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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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messer zu liefern. Jch ward aber nicht
bloß geschoren, sondern auch daneben so
kunstmäßig ausgefragt, daß mir die Noth
und das Elend, worinn ich mit meinem gar
nicht mehr zu ernüchternden Schiffsvolke
steckte, gar bald in lauter Klage über die
Lippen trat. Vor allen erwähnt' ich zweier
Kerle, die sich im eigentlichen Sinne rasend
gesoffen zu haben schienen und ganz, wie
von Sinn und Verstand gekommen wären. --
"Nun, der Verstand wäre ihnen wohl leicht
wieder einzutrichtern;" versetzte der Barbier
mit einer schlauen Miene -- "wenn ihnen
nur zuvor der Unverstand und die tollen Af-
fecten hinlänglich abgezapft worden." -- Er
meynte nemlich, (wie er sich darüber, auf
mein Befragen näher erklärte) ein tüchtiger
Aderlaß, bis zur Ohnmacht, sollte diese be-
stialische Tollheit, wenn sie bloß im Soff ihren
Grund hatte, schon zur Ordnung bringen.

Zwar nahm ich von diesem medicinischen
Gutachten keine weitere Notiz: doch als ich
am andern Morgen wieder an Land wollte,
um die gedungenen Leute an Bord zu neh-
men, fiel mir der Barbier und sein Heil-
mittel wieder ein. Mag es den Versuch
gelten! dacht' ich, und wandte mich in un-
befangener Vertraulichkeit an die beiden Toll-
häusler, die mir eben auf dem Verdeck in
den Wurf kamen: "Hört, Kinder, ich will

meſſer zu liefern. Jch ward aber nicht
bloß geſchoren, ſondern auch daneben ſo
kunſtmaͤßig ausgefragt, daß mir die Noth
und das Elend, worinn ich mit meinem gar
nicht mehr zu ernuͤchternden Schiffsvolke
ſteckte, gar bald in lauter Klage uͤber die
Lippen trat. Vor allen erwaͤhnt’ ich zweier
Kerle, die ſich im eigentlichen Sinne raſend
geſoffen zu haben ſchienen und ganz, wie
von Sinn und Verſtand gekommen waͤren. —
„Nun, der Verſtand waͤre ihnen wohl leicht
wieder einzutrichtern;‟ verſetzte der Barbier
mit einer ſchlauen Miene — „wenn ihnen
nur zuvor der Unverſtand und die tollen Af-
fecten hinlaͤnglich abgezapft worden.‟ — Er
meynte nemlich, (wie er ſich daruͤber, auf
mein Befragen naͤher erklaͤrte) ein tuͤchtiger
Aderlaß, bis zur Ohnmacht, ſollte dieſe be-
ſtialiſche Tollheit, wenn ſie bloß im Soff ihren
Grund hatte, ſchon zur Ordnung bringen.

Zwar nahm ich von dieſem mediciniſchen
Gutachten keine weitere Notiz: doch als ich
am andern Morgen wieder an Land wollte,
um die gedungenen Leute an Bord zu neh-
men, fiel mir der Barbier und ſein Heil-
mittel wieder ein. Mag es den Verſuch
gelten! dacht’ ich, und wandte mich in un-
befangener Vertraulichkeit an die beiden Toll-
haͤusler, die mir eben auf dem Verdeck in
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[158/0162] meſſer zu liefern. Jch ward aber nicht bloß geſchoren, ſondern auch daneben ſo kunſtmaͤßig ausgefragt, daß mir die Noth und das Elend, worinn ich mit meinem gar nicht mehr zu ernuͤchternden Schiffsvolke ſteckte, gar bald in lauter Klage uͤber die Lippen trat. Vor allen erwaͤhnt’ ich zweier Kerle, die ſich im eigentlichen Sinne raſend geſoffen zu haben ſchienen und ganz, wie von Sinn und Verſtand gekommen waͤren. — „Nun, der Verſtand waͤre ihnen wohl leicht wieder einzutrichtern;‟ verſetzte der Barbier mit einer ſchlauen Miene — „wenn ihnen nur zuvor der Unverſtand und die tollen Af- fecten hinlaͤnglich abgezapft worden.‟ — Er meynte nemlich, (wie er ſich daruͤber, auf mein Befragen naͤher erklaͤrte) ein tuͤchtiger Aderlaß, bis zur Ohnmacht, ſollte dieſe be- ſtialiſche Tollheit, wenn ſie bloß im Soff ihren Grund hatte, ſchon zur Ordnung bringen. Zwar nahm ich von dieſem mediciniſchen Gutachten keine weitere Notiz: doch als ich am andern Morgen wieder an Land wollte, um die gedungenen Leute an Bord zu neh- men, fiel mir der Barbier und ſein Heil- mittel wieder ein. Mag es den Verſuch gelten! dacht’ ich, und wandte mich in un- befangener Vertraulichkeit an die beiden Toll- haͤusler, die mir eben auf dem Verdeck in den Wurf kamen: „Hoͤrt, Kinder, ich will

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/162>, abgerufen am 21.11.2024.