Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Jn der That war nun meine Lage be-
denklich genug; und ich durfte von den er-
hitzten Meuterern leicht das Aergste erwar-
ten: denn mein Leben sowohl, als die Er-
haltung des Schiffs, standen hier auf dem
Spiele. Sinnend und in stürmischer Bewe-
gung gieng ich in der Kajüte mit großen
Schritten auf und nieder, um über irgend
eine durchgreifende Maaßregel zu meiner
Rettung mit mir einig zu werden. Jch
erinnerte mich endlich, daß ich, einige Rei-
sen früherhin, in Hamburg einen Abdruck
des dort geltenden Schiffs- und See-Rechts
gekauft und bei mir an Bord hatte; sowie,
daß ich dasselbe zum öftern durchblättert und
mir mehrere Punkte angestrichen hatte, wor-
über Volk und Schiffer am leichtesten und
gewöhnlichsten mit einander zu zerfallen pfle-
gen; falls ich irgend einmal in einen ähn-
lichen Zwist gerathen sollte.

Ungesäumt holte ich dies Buch aus sei-
nem Winkel hervor; schlug den gesuchten
Artikel nach, und fand Folgendes verzeichnet:

"Einem Schiffer steht frei, seine Leute
"zu züchtigen; und es darf keine Gegen-
"wehr geschehen. Sollte aber ein Schiffs-
"mann sich unterstehen, seinen Schiffer
"zu schlagen oder sonst zu mißhandeln: so
"wartet Seiner der Galgen, nach Ham-
"burger Recht. -- Ebenso nach Engli-

Jn der That war nun meine Lage be-
denklich genug; und ich durfte von den er-
hitzten Meuterern leicht das Aergſte erwar-
ten: denn mein Leben ſowohl, als die Er-
haltung des Schiffs, ſtanden hier auf dem
Spiele. Sinnend und in ſtuͤrmiſcher Bewe-
gung gieng ich in der Kajuͤte mit großen
Schritten auf und nieder, um uͤber irgend
eine durchgreifende Maaßregel zu meiner
Rettung mit mir einig zu werden. Jch
erinnerte mich endlich, daß ich, einige Rei-
ſen fruͤherhin, in Hamburg einen Abdruck
des dort geltenden Schiffs- und See-Rechts
gekauft und bei mir an Bord hatte; ſowie,
daß ich daſſelbe zum oͤftern durchblaͤttert und
mir mehrere Punkte angeſtrichen hatte, wor-
uͤber Volk und Schiffer am leichteſten und
gewoͤhnlichſten mit einander zu zerfallen pfle-
gen; falls ich irgend einmal in einen aͤhn-
lichen Zwiſt gerathen ſollte.

Ungeſaͤumt holte ich dies Buch aus ſei-
nem Winkel hervor; ſchlug den geſuchten
Artikel nach, und fand Folgendes verzeichnet:

„Einem Schiffer ſteht frei, ſeine Leute
„zu zuͤchtigen; und es darf keine Gegen-
„wehr geſchehen. Sollte aber ein Schiffs-
„mann ſich unterſtehen, ſeinen Schiffer
„zu ſchlagen oder ſonſt zu mißhandeln: ſo
„wartet Seiner der Galgen, nach Ham-
„burger Recht. — Ebenſo nach Engli-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0224" n="220"/>
        <p>Jn der That war nun meine Lage be-<lb/>
denklich genug; und ich durfte von den er-<lb/>
hitzten Meuterern leicht das Aerg&#x017F;te erwar-<lb/>
ten: denn mein Leben &#x017F;owohl, als die Er-<lb/>
haltung des Schiffs, &#x017F;tanden hier auf dem<lb/>
Spiele. Sinnend und in &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;cher Bewe-<lb/>
gung gieng ich in der Kaju&#x0364;te mit großen<lb/>
Schritten auf und nieder, um u&#x0364;ber irgend<lb/>
eine durchgreifende Maaßregel zu meiner<lb/>
Rettung mit mir einig zu werden. Jch<lb/>
erinnerte mich endlich, daß ich, einige Rei-<lb/>
&#x017F;en fru&#x0364;herhin, in Hamburg einen Abdruck<lb/>
des dort geltenden Schiffs- und See-Rechts<lb/>
gekauft und bei mir an Bord hatte; &#x017F;owie,<lb/>
daß ich da&#x017F;&#x017F;elbe zum o&#x0364;ftern durchbla&#x0364;ttert und<lb/>
mir mehrere Punkte ange&#x017F;trichen hatte, wor-<lb/>
u&#x0364;ber Volk und Schiffer am leichte&#x017F;ten und<lb/>
gewo&#x0364;hnlich&#x017F;ten mit einander zu zerfallen pfle-<lb/>
gen; falls ich irgend einmal in einen a&#x0364;hn-<lb/>
lichen Zwi&#x017F;t gerathen &#x017F;ollte.</p><lb/>
        <p>Unge&#x017F;a&#x0364;umt holte ich dies Buch aus &#x017F;ei-<lb/>
nem Winkel hervor; &#x017F;chlug den ge&#x017F;uchten<lb/>
Artikel nach, und fand Folgendes verzeichnet:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Einem Schiffer &#x017F;teht frei, &#x017F;eine Leute<lb/>
&#x201E;zu zu&#x0364;chtigen; und es darf keine Gegen-<lb/>
&#x201E;wehr ge&#x017F;chehen. Sollte aber ein Schiffs-<lb/>
&#x201E;mann &#x017F;ich unter&#x017F;tehen, &#x017F;einen Schiffer<lb/>
&#x201E;zu &#x017F;chlagen oder &#x017F;on&#x017F;t zu mißhandeln: &#x017F;o<lb/>
&#x201E;wartet Seiner der Galgen, nach Ham-<lb/>
&#x201E;burger Recht. &#x2014; Eben&#x017F;o nach Engli-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0224] Jn der That war nun meine Lage be- denklich genug; und ich durfte von den er- hitzten Meuterern leicht das Aergſte erwar- ten: denn mein Leben ſowohl, als die Er- haltung des Schiffs, ſtanden hier auf dem Spiele. Sinnend und in ſtuͤrmiſcher Bewe- gung gieng ich in der Kajuͤte mit großen Schritten auf und nieder, um uͤber irgend eine durchgreifende Maaßregel zu meiner Rettung mit mir einig zu werden. Jch erinnerte mich endlich, daß ich, einige Rei- ſen fruͤherhin, in Hamburg einen Abdruck des dort geltenden Schiffs- und See-Rechts gekauft und bei mir an Bord hatte; ſowie, daß ich daſſelbe zum oͤftern durchblaͤttert und mir mehrere Punkte angeſtrichen hatte, wor- uͤber Volk und Schiffer am leichteſten und gewoͤhnlichſten mit einander zu zerfallen pfle- gen; falls ich irgend einmal in einen aͤhn- lichen Zwiſt gerathen ſollte. Ungeſaͤumt holte ich dies Buch aus ſei- nem Winkel hervor; ſchlug den geſuchten Artikel nach, und fand Folgendes verzeichnet: „Einem Schiffer ſteht frei, ſeine Leute „zu zuͤchtigen; und es darf keine Gegen- „wehr geſchehen. Sollte aber ein Schiffs- „mann ſich unterſtehen, ſeinen Schiffer „zu ſchlagen oder ſonſt zu mißhandeln: ſo „wartet Seiner der Galgen, nach Ham- „burger Recht. — Ebenſo nach Engli-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/224
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/224>, abgerufen am 02.05.2024.