ständig und für immer gebüßt. Diese Ver- hältnisse und Lebensweise waren nicht für meinen nüchternen deutschen Sinn gemacht. Schwerlich auch kann man sich eine Vor- stellung davon machen, wie rauh und un- gefügig es auf den Schiffen dieser Na- tion hergeht. Da ist keine Ehre und kein Respect; man hört nichts anders, als "Goddam!" und brutale Reden ohne Zahl. Alles, vom geringsten Matrosen an, ist gegen die Officiere im Widerspruch; wie- wohl ich nicht zweifle, daß sie dennoch, wenn es irgend zum Schlagen kömmt, unter einander einig und brav sind. Von der nöthigen Ordnung hab' ich übrigens auf diesen Schiffen nur wenig verspürt. Selbst Essen und Trinken hat keine bestimmte Zeit. Nicht selten hängt ein gekochtes Stück Fleisch von 10 bis 20 Pfund am Mast, wo- von sich ein Jeder abschneidet, wann und wieviel er will. Zu beiden Seiten daneben steht das Brodt-Faß und das Gefäß mit Grog, (Wasser mit etwas Rum vermischt) um die offne Tafel vollständig zu machen. Dies Leben gieng mir denn freilich auf die Länge zu bitter ein. Jch bat um meine Ent- lassung, erhielt sie, und begab mich, wenige Wochen nach meiner Heimkehr, nach Amster- dam herüber.
ſtaͤndig und fuͤr immer gebuͤßt. Dieſe Ver- haͤltniſſe und Lebensweiſe waren nicht fuͤr meinen nuͤchternen deutſchen Sinn gemacht. Schwerlich auch kann man ſich eine Vor- ſtellung davon machen, wie rauh und un- gefuͤgig es auf den Schiffen dieſer Na- tion hergeht. Da iſt keine Ehre und kein Reſpect; man hoͤrt nichts anders, als „Goddam!‟ und brutale Reden ohne Zahl. Alles, vom geringſten Matroſen an, iſt gegen die Officiere im Widerſpruch; wie- wohl ich nicht zweifle, daß ſie dennoch, wenn es irgend zum Schlagen koͤmmt, unter einander einig und brav ſind. Von der noͤthigen Ordnung hab’ ich uͤbrigens auf dieſen Schiffen nur wenig verſpuͤrt. Selbſt Eſſen und Trinken hat keine beſtimmte Zeit. Nicht ſelten haͤngt ein gekochtes Stuͤck Fleiſch von 10 bis 20 Pfund am Maſt, wo- von ſich ein Jeder abſchneidet, wann und wieviel er will. Zu beiden Seiten daneben ſteht das Brodt-Faß und das Gefaͤß mit Grog, (Waſſer mit etwas Rum vermiſcht) um die offne Tafel vollſtaͤndig zu machen. Dies Leben gieng mir denn freilich auf die Laͤnge zu bitter ein. Jch bat um meine Ent- laſſung, erhielt ſie, und begab mich, wenige Wochen nach meiner Heimkehr, nach Amſter- dam heruͤber.
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ſtaͤndig und fuͤr immer gebuͤßt. Dieſe Ver-
haͤltniſſe und Lebensweiſe waren nicht fuͤr
meinen nuͤchternen deutſchen Sinn gemacht.
Schwerlich auch kann man ſich eine Vor-
ſtellung davon machen, wie rauh und un-
gefuͤgig es auf den Schiffen dieſer Na-
tion hergeht. Da iſt keine Ehre und kein
Reſpect; man hoͤrt nichts anders, als
„Goddam!‟ und brutale Reden ohne Zahl.
Alles, vom geringſten Matroſen an, iſt
gegen die Officiere im Widerſpruch; wie-
wohl ich nicht zweifle, daß ſie dennoch,
wenn es irgend zum Schlagen koͤmmt,
unter einander einig und brav ſind. Von
der noͤthigen Ordnung hab’ ich uͤbrigens
auf dieſen Schiffen nur wenig verſpuͤrt.
Selbſt Eſſen und Trinken hat keine beſtimmte
Zeit. Nicht ſelten haͤngt ein gekochtes Stuͤck
Fleiſch von 10 bis 20 Pfund am Maſt, wo-
von ſich ein Jeder abſchneidet, wann und
wieviel er will. Zu beiden Seiten daneben
ſteht das Brodt-Faß und das Gefaͤß mit
Grog, (Waſſer mit etwas Rum vermiſcht)
um die offne Tafel vollſtaͤndig zu machen.
Dies Leben gieng mir denn freilich auf die
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/118>, abgerufen am 24.11.2024.
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