nicht zu errathen vermochten; wiewohl sie ahndeten, daß man sie tiefer landeinwärts zu verkaufen gedenke. Diese Furcht endigte sich aber, als sie die Hauptstadt Marocco er- reichten, wo ein deutscher Jude, als Dol- metscher, sich zu ihnen gesellte und sie, laut erhaltenem Befehl, alsbald vor den Kaiser Muley Jsmael führte. Hier wurden sie, nach einigen gleichgültigeren Fragen, aufge- fordert, sich auszuweisen, ob sie Unterthanen des Königs von Preussen wären? -- Sie standen nicht an, zu bejahen und sich auf ihre Flagge zu berufen.
"Wohl!" lautete die, durch den Dolmet- scher ertheilte Antwort des Fürsten -- "Von euerm Monarchen, seiner Weisheit und sei- nen Kriegen sind so viele Wunderdinge zu meinen Ohren gekommen, daß es mich mit Liebe und Bewunderung gegen ihn erfüllt hat. Die Welt hat keinen größern Mann aufzuweisen, als ihn; als Freund und Bru- der hab' ich ihn in mein Herz geschlossen. Jch will darum auch nicht, daß ihr, die ihr ihm angehört, in meinen Staaten als Ge- fangene angesehen werden sollt. Vielmehr habe ich beschlossen, euch frank und frei in euer Vaterland heimzuschicken; auch meinen Kreuzern anbefohlen, wo sie Preussische Schiffe in See antreffen, ihre Flagge zu respectiren und sie selbst nach Möglichkeit zu beschützen."
nicht zu errathen vermochten; wiewohl ſie ahndeten, daß man ſie tiefer landeinwaͤrts zu verkaufen gedenke. Dieſe Furcht endigte ſich aber, als ſie die Hauptſtadt Marocco er- reichten, wo ein deutſcher Jude, als Dol- metſcher, ſich zu ihnen geſellte und ſie, laut erhaltenem Befehl, alsbald vor den Kaiſer Muley Jsmael fuͤhrte. Hier wurden ſie, nach einigen gleichguͤltigeren Fragen, aufge- fordert, ſich auszuweiſen, ob ſie Unterthanen des Koͤnigs von Preuſſen waͤren? — Sie ſtanden nicht an, zu bejahen und ſich auf ihre Flagge zu berufen.
„Wohl!‟ lautete die, durch den Dolmet- ſcher ertheilte Antwort des Fuͤrſten — „Von euerm Monarchen, ſeiner Weisheit und ſei- nen Kriegen ſind ſo viele Wunderdinge zu meinen Ohren gekommen, daß es mich mit Liebe und Bewunderung gegen ihn erfuͤllt hat. Die Welt hat keinen groͤßern Mann aufzuweiſen, als ihn; als Freund und Bru- der hab’ ich ihn in mein Herz geſchloſſen. Jch will darum auch nicht, daß ihr, die ihr ihm angehoͤrt, in meinen Staaten als Ge- fangene angeſehen werden ſollt. Vielmehr habe ich beſchloſſen, euch frank und frei in euer Vaterland heimzuſchicken; auch meinen Kreuzern anbefohlen, wo ſie Preuſſiſche Schiffe in See antreffen, ihre Flagge zu reſpectiren und ſie ſelbſt nach Moͤglichkeit zu beſchuͤtzen.‟
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nicht zu errathen vermochten; wiewohl ſie
ahndeten, daß man ſie tiefer landeinwaͤrts
zu verkaufen gedenke. Dieſe Furcht endigte
ſich aber, als ſie die Hauptſtadt Marocco er-
reichten, wo ein deutſcher Jude, als Dol-
metſcher, ſich zu ihnen geſellte und ſie, laut
erhaltenem Befehl, alsbald vor den Kaiſer
Muley Jsmael fuͤhrte. Hier wurden ſie,
nach einigen gleichguͤltigeren Fragen, aufge-
fordert, ſich auszuweiſen, ob ſie Unterthanen
des Koͤnigs von Preuſſen waͤren? — Sie
ſtanden nicht an, zu bejahen und ſich auf
ihre Flagge zu berufen.
„Wohl!‟ lautete die, durch den Dolmet-
ſcher ertheilte Antwort des Fuͤrſten — „Von
euerm Monarchen, ſeiner Weisheit und ſei-
nen Kriegen ſind ſo viele Wunderdinge zu
meinen Ohren gekommen, daß es mich mit
Liebe und Bewunderung gegen ihn erfuͤllt
hat. Die Welt hat keinen groͤßern Mann
aufzuweiſen, als ihn; als Freund und Bru-
der hab’ ich ihn in mein Herz geſchloſſen.
Jch will darum auch nicht, daß ihr, die ihr
ihm angehoͤrt, in meinen Staaten als Ge-
fangene angeſehen werden ſollt. Vielmehr
habe ich beſchloſſen, euch frank und frei in
euer Vaterland heimzuſchicken; auch meinen
Kreuzern anbefohlen, wo ſie Preuſſiſche Schiffe
in See antreffen, ihre Flagge zu reſpectiren
und ſie ſelbſt nach Moͤglichkeit zu beſchuͤtzen.‟
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/178>, abgerufen am 16.07.2024.
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