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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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wie zu Hause; hatte tausend unnütze Dinge
zu fragen und zu erzählen, und brachte ein
so unerschöpfliches Mundwerk zu Markte,
daß er meine Leute überall in ihren Verrich-
tungen hinderte und mir selbst dadurch über-
aus lästig und unangenehm fiel. "Satt und
genug, Alter!" fiel ich ihm endlich in die Rede --
"Euer Geplauder bringt mir mein Volk aus
dem Texte. Da geht hinein in die Com-
buse, und raucht Euer Pfeifchen in Frieden,
bis ich Euch rufen lassen werde." -- Mur-
rend that er meines Gebots; hüllte sich in
eine Schmauchwolke, und legte sich endlich
aufs Ohr, ohne zu wissen oder zu fragen,
was weiter um ihn her vorgieng.

Jnzwischen trieb, während der Nacht
und Ebbezeit, wo wir vor Anker lagen, so
ungeheuer viel Eis auf uns zu, daß wir das
Schiff kaum vor drei Kabeltauen halten konn-
ten, indem die Schollen sich immer höher
über denselben emporthürmten und auf den
Bug eindrangen, daß das Schiff vorne auf
eine bedenkliche Weise niedertauchte, und
jeden Augenblick zu erwarten stand, es werde
von den Eismassen überwältigt werden und
untergehen. Zugleich auch waren die Stöße,
die es empfieng, so heftig, daß es Mühe
kostete, auf dem Verdeck das Stehen zu be-
halten. Doch gab Gott Gnade, daß wir
uns in dieser gefährlichen Lage erhielten, bis

wie zu Hauſe; hatte tauſend unnuͤtze Dinge
zu fragen und zu erzaͤhlen, und brachte ein
ſo unerſchoͤpfliches Mundwerk zu Markte,
daß er meine Leute uͤberall in ihren Verrich-
tungen hinderte und mir ſelbſt dadurch uͤber-
aus laͤſtig und unangenehm fiel. „Satt und
genug, Alter!‟ fiel ich ihm endlich in die Rede —
„Euer Geplauder bringt mir mein Volk aus
dem Texte. Da geht hinein in die Com-
buſe, und raucht Euer Pfeifchen in Frieden,
bis ich Euch rufen laſſen werde.‟ — Mur-
rend that er meines Gebots; huͤllte ſich in
eine Schmauchwolke, und legte ſich endlich
aufs Ohr, ohne zu wiſſen oder zu fragen,
was weiter um ihn her vorgieng.

Jnzwiſchen trieb, waͤhrend der Nacht
und Ebbezeit, wo wir vor Anker lagen, ſo
ungeheuer viel Eis auf uns zu, daß wir das
Schiff kaum vor drei Kabeltauen halten konn-
ten, indem die Schollen ſich immer hoͤher
uͤber denſelben emporthuͤrmten und auf den
Bug eindrangen, daß das Schiff vorne auf
eine bedenkliche Weiſe niedertauchte, und
jeden Augenblick zu erwarten ſtand, es werde
von den Eismaſſen uͤberwaͤltigt werden und
untergehen. Zugleich auch waren die Stoͤße,
die es empfieng, ſo heftig, daß es Muͤhe
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halten. Doch gab Gott Gnade, daß wir
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[188/0192] wie zu Hauſe; hatte tauſend unnuͤtze Dinge zu fragen und zu erzaͤhlen, und brachte ein ſo unerſchoͤpfliches Mundwerk zu Markte, daß er meine Leute uͤberall in ihren Verrich- tungen hinderte und mir ſelbſt dadurch uͤber- aus laͤſtig und unangenehm fiel. „Satt und genug, Alter!‟ fiel ich ihm endlich in die Rede — „Euer Geplauder bringt mir mein Volk aus dem Texte. Da geht hinein in die Com- buſe, und raucht Euer Pfeifchen in Frieden, bis ich Euch rufen laſſen werde.‟ — Mur- rend that er meines Gebots; huͤllte ſich in eine Schmauchwolke, und legte ſich endlich aufs Ohr, ohne zu wiſſen oder zu fragen, was weiter um ihn her vorgieng. Jnzwiſchen trieb, waͤhrend der Nacht und Ebbezeit, wo wir vor Anker lagen, ſo ungeheuer viel Eis auf uns zu, daß wir das Schiff kaum vor drei Kabeltauen halten konn- ten, indem die Schollen ſich immer hoͤher uͤber denſelben emporthuͤrmten und auf den Bug eindrangen, daß das Schiff vorne auf eine bedenkliche Weiſe niedertauchte, und jeden Augenblick zu erwarten ſtand, es werde von den Eismaſſen uͤberwaͤltigt werden und untergehen. Zugleich auch waren die Stoͤße, die es empfieng, ſo heftig, daß es Muͤhe koſtete, auf dem Verdeck das Stehen zu be- halten. Doch gab Gott Gnade, daß wir uns in dieſer gefaͤhrlichen Lage erhielten, bis

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/192>, abgerufen am 24.11.2024.