vier Bürgermeister von Hoorn, von Enk- huizen, von Medemblyck, von Edam, und noch ein Procurator, sich die Mühe genommen, diesen hochwichtigen Fall in ihrer Weisheit zu entscheiden. Je weniger mir aber von dieser Weisheit einleuchten wollte, desto min- der konnt' ich mich auch entbrechen, ihnen zu erwiedern: "Jhr Herren insgesammt ver- steht vom Seewesen keinen Pfifferling und hättet also immer zu Hause bleiben mögen. Jn Enkhuizen liegt aber, wie ich höre, ein holländisches Kriegsschiff: warum habt Jhr den Kapitain desselben zu Euern Rathschla- gungen nicht mit zugezogen? Jn Eurer Ent- scheidung vermisse ich alle Billigkeit und Ge- rechtigkeit; und darum werd' ich an erleuch- tetere Richter appelliren!" -- Das gesagt, kehrt' ich ihnen den Rücken, und schied von dannen.
Allernächst aber schrieb ich an Hrn. Flo- ris de Kinder nach Amsterdam; machte ihn mit der saubern Sentenz bekannt, und trug ihm auf, die Sache mit den Empfängern der Ladung, welche nach Usanz vornehmlich den Beutel würden haben ziehen müssen, in genauere Ueberlegung zu nehmen und mir wegen der Appellation nähere Jnstruction zuzufertigen. Mocht' es nun aber seyn, daß Diese an ihrem Thee einen so erklecklichen Gewinn hatten, um 1500 Gulden mit leich-
vier Buͤrgermeiſter von Hoorn, von Enk- huizen, von Medemblyck, von Edam, und noch ein Procurator, ſich die Muͤhe genommen, dieſen hochwichtigen Fall in ihrer Weisheit zu entſcheiden. Je weniger mir aber von dieſer Weisheit einleuchten wollte, deſto min- der konnt’ ich mich auch entbrechen, ihnen zu erwiedern: „Jhr Herren insgeſammt ver- ſteht vom Seeweſen keinen Pfifferling und haͤttet alſo immer zu Hauſe bleiben moͤgen. Jn Enkhuizen liegt aber, wie ich hoͤre, ein hollaͤndiſches Kriegsſchiff: warum habt Jhr den Kapitain deſſelben zu Euern Rathſchla- gungen nicht mit zugezogen? Jn Eurer Ent- ſcheidung vermiſſe ich alle Billigkeit und Ge- rechtigkeit; und darum werd’ ich an erleuch- tetere Richter appelliren!‟ — Das geſagt, kehrt’ ich ihnen den Ruͤcken, und ſchied von dannen.
Allernaͤchſt aber ſchrieb ich an Hrn. Flo- ris de Kinder nach Amſterdam; machte ihn mit der ſaubern Sentenz bekannt, und trug ihm auf, die Sache mit den Empfaͤngern der Ladung, welche nach Uſanz vornehmlich den Beutel wuͤrden haben ziehen muͤſſen, in genauere Ueberlegung zu nehmen und mir wegen der Appellation naͤhere Jnſtruction zuzufertigen. Mocht’ es nun aber ſeyn, daß Dieſe an ihrem Thee einen ſo erklecklichen Gewinn hatten, um 1500 Gulden mit leich-
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vier Buͤrgermeiſter von Hoorn, von Enk-
huizen, von Medemblyck, von Edam, und
noch ein Procurator, ſich die Muͤhe genommen,
dieſen hochwichtigen Fall in ihrer Weisheit
zu entſcheiden. Je weniger mir aber von
dieſer Weisheit einleuchten wollte, deſto min-
der konnt’ ich mich auch entbrechen, ihnen
zu erwiedern: „Jhr Herren insgeſammt ver-
ſteht vom Seeweſen keinen Pfifferling und
haͤttet alſo immer zu Hauſe bleiben moͤgen.
Jn Enkhuizen liegt aber, wie ich hoͤre, ein
hollaͤndiſches Kriegsſchiff: warum habt Jhr
den Kapitain deſſelben zu Euern Rathſchla-
gungen nicht mit zugezogen? Jn Eurer Ent-
ſcheidung vermiſſe ich alle Billigkeit und Ge-
rechtigkeit; und darum werd’ ich an erleuch-
tetere Richter appelliren!‟ — Das geſagt,
kehrt’ ich ihnen den Ruͤcken, und ſchied von
dannen.
Allernaͤchſt aber ſchrieb ich an Hrn. Flo-
ris de Kinder nach Amſterdam; machte ihn
mit der ſaubern Sentenz bekannt, und trug
ihm auf, die Sache mit den Empfaͤngern
der Ladung, welche nach Uſanz vornehmlich
den Beutel wuͤrden haben ziehen muͤſſen, in
genauere Ueberlegung zu nehmen und mir
wegen der Appellation naͤhere Jnſtruction
zuzufertigen. Mocht’ es nun aber ſeyn, daß
Dieſe an ihrem Thee einen ſo erklecklichen
Gewinn hatten, um 1500 Gulden mit leich-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/200>, abgerufen am 02.05.2024.
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