Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Ganz unerwartet aber fand sich nunmehr
die verwünschte Kiste im hintern untersten
Schiffsraum wieder auf, wo sie, durch ir-
gend ein Versehen, hoch mit Brennholz über-
stauet gewesen war. Glücklicher Weise hatte
das Siegel derselben, das auch auf dem Con-
noissement abgedruckt war, keinen Schaden
gelitten. Aber zugleich kam es uns wunder-
lich vor, daß die Kiste, beim Heben und
Schütteln derselben, sich gar nicht so anließ,
als ob Sachen von der angegebenen Art darin
enthalten seyn könnten. Dieser Verdacht
ward dem Fiscal unter der Hand gesteckt.
Er kam selbst an Bord; überzeugte sich von
der Richtigkeit des Connoissements und der
Unversehrtheit des Siegels, und da der Jude
ein armer Teufel war, dem sich mit einer
Geldstrafe nichts anhaben ließ: so sollte er,
wie es in aller Welt Brauch ist, für den ver-
suchten Betrug mit seiner Haut bezahlen.

Zuförderst ward ihm gemeldet, daß sein
Eigenthum wieder zum Vorschein gekommen
sey und von ihm also gleich am Bord in Em-
pfang genommen werden könne. Sein Er-
schrecken über diese Rachricht war drollig
genug: aber dem Frieden nicht trauend, ver-
langte er, man möchte ihm die Kiste in Got-
tes Namen nur an Land und in sein Haus
schaffen; bis, auf seine beharrliche Weigerung,
der Fiscal ihn durch zwei Reger mit Gewalt

Ganz unerwartet aber fand ſich nunmehr
die verwuͤnſchte Kiſte im hintern unterſten
Schiffsraum wieder auf, wo ſie, durch ir-
gend ein Verſehen, hoch mit Brennholz uͤber-
ſtauet geweſen war. Gluͤcklicher Weiſe hatte
das Siegel derſelben, das auch auf dem Con-
noiſſement abgedruckt war, keinen Schaden
gelitten. Aber zugleich kam es uns wunder-
lich vor, daß die Kiſte, beim Heben und
Schuͤtteln derſelben, ſich gar nicht ſo anließ,
als ob Sachen von der angegebenen Art darin
enthalten ſeyn koͤnnten. Dieſer Verdacht
ward dem Fiſcal unter der Hand geſteckt.
Er kam ſelbſt an Bord; uͤberzeugte ſich von
der Richtigkeit des Connoiſſements und der
Unverſehrtheit des Siegels, und da der Jude
ein armer Teufel war, dem ſich mit einer
Geldſtrafe nichts anhaben ließ: ſo ſollte er,
wie es in aller Welt Brauch iſt, fuͤr den ver-
ſuchten Betrug mit ſeiner Haut bezahlen.

