Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

an Bord des Holländers, und machte An-
stalten, dasselbe an seinen Masten aufzuzie-
hen, ohne daß das Schiffsvolk, das sich an
einfältigem Maulaufsperren begnügte, meiner
Keckheit Einhalt zu thun versuchte. Und so
weheten meine Flaggen den ganzen Tag,
ohne daß Jemand sich unterstanden hätte, sie
herabzureissen, oder daß der Kapitain sich
sehen lassen oder um den Vorgang zu küm-
mern geschienen. Mir aber diente mein ge-
kühltes Müthchen nur zu desto freudigerer
Erhöhung meines patriotischen Jubels.

Jndeß war nicht nur meine eingebrachte
Ladung in der Mitte Februars gelöscht, son-
dern vier Wochen später hatt' ich auch be-
reits wieder eine neue Fracht nach Lissabon
eingenommen, die in 100 Last Weizen, 200
Tonnen schwedischen Theers und einigen tau-
send Edammer Käsen, von 5 bis 6 Pfund
an Gewichte, bestand. Gleich darauf machte
ich Anstalten, in See zu gehen, und war eben
im Begriff, meine Anker aus dem Grunde
empor zu winden, als ich mich gegen den
Steuermann äusserte: "Nun, Gott sey von
Herzen gedankt, daß wir hier los sind: denn
nie hab' ich, nach schon vollendeter Reise, so-
viel Wunder, Verdruß und Unannehmlichkeit
erfahren, als diesmal unter den Holländern!"
-- Aber wiewenig ahndete ich, daß mir schon
in der nächsten halben Stunde eine weit

an Bord des Hollaͤnders, und machte An-
ſtalten, daſſelbe an ſeinen Maſten aufzuzie-
hen, ohne daß das Schiffsvolk, das ſich an
einfaͤltigem Maulaufſperren begnuͤgte, meiner
Keckheit Einhalt zu thun verſuchte. Und ſo
weheten meine Flaggen den ganzen Tag,
ohne daß Jemand ſich unterſtanden haͤtte, ſie
herabzureiſſen, oder daß der Kapitain ſich
ſehen laſſen oder um den Vorgang zu kuͤm-
mern geſchienen. Mir aber diente mein ge-
kuͤhltes Muͤthchen nur zu deſto freudigerer
Erhoͤhung meines patriotiſchen Jubels.

