ihr Vater den wunderlichen Einfall gehabt, sich den Titel als Licent-Rath zu kaufen, und daß er Dieses und Jenes treibe, was man ihm zugute halten müsse. Jene Standeser- höhung hatte er ihr wohlweislich verschwie- gen; und sie konnte nicht umhin, recht herz- lich darüber zu lachen; bis sie denn endlich hinzusetzte: "Ei, und warum auch nicht? Laßt doch dem alten Manne die närrische Puppe!"
Jetzt dünkte mir's Zeit, wieder aufzu- brechen: aber ich ward mit liebreichem Un- gestüm zurückgehalten. Vergebens suchte ich mich mit meinen Verhältnissen, als Ober- Steuermann, zu entschuldigen, die keine gar zu lange Entfernung vom Schiffe zuliessen. Doch auch dem wußten sie zu begegnen, in- dem sie nach meinem Kapitain aussandten und ihn gleichfalls freundlich zur Tafel ein- luden. Dieser, der aus meinen früheren Unterhaltungen wußte, was für eine Erken- nungs-Scene mich am Lande erwartete, schlug es nicht aus, zu erscheinen; und seine Ge- genwart diente nur dazu, unser geselliges Vergnügen noch zu erhöhen.
Unter dem lebhaftesten Hin- und Herfra- gen, bemerkte endlich Frau van Roosen, daß auf den Sklavenschiffen oftmals einige Ver- legenheit um die Herbeischaffung frischer Mundvorräthe zu entstehen pflege. Diese für uns zu beseitigen, würde sie Befehl stel-
ihr Vater den wunderlichen Einfall gehabt, ſich den Titel als Licent-Rath zu kaufen, und daß er Dieſes und Jenes treibe, was man ihm zugute halten muͤſſe. Jene Standeser- hoͤhung hatte er ihr wohlweislich verſchwie- gen; und ſie konnte nicht umhin, recht herz- lich daruͤber zu lachen; bis ſie denn endlich hinzuſetzte: „Ei, und warum auch nicht? Laßt doch dem alten Manne die naͤrriſche Puppe!‟
Jetzt duͤnkte mir’s Zeit, wieder aufzu- brechen: aber ich ward mit liebreichem Un- geſtuͤm zuruͤckgehalten. Vergebens ſuchte ich mich mit meinen Verhaͤltniſſen, als Ober- Steuermann, zu entſchuldigen, die keine gar zu lange Entfernung vom Schiffe zulieſſen. Doch auch dem wußten ſie zu begegnen, in- dem ſie nach meinem Kapitain ausſandten und ihn gleichfalls freundlich zur Tafel ein- luden. Dieſer, der aus meinen fruͤheren Unterhaltungen wußte, was fuͤr eine Erken- nungs-Scene mich am Lande erwartete, ſchlug es nicht aus, zu erſcheinen; und ſeine Ge- genwart diente nur dazu, unſer geſelliges Vergnuͤgen noch zu erhoͤhen.
Unter dem lebhafteſten Hin- und Herfra- gen, bemerkte endlich Frau van Rooſen, daß auf den Sklavenſchiffen oftmals einige Ver- legenheit um die Herbeiſchaffung friſcher Mundvorraͤthe zu entſtehen pflege. Dieſe fuͤr uns zu beſeitigen, wuͤrde ſie Befehl ſtel-
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ihr Vater den wunderlichen Einfall gehabt,
ſich den Titel als Licent-Rath zu kaufen, und
daß er Dieſes und Jenes treibe, was man
ihm zugute halten muͤſſe. Jene Standeser-
hoͤhung hatte er ihr wohlweislich verſchwie-
gen; und ſie konnte nicht umhin, recht herz-
lich daruͤber zu lachen; bis ſie denn endlich
hinzuſetzte: „Ei, und warum auch nicht? Laßt
doch dem alten Manne die naͤrriſche Puppe!‟
Jetzt duͤnkte mir’s Zeit, wieder aufzu-
brechen: aber ich ward mit liebreichem Un-
geſtuͤm zuruͤckgehalten. Vergebens ſuchte ich
mich mit meinen Verhaͤltniſſen, als Ober-
Steuermann, zu entſchuldigen, die keine gar
zu lange Entfernung vom Schiffe zulieſſen.
Doch auch dem wußten ſie zu begegnen, in-
dem ſie nach meinem Kapitain ausſandten
und ihn gleichfalls freundlich zur Tafel ein-
luden. Dieſer, der aus meinen fruͤheren
Unterhaltungen wußte, was fuͤr eine Erken-
nungs-Scene mich am Lande erwartete, ſchlug
es nicht aus, zu erſcheinen; und ſeine Ge-
genwart diente nur dazu, unſer geſelliges
Vergnuͤgen noch zu erhoͤhen.
Unter dem lebhafteſten Hin- und Herfra-
gen, bemerkte endlich Frau van Rooſen, daß
auf den Sklavenſchiffen oftmals einige Ver-
legenheit um die Herbeiſchaffung friſcher
Mundvorraͤthe zu entſtehen pflege. Dieſe
fuͤr uns zu beſeitigen, wuͤrde ſie Befehl ſtel-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/107>, abgerufen am 20.07.2024.
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