk und die Balkenverbin- dungen bis hoch unter das kupferne Dach hinauf. Hier ſtiegen und krochen wir uͤberall herum, daß wir uns in der gewaltigen Ver- zimmerung dieſes großen Gebaͤudes oftmals dergeſtalt verirrten, daß Einer vom Andern nicht wußte. Kamen wir dann wieder zu- ſammen, ſo konnten wir nicht genug erzaͤh- len, wo wir geweſen waren und was wir geſehen hatten.
Bald gieng es nun zu einem Wagſtuͤck weiter. Auch in die Spitze des Thurms krochen wir in dem inwendigen Holzverbande hinauf — ſo hoch, bis wir uns in dem be- engten Raume nicht weiter ruͤhren konnten. Aber eben dieſe Gewandtheit und Orts-Kennt- niß kam mir in der Folge recht gut zu ſtat- ten, um hier in der aͤußerſten Spitze, wo ein Wetterſtrahl am 28ſten April 1777 ge- zuͤndet hatte, das Feuer loͤſchen zu koͤnnen;
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und Nacht zu beſteigen, als daß ich nicht
haͤtte begierig werden ſollen, mich darin bei
Zeiten zu uͤben. Hiezu fand ſich eine er-
wuͤnſchte Gelegenheit durch die naͤhere Be-
kanntſchaft mit dem Sohne des damaligen
Gloͤckners. Er war in meinen Jahren, hieß
David, und wollte auch Schiffer werden.
Mit dieſem machte ich mich, auſſer der
Schulzeit, auf den Boden der großen Kirche
in das Sparrwerk und die Balkenverbin-
dungen bis hoch unter das kupferne Dach
hinauf. Hier ſtiegen und krochen wir uͤberall
herum, daß wir uns in der gewaltigen Ver-
zimmerung dieſes großen Gebaͤudes oftmals
dergeſtalt verirrten, daß Einer vom Andern
nicht wußte. Kamen wir dann wieder zu-
ſammen, ſo konnten wir nicht genug erzaͤh-
len, wo wir geweſen waren und was wir
geſehen hatten.
Bald gieng es nun zu einem Wagſtuͤck
weiter. Auch in die Spitze des Thurms
krochen wir in dem inwendigen Holzverbande
hinauf — ſo hoch, bis wir uns in dem be-
engten Raume nicht weiter ruͤhren konnten.
Aber eben dieſe Gewandtheit und Orts-Kennt-
niß kam mir in der Folge recht gut zu ſtat-
ten, um hier in der aͤußerſten Spitze, wo
ein Wetterſtrahl am 28ſten April 1777 ge-
zuͤndet hatte, das Feuer loͤſchen zu koͤnnen;
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/30>, abgerufen am 03.12.2024.
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