weg antreten wollte, dahin zu vermögen, daß er uns einen Platz an seinem Borde ge- stattete. Auf seine ausweichende Antwort, die uns wenig Hoffnung übrig ließ, hielten wir's für das Gerathenste, auf der Stelle unsern großmüthigen Gönner, den Drosten, anzutreten und ihm unser neues Anliegen vorzutragen. Sogleich auch war er zur Vermittelung bereit; ließ den Schiffer ru- fen; verdung uns ihm als Passagiere bis Haarlingen und an seinen eignen Tisch, wie lang oder kurz die Ueberfahrt auch währen möchte, und berichtigte die Kosten mit funf- zehn Gulden vor unsern Augen. Es ver- steht sich, daß wir ihm aus Herzensgrunde und mit weinenden Augen dankten, indem wir zugleich Abschied von ihm nahmen, um mit unserm Schiffer zu gehen. Diesem hal- fen wir vergnügt löschen und eine neue La- dung einnehmen; und so konnten wir schon nach 48 Stunden mit ihm vom Schelling absegeln.
Wir brauchten einen Tag und beinahe die ganze folgende Nacht, um uns durch das Eis zu arbeiten, bis wir mit dem Morgen vor Haarlingen anlegten. Hier nahmen wir sofort unser kleines Bündel auf den Arm, und waren im Begriff, längs dem Kai zum nächsten Thore hinauszuziehen, als wir zu-
weg antreten wollte, dahin zu vermoͤgen, daß er uns einen Platz an ſeinem Borde ge- ſtattete. Auf ſeine ausweichende Antwort, die uns wenig Hoffnung uͤbrig ließ, hielten wir’s fuͤr das Gerathenſte, auf der Stelle unſern großmuͤthigen Goͤnner, den Droſten, anzutreten und ihm unſer neues Anliegen vorzutragen. Sogleich auch war er zur Vermittelung bereit; ließ den Schiffer ru- fen; verdung uns ihm als Paſſagiere bis Haarlingen und an ſeinen eignen Tiſch, wie lang oder kurz die Ueberfahrt auch waͤhren moͤchte, und berichtigte die Koſten mit funf- zehn Gulden vor unſern Augen. Es ver- ſteht ſich, daß wir ihm aus Herzensgrunde und mit weinenden Augen dankten, indem wir zugleich Abſchied von ihm nahmen, um mit unſerm Schiffer zu gehen. Dieſem hal- fen wir vergnuͤgt loͤſchen und eine neue La- dung einnehmen; und ſo konnten wir ſchon nach 48 Stunden mit ihm vom Schelling abſegeln.
Wir brauchten einen Tag und beinahe die ganze folgende Nacht, um uns durch das Eis zu arbeiten, bis wir mit dem Morgen vor Haarlingen anlegten. Hier nahmen wir ſofort unſer kleines Buͤndel auf den Arm, und waren im Begriff, laͤngs dem Kai zum naͤchſten Thore hinauszuziehen, als wir zu-
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weg antreten wollte, dahin zu vermoͤgen,
daß er uns einen Platz an ſeinem Borde ge-
ſtattete. Auf ſeine ausweichende Antwort,
die uns wenig Hoffnung uͤbrig ließ, hielten
wir’s fuͤr das Gerathenſte, auf der Stelle
unſern großmuͤthigen Goͤnner, den Droſten,
anzutreten und ihm unſer neues Anliegen
vorzutragen. Sogleich auch war er zur
Vermittelung bereit; ließ den Schiffer ru-
fen; verdung uns ihm als Paſſagiere bis
Haarlingen und an ſeinen eignen Tiſch, wie
lang oder kurz die Ueberfahrt auch waͤhren
moͤchte, und berichtigte die Koſten mit funf-
zehn Gulden vor unſern Augen. Es ver-
ſteht ſich, daß wir ihm aus Herzensgrunde
und mit weinenden Augen dankten, indem
wir zugleich Abſchied von ihm nahmen, um
mit unſerm Schiffer zu gehen. Dieſem hal-
fen wir vergnuͤgt loͤſchen und eine neue La-
dung einnehmen; und ſo konnten wir ſchon
nach 48 Stunden mit ihm vom Schelling
abſegeln.
Wir brauchten einen Tag und beinahe
die ganze folgende Nacht, um uns durch das
Eis zu arbeiten, bis wir mit dem Morgen
vor Haarlingen anlegten. Hier nahmen wir
ſofort unſer kleines Buͤndel auf den Arm,
und waren im Begriff, laͤngs dem Kai zum
naͤchſten Thore hinauszuziehen, als wir zu-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/88>, abgerufen am 21.11.2024.
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