Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

klammert hielten, um nicht von den spülenden
Wogen mit fortgerissen zu werden. Die
Angst, mit etwas Hoffnung vermischt, machte
uns mäuschen stille: Jene aber schrieen und
wimmerten, daß die Luft davon erklang, ohne
daß wir ihnen helfen, oder sie zu uns em-
porklimmen konnten.

Die Nacht war ziemlich dunkel; auf dem
Lande lag Schnee, und rings um uns her
schäumte die Brandung; folglich war Alles
weiß, und es ließ sich nicht unterscheiden,
wie nahe oder wie fern wir dem trocknen
Ufer seyn möchten. Je länger ich indeß
meine Aufmerksamkeit hierauf spannte, desto
gewisser auch däuchtete mir's, daß beim
Rücklauf der Wellen nur ein kleiner Zwi-
schenraum bis zum Lande statt finden könne.
Jch nahm einen Zeitpunkt wahr, wo das
Verdeck nach vorne frei vom Wasser war,
und kroch an dem langen Bugspriet hinan,
das nach dem Strande hin gerichtet stand;
da sah ich nun deutlich, daß jedesmal, wenn
die See zurücktrat, das Ufer kaum eine
Schiffslänge von uns entfernt blieb.

Jetzt schien mir unsre Rettung länger
nicht unmöglich. Jch nahm behutsam den
Rückweg zu meinen Gefährten; theilte ihnen
meine glückliche Entdeckung mit und sprach
ihnen Muth ein, mir nach auf das Bug-

klammert hielten, um nicht von den ſpuͤlenden
Wogen mit fortgeriſſen zu werden. Die
Angſt, mit etwas Hoffnung vermiſcht, machte
uns maͤuschen ſtille: Jene aber ſchrieen und
wimmerten, daß die Luft davon erklang, ohne
daß wir ihnen helfen, oder ſie zu uns em-
porklimmen konnten.

Die Nacht war ziemlich dunkel; auf dem
Lande lag Schnee, und rings um uns her
ſchaͤumte die Brandung; folglich war Alles
weiß, und es ließ ſich nicht unterſcheiden,
wie nahe oder wie fern wir dem trocknen
Ufer ſeyn moͤchten. Je laͤnger ich indeß
meine Aufmerkſamkeit hierauf ſpannte, deſto
gewiſſer auch daͤuchtete mir’s, daß beim
Ruͤcklauf der Wellen nur ein kleiner Zwi-
ſchenraum bis zum Lande ſtatt finden koͤnne.
Jch nahm einen Zeitpunkt wahr, wo das
Verdeck nach vorne frei vom Waſſer war,
und kroch an dem langen Bugſpriet hinan,
das nach dem Strande hin gerichtet ſtand;
da ſah ich nun deutlich, daß jedesmal, wenn
die See zuruͤcktrat, das Ufer kaum eine
Schiffslaͤnge von uns entfernt blieb.

Jetzt ſchien mir unſre Rettung laͤnger
nicht unmoͤglich. Jch nahm behutſam den
Ruͤckweg zu meinen Gefaͤhrten; theilte ihnen
meine gluͤckliche Entdeckung mit und ſprach
ihnen Muth ein, mir nach auf das Bug-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="67"/>
klammert hielten, um nicht von den &#x017F;pu&#x0364;lenden<lb/>
Wogen mit fortgeri&#x017F;&#x017F;en zu werden. Die<lb/>
Ang&#x017F;t, mit etwas Hoffnung vermi&#x017F;cht, machte<lb/>
uns ma&#x0364;uschen &#x017F;tille: Jene aber &#x017F;chrieen und<lb/>
wimmerten, daß die Luft davon erklang, ohne<lb/>
daß wir ihnen helfen, oder &#x017F;ie zu uns em-<lb/>
porklimmen konnten.</p><lb/>
        <p>Die Nacht war ziemlich dunkel; auf dem<lb/>
Lande lag Schnee, und rings um uns her<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;umte die Brandung; folglich war Alles<lb/>
weiß, und es ließ &#x017F;ich nicht unter&#x017F;cheiden,<lb/>
wie nahe oder wie fern wir dem trocknen<lb/>
Ufer &#x017F;eyn mo&#x0364;chten. Je la&#x0364;nger ich indeß<lb/>
meine Aufmerk&#x017F;amkeit hierauf &#x017F;pannte, de&#x017F;to<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;er auch da&#x0364;uchtete mir&#x2019;s, daß beim<lb/>
Ru&#x0364;cklauf der Wellen nur ein kleiner Zwi-<lb/>
&#x017F;chenraum bis zum Lande &#x017F;tatt finden ko&#x0364;nne.<lb/>
Jch nahm einen Zeitpunkt wahr, wo das<lb/>
Verdeck nach vorne frei vom Wa&#x017F;&#x017F;er war,<lb/>
und kroch an dem langen Bug&#x017F;priet hinan,<lb/>
das nach dem Strande hin gerichtet &#x017F;tand;<lb/>
da &#x017F;ah ich nun deutlich, daß jedesmal, wenn<lb/>
die See zuru&#x0364;cktrat, das Ufer kaum eine<lb/>
Schiffsla&#x0364;nge von uns entfernt blieb.</p><lb/>
        <p>Jetzt &#x017F;chien mir un&#x017F;re Rettung la&#x0364;nger<lb/>
nicht unmo&#x0364;glich. Jch nahm behut&#x017F;am den<lb/>
Ru&#x0364;ckweg zu meinen Gefa&#x0364;hrten; theilte ihnen<lb/>
meine glu&#x0364;ckliche Entdeckung mit und &#x017F;prach<lb/>
ihnen Muth ein, mir nach auf das Bug-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0083] klammert hielten, um nicht von den ſpuͤlenden Wogen mit fortgeriſſen zu werden. Die Angſt, mit etwas Hoffnung vermiſcht, machte uns maͤuschen ſtille: Jene aber ſchrieen und wimmerten, daß die Luft davon erklang, ohne daß wir ihnen helfen, oder ſie zu uns em- porklimmen konnten. Die Nacht war ziemlich dunkel; auf dem Lande lag Schnee, und rings um uns her ſchaͤumte die Brandung; folglich war Alles weiß, und es ließ ſich nicht unterſcheiden, wie nahe oder wie fern wir dem trocknen Ufer ſeyn moͤchten. Je laͤnger ich indeß meine Aufmerkſamkeit hierauf ſpannte, deſto gewiſſer auch daͤuchtete mir’s, daß beim Ruͤcklauf der Wellen nur ein kleiner Zwi- ſchenraum bis zum Lande ſtatt finden koͤnne. Jch nahm einen Zeitpunkt wahr, wo das Verdeck nach vorne frei vom Waſſer war, und kroch an dem langen Bugſpriet hinan, das nach dem Strande hin gerichtet ſtand; da ſah ich nun deutlich, daß jedesmal, wenn die See zuruͤcktrat, das Ufer kaum eine Schiffslaͤnge von uns entfernt blieb. Jetzt ſchien mir unſre Rettung laͤnger nicht unmoͤglich. Jch nahm behutſam den Ruͤckweg zu meinen Gefaͤhrten; theilte ihnen meine gluͤckliche Entdeckung mit und ſprach ihnen Muth ein, mir nach auf das Bug-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/83
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/83>, abgerufen am 21.11.2024.