Jndeß war nicht nur meine eingebrachte
Ladung in der Mitte Februars geloͤſcht, ſon-
dern vier Wochen ſpaͤter hatt’ ich auch be-
reits wieder eine neue Fracht nach Liſſabon
eingenommen, die in 100 Laſt Weizen, 200
Tonnen ſchwediſchen Theers und einigen tau-
ſend Edammer Kaͤſen, von 5 bis 6 Pfund
an Gewichte, beſtand. Gleich darauf machte
ich Anſtalten, in See zu gehen, und war eben
im Begriff, meine Anker aus dem Grunde
empor zu winden, als ich mich gegen den
Steuermann aͤuſſerte: „Nun, Gott ſey von
Herzen gedankt, daß wir hier los ſind: denn
nie hab’ ich, nach ſchon vollendeter Reiſe, ſo-
viel Wunder, Verdruß und Unannehmlichkeit
erfahren, als diesmal unter den Hollaͤndern!‟
— Aber wiewenig ahndete ich, daß mir ſchon
in der naͤchſten halben Stunde eine weit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0204" n="200"/>
an Bord des Holla&#x0364;nders, und machte An-<lb/>
&#x017F;talten, da&#x017F;&#x017F;elbe an &#x017F;einen Ma&#x017F;ten aufzuzie-<lb/>
hen, ohne daß das Schiffsvolk, das &#x017F;ich an<lb/>
einfa&#x0364;ltigem Maulauf&#x017F;perren begnu&#x0364;gte, meiner<lb/>
Keckheit Einhalt zu thun ver&#x017F;uchte. Und &#x017F;o<lb/>
weheten meine Flaggen den ganzen Tag,<lb/>
ohne daß Jemand &#x017F;ich unter&#x017F;tanden ha&#x0364;tte, &#x017F;ie<lb/>
herabzurei&#x017F;&#x017F;en, oder daß der Kapitain &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;ehen la&#x017F;&#x017F;en oder um den Vorgang zu ku&#x0364;m-<lb/>
mern ge&#x017F;chienen. <hi rendition="#g">Mir</hi> aber diente mein ge-<lb/>
ku&#x0364;hltes Mu&#x0364;thchen nur zu de&#x017F;to freudigerer<lb/>
Erho&#x0364;hung meines patrioti&#x017F;chen Jubels.</p><lb/>
        <p>Jndeß war nicht nur meine eingebrachte<lb/>
Ladung in der Mitte Februars gelo&#x0364;&#x017F;cht, &#x017F;on-<lb/>
dern vier Wochen &#x017F;pa&#x0364;ter hatt&#x2019; ich auch be-<lb/>
reits wieder eine neue Fracht nach Li&#x017F;&#x017F;abon<lb/>
eingenommen, die in 100 La&#x017F;t Weizen, 200<lb/>
Tonnen &#x017F;chwedi&#x017F;chen Theers und einigen tau-<lb/>
&#x017F;end Edammer Ka&#x0364;&#x017F;en, von 5 bis 6 Pfund<lb/>
an Gewichte, be&#x017F;tand. Gleich darauf machte<lb/>
ich An&#x017F;talten, in See zu gehen, und war eben<lb/>
im Begriff, meine Anker aus dem Grunde<lb/>
empor zu winden, als ich mich gegen den<lb/>
Steuermann a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erte: &#x201E;Nun, Gott &#x017F;ey von<lb/>
Herzen gedankt, daß wir hier los &#x017F;ind: denn<lb/>
nie hab&#x2019; ich, nach &#x017F;chon vollendeter Rei&#x017F;e, &#x017F;o-<lb/>
viel Wunder, Verdruß und Unannehmlichkeit<lb/>
erfahren, als diesmal unter den Holla&#x0364;ndern!&#x201F;<lb/>
&#x2014; Aber wiewenig ahndete ich, daß mir &#x017F;chon<lb/>
in der na&#x0364;ch&#x017F;ten halben Stunde eine weit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0204] an Bord des Hollaͤnders, und machte An- ſtalten, daſſelbe an ſeinen Maſten aufzuzie- hen, ohne daß das Schiffsvolk, das ſich an einfaͤltigem Maulaufſperren begnuͤgte, meiner Keckheit Einhalt zu thun verſuchte. Und ſo weheten meine Flaggen den ganzen Tag, ohne daß Jemand ſich unterſtanden haͤtte, ſie herabzureiſſen, oder daß der Kapitain ſich ſehen laſſen oder um den Vorgang zu kuͤm- mern geſchienen. Mir aber diente mein ge- kuͤhltes Muͤthchen nur zu deſto freudigerer Erhoͤhung meines patriotiſchen Jubels. Jndeß war nicht nur meine eingebrachte Ladung in der Mitte Februars geloͤſcht, ſon- dern vier Wochen ſpaͤter hatt’ ich auch be- reits wieder eine neue Fracht nach Liſſabon eingenommen, die in 100 Laſt Weizen, 200 Tonnen ſchwediſchen Theers und einigen tau- ſend Edammer Kaͤſen, von 5 bis 6 Pfund an Gewichte, beſtand. Gleich darauf machte ich Anſtalten, in See zu gehen, und war eben im Begriff, meine Anker aus dem Grunde empor zu winden, als ich mich gegen den Steuermann aͤuſſerte: „Nun, Gott ſey von Herzen gedankt, daß wir hier los ſind: denn nie hab’ ich, nach ſchon vollendeter Reiſe, ſo- viel Wunder, Verdruß und Unannehmlichkeit erfahren, als diesmal unter den Hollaͤndern!‟ — Aber wiewenig ahndete ich, daß mir ſchon in der naͤchſten halben Stunde eine weit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/204
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/204>, abgerufen am 22.11.2024.