Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

nach dieser Familie an, die den Vater als
einen halben Narren bezeichneten, von der
Mutter auch eben nicht sonderlich viel Gu-
tes zu rühmen wußten, aber der Tochter
das Zeugniß eines gutartigen lieben Ge-
schöpfes, doch ohne Bildung und feinere
Sitten, beilegten.

Nun wußte ich, daß die reichen Brüder
in Suriname ohne Kinder waren; und ich
kannte sie als so rechtliche Leute, daß ich
ihnen mit Gewißheit zutrauen durfte, sie
würden gerne bereit seyn, etwas für ihre
arme Verwandte zu thun, sobald sie mit
der bedrängten Lage derselben bekannt wä-
ren. Kurz, es ließ mir keinen Frieden,
bis ich wieder der gutherzige Thor gewor-
den, der es nicht lassen konnte, sich in an-
drer Leute Händel zu mischen, sobald er
glaubte, daß es zu irgend etwas Guten
führen könne. Jch setzte mich also hin;
schrieb an jene Herren in Suriname, wie
ich zufälliger Weise mit ihrem Bruder be-
kannt geworden, und überließ es ihrem Er-
messen, ob sie die dürftige Lage der Familie
nicht in etwas erleichtern wollten?

Der Brief gieng über Holland an seine
Bestimmung ab. Da es jedoch leicht Jahr
und Tag dauern konnte, bevor eine Ant-
wort darauf zu erwarten war, so nahm ich
mich denn derweile der Leutchen an, so gut

ich

nach dieſer Familie an, die den Vater als
einen halben Narren bezeichneten, von der
Mutter auch eben nicht ſonderlich viel Gu-
tes zu ruͤhmen wußten, aber der Tochter
das Zeugniß eines gutartigen lieben Ge-
ſchoͤpfes, doch ohne Bildung und feinere
Sitten, beilegten.

Nun wußte ich, daß die reichen Bruͤder
in Suriname ohne Kinder waren; und ich
kannte ſie als ſo rechtliche Leute, daß ich
ihnen mit Gewißheit zutrauen durfte, ſie
wuͤrden gerne bereit ſeyn, etwas fuͤr ihre
arme Verwandte zu thun, ſobald ſie mit
der bedraͤngten Lage derſelben bekannt waͤ-
ren. Kurz, es ließ mir keinen Frieden,
bis ich wieder der gutherzige Thor gewor-
den, der es nicht laſſen konnte, ſich in an-
drer Leute Haͤndel zu miſchen, ſobald er
glaubte, daß es zu irgend etwas Guten
fuͤhren koͤnne. Jch ſetzte mich alſo hin;
ſchrieb an jene Herren in Suriname, wie
ich zufaͤlliger Weiſe mit ihrem Bruder be-
kannt geworden, und uͤberließ es ihrem Er-
meſſen, ob ſie die duͤrftige Lage der Familie
nicht in etwas erleichtern wollten?

Der Brief gieng uͤber Holland an ſeine
Beſtimmung ab. Da es jedoch leicht Jahr
und Tag dauern konnte, bevor eine Ant-
wort darauf zu erwarten war, ſo nahm ich
mich denn derweile der Leutchen an, ſo gut

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0100" n="96"/>
nach die&#x017F;er Familie an, die den Vater als<lb/>
einen halben Narren bezeichneten, von der<lb/>
Mutter auch eben nicht &#x017F;onderlich viel Gu-<lb/>
tes zu ru&#x0364;hmen wußten, aber der Tochter<lb/>
das Zeugniß eines gutartigen lieben Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfes, doch ohne Bildung und feinere<lb/>
Sitten, beilegten.</p><lb/>
        <p>Nun wußte ich, daß die reichen Bru&#x0364;der<lb/>
in Suriname ohne Kinder waren; und ich<lb/>
kannte &#x017F;ie als &#x017F;o rechtliche Leute, daß ich<lb/>
ihnen mit Gewißheit zutrauen durfte, &#x017F;ie<lb/>
wu&#x0364;rden gerne bereit &#x017F;eyn, etwas fu&#x0364;r ihre<lb/>
arme Verwandte zu thun, &#x017F;obald &#x017F;ie mit<lb/>
der bedra&#x0364;ngten Lage der&#x017F;elben bekannt wa&#x0364;-<lb/>
ren. Kurz, es ließ mir keinen Frieden,<lb/>
bis ich wieder der gutherzige Thor gewor-<lb/>
den, der es nicht la&#x017F;&#x017F;en konnte, &#x017F;ich in an-<lb/>
drer Leute Ha&#x0364;ndel zu mi&#x017F;chen, &#x017F;obald er<lb/>
glaubte, daß es zu irgend etwas Guten<lb/>
fu&#x0364;hren ko&#x0364;nne. Jch &#x017F;etzte mich al&#x017F;o hin;<lb/>
&#x017F;chrieb an jene Herren in Suriname, wie<lb/>
ich zufa&#x0364;lliger Wei&#x017F;e mit ihrem Bruder be-<lb/>
kannt geworden, und u&#x0364;berließ es ihrem Er-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;en, ob &#x017F;ie die du&#x0364;rftige Lage der Familie<lb/>
nicht in etwas erleichtern wollten?</p><lb/>
        <p>Der Brief gieng u&#x0364;ber Holland an &#x017F;eine<lb/>
Be&#x017F;timmung ab. Da es jedoch leicht Jahr<lb/>
und Tag dauern konnte, bevor eine Ant-<lb/>
wort darauf zu erwarten war, &#x017F;o nahm ich<lb/>
mich denn derweile der Leutchen an, &#x017F;o gut<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0100] nach dieſer Familie an, die den Vater als einen halben Narren bezeichneten, von der Mutter auch eben nicht ſonderlich viel Gu- tes zu ruͤhmen wußten, aber der Tochter das Zeugniß eines gutartigen lieben Ge- ſchoͤpfes, doch ohne Bildung und feinere Sitten, beilegten. Nun wußte ich, daß die reichen Bruͤder in Suriname ohne Kinder waren; und ich kannte ſie als ſo rechtliche Leute, daß ich ihnen mit Gewißheit zutrauen durfte, ſie wuͤrden gerne bereit ſeyn, etwas fuͤr ihre arme Verwandte zu thun, ſobald ſie mit der bedraͤngten Lage derſelben bekannt waͤ- ren. Kurz, es ließ mir keinen Frieden, bis ich wieder der gutherzige Thor gewor- den, der es nicht laſſen konnte, ſich in an- drer Leute Haͤndel zu miſchen, ſobald er glaubte, daß es zu irgend etwas Guten fuͤhren koͤnne. Jch ſetzte mich alſo hin; ſchrieb an jene Herren in Suriname, wie ich zufaͤlliger Weiſe mit ihrem Bruder be- kannt geworden, und uͤberließ es ihrem Er- meſſen, ob ſie die duͤrftige Lage der Familie nicht in etwas erleichtern wollten? Der Brief gieng uͤber Holland an ſeine Beſtimmung ab. Da es jedoch leicht Jahr und Tag dauern konnte, bevor eine Ant- wort darauf zu erwarten war, ſo nahm ich mich denn derweile der Leutchen an, ſo gut ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/100
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/100>, abgerufen am 21.11.2024.