Zufoͤrderſt ward ihm gemeldet, daß ſein
Eigenthum wieder zum Vorſchein gekommen
ſey und von ihm alſo gleich am Bord in Em-
pfang genommen werden koͤnne. Sein Er-
ſchrecken uͤber dieſe Rachricht war drollig
genug: aber dem Frieden nicht trauend, ver-
langte er, man moͤchte ihm die Kiſte in Got-
tes Namen nur an Land und in ſein Haus
ſchaffen; bis, auf ſeine beharrliche Weigerung,
der Fiſcal ihn durch zwei Reger mit Gewalt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0051" n="35"/>
        <p>Ganz unerwartet aber fand &#x017F;ich nunmehr<lb/>
die verwu&#x0364;n&#x017F;chte Ki&#x017F;te im hintern unter&#x017F;ten<lb/>
Schiffsraum wieder auf, wo &#x017F;ie, durch ir-<lb/>
gend ein Ver&#x017F;ehen, hoch mit Brennholz u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;tauet gewe&#x017F;en war. Glu&#x0364;cklicher Wei&#x017F;e hatte<lb/>
das Siegel der&#x017F;elben, das auch auf dem Con-<lb/>
noi&#x017F;&#x017F;ement abgedruckt war, keinen Schaden<lb/>
gelitten. Aber zugleich kam es uns wunder-<lb/>
lich vor, daß die Ki&#x017F;te, beim Heben und<lb/>
Schu&#x0364;tteln der&#x017F;elben, &#x017F;ich gar nicht &#x017F;o anließ,<lb/>
als ob Sachen von der angegebenen Art darin<lb/>
enthalten &#x017F;eyn ko&#x0364;nnten. Die&#x017F;er Verdacht<lb/>
ward dem Fi&#x017F;cal unter der Hand ge&#x017F;teckt.<lb/>
Er kam &#x017F;elb&#x017F;t an Bord; u&#x0364;berzeugte &#x017F;ich von<lb/>
der Richtigkeit des Connoi&#x017F;&#x017F;ements und der<lb/>
Unver&#x017F;ehrtheit des Siegels, und da der Jude<lb/>
ein armer Teufel war, dem &#x017F;ich mit einer<lb/>
Geld&#x017F;trafe nichts anhaben ließ: &#x017F;o &#x017F;ollte er,<lb/>
wie es in aller Welt Brauch i&#x017F;t, fu&#x0364;r den ver-<lb/>
&#x017F;uchten Betrug mit &#x017F;einer Haut bezahlen.</p><lb/>
        <p>Zufo&#x0364;rder&#x017F;t ward ihm gemeldet, daß &#x017F;ein<lb/>
Eigenthum wieder zum Vor&#x017F;chein gekommen<lb/>
&#x017F;ey und von ihm al&#x017F;o gleich am Bord in Em-<lb/>
pfang genommen werden ko&#x0364;nne. Sein Er-<lb/>
&#x017F;chrecken u&#x0364;ber die&#x017F;e Rachricht war drollig<lb/>
genug: aber dem Frieden nicht trauend, ver-<lb/>
langte er, man mo&#x0364;chte ihm die Ki&#x017F;te in Got-<lb/>
tes Namen nur an Land und in &#x017F;ein Haus<lb/>
&#x017F;chaffen; bis, auf &#x017F;eine beharrliche Weigerung,<lb/>
der Fi&#x017F;cal ihn durch zwei Reger mit Gewalt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0051] Ganz unerwartet aber fand ſich nunmehr die verwuͤnſchte Kiſte im hintern unterſten Schiffsraum wieder auf, wo ſie, durch ir- gend ein Verſehen, hoch mit Brennholz uͤber- ſtauet geweſen war. Gluͤcklicher Weiſe hatte das Siegel derſelben, das auch auf dem Con- noiſſement abgedruckt war, keinen Schaden gelitten. Aber zugleich kam es uns wunder- lich vor, daß die Kiſte, beim Heben und Schuͤtteln derſelben, ſich gar nicht ſo anließ, als ob Sachen von der angegebenen Art darin enthalten ſeyn koͤnnten. Dieſer Verdacht ward dem Fiſcal unter der Hand geſteckt. Er kam ſelbſt an Bord; uͤberzeugte ſich von der Richtigkeit des Connoiſſements und der Unverſehrtheit des Siegels, und da der Jude ein armer Teufel war, dem ſich mit einer Geldſtrafe nichts anhaben ließ: ſo ſollte er, wie es in aller Welt Brauch iſt, fuͤr den ver- ſuchten Betrug mit ſeiner Haut bezahlen. Zufoͤrderſt ward ihm gemeldet, daß ſein Eigenthum wieder zum Vorſchein gekommen ſey und von ihm alſo gleich am Bord in Em- pfang genommen werden koͤnne. Sein Er- ſchrecken uͤber dieſe Rachricht war drollig genug: aber dem Frieden nicht trauend, ver- langte er, man moͤchte ihm die Kiſte in Got- tes Namen nur an Land und in ſein Haus ſchaffen; bis, auf ſeine beharrliche Weigerung, der Fiſcal ihn durch zwei Reger mit Gewalt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/51
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/51>, abgerufen am 21.11.2024.