nur schwer entschliessen, uns das Valet zu geben. Noch drückte er uns beim Abschiede zwei holländische Dukaten in die Hände; wir aber schieden mit Thränen der Dankbar- keit von diesem Ehrenmanne, und gelangten Abends wohlbehalten nach Leuwaarden, wo wir übernachteten.
Die nächste Tagereise brachte uns spät in der Dunkelheit nach Dockum: aber es wollte uns nicht gelingen, hier eine Her- berge zu finden. Ueberall, wo wir anklopf- ten, beleuchtete man uns sorgfältig von allen Seiten und zog dann die Thüre uns vor der Nase in's Schloß, mit einem frostigen: "Geht weiter mit Gott!" -- Es war eine kalte stürmische Nacht: wir irrten umher und jammerten, bis wir endlich bei einem Hinterhause an einen Stall geriethen, wo ein Knecht noch den Dünger auskehrte. Ver- gebens klagten wir auch Diesem unser Leid, und baten ihn, uns die Nacht in seinen warmen Stall aufzunehmen: er fürchtete, sich dadurch Scheltworte bei seinem Herrn zu verdienen, und uns blieb zuletzt nichts übrig, als uns hinter einer Scheune, zu- nächst dem Thore, wo es etwas Ueberwind gab, zusammen zu kauern und uns recht herzlich satt zu weinen. Hatten wir eine Weile gesessen, so sprangen wir wieder auf
nur ſchwer entſchlieſſen, uns das Valet zu geben. Noch druͤckte er uns beim Abſchiede zwei hollaͤndiſche Dukaten in die Haͤnde; wir aber ſchieden mit Thraͤnen der Dankbar- keit von dieſem Ehrenmanne, und gelangten Abends wohlbehalten nach Leuwaarden, wo wir uͤbernachteten.
Die naͤchſte Tagereiſe brachte uns ſpaͤt in der Dunkelheit nach Dockum: aber es wollte uns nicht gelingen, hier eine Her- berge zu finden. Ueberall, wo wir anklopf- ten, beleuchtete man uns ſorgfaͤltig von allen Seiten und zog dann die Thuͤre uns vor der Naſe in’s Schloß, mit einem froſtigen: „Geht weiter mit Gott!‟ — Es war eine kalte ſtuͤrmiſche Nacht: wir irrten umher und jammerten, bis wir endlich bei einem Hinterhauſe an einen Stall geriethen, wo ein Knecht noch den Duͤnger auskehrte. Ver- gebens klagten wir auch Dieſem unſer Leid, und baten ihn, uns die Nacht in ſeinen warmen Stall aufzunehmen: er fuͤrchtete, ſich dadurch Scheltworte bei ſeinem Herrn zu verdienen, und uns blieb zuletzt nichts uͤbrig, als uns hinter einer Scheune, zu- naͤchſt dem Thore, wo es etwas Ueberwind gab, zuſammen zu kauern und uns recht herzlich ſatt zu weinen. Hatten wir eine Weile geſeſſen, ſo ſprangen wir wieder auf
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nur ſchwer entſchlieſſen, uns das Valet zu
geben. Noch druͤckte er uns beim Abſchiede
zwei hollaͤndiſche Dukaten in die Haͤnde;
wir aber ſchieden mit Thraͤnen der Dankbar-
keit von dieſem Ehrenmanne, und gelangten
Abends wohlbehalten nach Leuwaarden, wo
wir uͤbernachteten.
Die naͤchſte Tagereiſe brachte uns ſpaͤt
in der Dunkelheit nach Dockum: aber es
wollte uns nicht gelingen, hier eine Her-
berge zu finden. Ueberall, wo wir anklopf-
ten, beleuchtete man uns ſorgfaͤltig von allen
Seiten und zog dann die Thuͤre uns vor
der Naſe in’s Schloß, mit einem froſtigen:
„Geht weiter mit Gott!‟ — Es war eine
kalte ſtuͤrmiſche Nacht: wir irrten umher
und jammerten, bis wir endlich bei einem
Hinterhauſe an einen Stall geriethen, wo
ein Knecht noch den Duͤnger auskehrte. Ver-
gebens klagten wir auch Dieſem unſer Leid,
und baten ihn, uns die Nacht in ſeinen
warmen Stall aufzunehmen: er fuͤrchtete,
ſich dadurch Scheltworte bei ſeinem Herrn
zu verdienen, und uns blieb zuletzt nichts
uͤbrig, als uns hinter einer Scheune, zu-
naͤchſt dem Thore, wo es etwas Ueberwind
gab, zuſammen zu kauern und uns recht
herzlich ſatt zu weinen. Hatten wir eine
Weile geſeſſen, ſo ſprangen wir wieder auf
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/93>, abgerufen am 21.11.2024.
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