wie zu Hause; hatte tausend unnütze Dinge zu fragen und zu erzählen, und brachte ein so unerschöpfliches Mundwerk zu Markte, daß er meine Leute überall in ihren Verrich- tungen hinderte und mir selbst dadurch über- aus lästig und unangenehm fiel. "Satt und genug, Alter!" fiel ich ihm endlich in die Rede -- "Euer Geplauder bringt mir mein Volk aus dem Texte. Da geht hinein in die Com- buse, und raucht Euer Pfeifchen in Frieden, bis ich Euch rufen lassen werde." -- Mur- rend that er meines Gebots; hüllte sich in eine Schmauchwolke, und legte sich endlich aufs Ohr, ohne zu wissen oder zu fragen, was weiter um ihn her vorgieng.
Jnzwischen trieb, während der Nacht und Ebbezeit, wo wir vor Anker lagen, so ungeheuer viel Eis auf uns zu, daß wir das Schiff kaum vor drei Kabeltauen halten konn- ten, indem die Schollen sich immer höher über denselben emporthürmten und auf den Bug eindrangen, daß das Schiff vorne auf eine bedenkliche Weise niedertauchte, und jeden Augenblick zu erwarten stand, es werde von den Eismassen überwältigt werden und untergehen. Zugleich auch waren die Stöße, die es empfieng, so heftig, daß es Mühe kostete, auf dem Verdeck das Stehen zu be- halten. Doch gab Gott Gnade, daß wir uns in dieser gefährlichen Lage erhielten, bis
wie zu Hauſe; hatte tauſend unnuͤtze Dinge zu fragen und zu erzaͤhlen, und brachte ein ſo unerſchoͤpfliches Mundwerk zu Markte, daß er meine Leute uͤberall in ihren Verrich- tungen hinderte und mir ſelbſt dadurch uͤber- aus laͤſtig und unangenehm fiel. „Satt und genug, Alter!‟ fiel ich ihm endlich in die Rede — „Euer Geplauder bringt mir mein Volk aus dem Texte. Da geht hinein in die Com- buſe, und raucht Euer Pfeifchen in Frieden, bis ich Euch rufen laſſen werde.‟ — Mur- rend that er meines Gebots; huͤllte ſich in eine Schmauchwolke, und legte ſich endlich aufs Ohr, ohne zu wiſſen oder zu fragen, was weiter um ihn her vorgieng.
Jnzwiſchen trieb, waͤhrend der Nacht und Ebbezeit, wo wir vor Anker lagen, ſo ungeheuer viel Eis auf uns zu, daß wir das Schiff kaum vor drei Kabeltauen halten konn- ten, indem die Schollen ſich immer hoͤher uͤber denſelben emporthuͤrmten und auf den Bug eindrangen, daß das Schiff vorne auf eine bedenkliche Weiſe niedertauchte, und jeden Augenblick zu erwarten ſtand, es werde von den Eismaſſen uͤberwaͤltigt werden und untergehen. Zugleich auch waren die Stoͤße, die es empfieng, ſo heftig, daß es Muͤhe koſtete, auf dem Verdeck das Stehen zu be- halten. Doch gab Gott Gnade, daß wir uns in dieſer gefaͤhrlichen Lage erhielten, bis
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0192"n="188"/>
wie zu Hauſe; hatte tauſend unnuͤtze Dinge<lb/>
zu fragen und zu erzaͤhlen, und brachte ein<lb/>ſo unerſchoͤpfliches Mundwerk zu Markte,<lb/>
daß er meine Leute uͤberall in ihren Verrich-<lb/>
tungen hinderte und mir ſelbſt dadurch uͤber-<lb/>
aus laͤſtig und unangenehm fiel. „Satt und<lb/>
genug, Alter!‟ fiel ich ihm endlich in die Rede —<lb/>„Euer Geplauder bringt mir mein Volk aus<lb/>
dem Texte. Da geht hinein in die Com-<lb/>
buſe, und raucht Euer Pfeifchen in Frieden,<lb/>
bis ich Euch rufen laſſen werde.‟— Mur-<lb/>
rend that er meines Gebots; huͤllte ſich in<lb/>
eine Schmauchwolke, und legte ſich endlich<lb/>
aufs Ohr, ohne zu wiſſen oder zu fragen,<lb/>
was weiter um ihn her vorgieng.</p><lb/><p>Jnzwiſchen trieb, waͤhrend der Nacht<lb/>
und Ebbezeit, wo wir vor Anker lagen, ſo<lb/>
ungeheuer viel Eis auf uns zu, daß wir das<lb/>
Schiff kaum vor drei Kabeltauen halten konn-<lb/>
ten, indem die Schollen ſich immer hoͤher<lb/>
uͤber denſelben emporthuͤrmten und auf den<lb/>
Bug eindrangen, daß das Schiff vorne auf<lb/>
eine bedenkliche Weiſe niedertauchte, und<lb/>
jeden Augenblick zu erwarten ſtand, es werde<lb/>
von den Eismaſſen uͤberwaͤltigt werden und<lb/>
untergehen. Zugleich auch waren die Stoͤße,<lb/>
die es empfieng, ſo heftig, daß es Muͤhe<lb/>
koſtete, auf dem Verdeck das Stehen zu be-<lb/>
halten. Doch gab Gott Gnade, daß wir<lb/>
uns in dieſer gefaͤhrlichen Lage erhielten, bis<lb/></p></div></body></text></TEI>
[188/0192]
wie zu Hauſe; hatte tauſend unnuͤtze Dinge
zu fragen und zu erzaͤhlen, und brachte ein
ſo unerſchoͤpfliches Mundwerk zu Markte,
daß er meine Leute uͤberall in ihren Verrich-
tungen hinderte und mir ſelbſt dadurch uͤber-
aus laͤſtig und unangenehm fiel. „Satt und
genug, Alter!‟ fiel ich ihm endlich in die Rede —
„Euer Geplauder bringt mir mein Volk aus
dem Texte. Da geht hinein in die Com-
buſe, und raucht Euer Pfeifchen in Frieden,
bis ich Euch rufen laſſen werde.‟ — Mur-
rend that er meines Gebots; huͤllte ſich in
eine Schmauchwolke, und legte ſich endlich
aufs Ohr, ohne zu wiſſen oder zu fragen,
was weiter um ihn her vorgieng.
Jnzwiſchen trieb, waͤhrend der Nacht
und Ebbezeit, wo wir vor Anker lagen, ſo
ungeheuer viel Eis auf uns zu, daß wir das
Schiff kaum vor drei Kabeltauen halten konn-
ten, indem die Schollen ſich immer hoͤher
uͤber denſelben emporthuͤrmten und auf den
Bug eindrangen, daß das Schiff vorne auf
eine bedenkliche Weiſe niedertauchte, und
jeden Augenblick zu erwarten ſtand, es werde
von den Eismaſſen uͤberwaͤltigt werden und
untergehen. Zugleich auch waren die Stoͤße,
die es empfieng, ſo heftig, daß es Muͤhe
koſtete, auf dem Verdeck das Stehen zu be-
halten. Doch gab Gott Gnade, daß wir
uns in dieſer gefaͤhrlichen Lage erhielten, bis
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/192>, abgerufen am 02.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.