von seiner Besatzung verlassen worden. Dies regte nun allmählig allerlerlei wunderliche Gedanken bei mir auf, die sich endlich in die Vorstellung auflöseten, wie es wohl des Versuchs nicht unwerth seyn möchte, das herrenlose Wrack mit dem grauenden Morgen wieder aufzusuchen, es in's Schlepptau zu nehmen und nach Norwegen zu führen, von dessen Küsten wir nur einige und zwanzig Meilen entfernt waren. Der Wind zur Fahrt dahin wehete günstig, und für die aufge- wandte Zeit und Mühe schien ein so bedeu- tender Fund, auch ohne Rücksicht auf die etwannige Ladung, uns genüglich entschädigen zu können.
Bei dem Wechsel der Wache um Mitter- nacht theilte ich diesen Anschlag dem Steuer- mann mit, der meiner Meynung beistimmte, und mit dem ich nunmehr für die übrige Nacht einen solchen Kurs verabredete, daß wir hoffen konnten, uns bei Tages-Anbruch wieder in der Nähe jenes Schiffes zu befinden. Jn der That auch erblickten wir dasselbe kaum eine halbe Meile vor uns unter dem Winde. Obwohl nun das Wetter ziemlich stürmisch war, setzten wir doch sofort unser großes Boot aus; und indem wir uns mit unserm eignen Schiffe, unter zum Theil festgemachten Segeln, dem Wrack bis auf eine Entfernung von etwa 80 Klaftern
von ſeiner Beſatzung verlaſſen worden. Dies regte nun allmaͤhlig allerlerlei wunderliche Gedanken bei mir auf, die ſich endlich in die Vorſtellung aufloͤſeten, wie es wohl des Verſuchs nicht unwerth ſeyn moͤchte, das herrenloſe Wrack mit dem grauenden Morgen wieder aufzuſuchen, es in’s Schlepptau zu nehmen und nach Norwegen zu fuͤhren, von deſſen Kuͤſten wir nur einige und zwanzig Meilen entfernt waren. Der Wind zur Fahrt dahin wehete guͤnſtig, und fuͤr die aufge- wandte Zeit und Muͤhe ſchien ein ſo bedeu- tender Fund, auch ohne Ruͤckſicht auf die etwannige Ladung, uns genuͤglich entſchaͤdigen zu koͤnnen.
Bei dem Wechſel der Wache um Mitter- nacht theilte ich dieſen Anſchlag dem Steuer- mann mit, der meiner Meynung beiſtimmte, und mit dem ich nunmehr fuͤr die uͤbrige Nacht einen ſolchen Kurs verabredete, daß wir hoffen konnten, uns bei Tages-Anbruch wieder in der Naͤhe jenes Schiffes zu befinden. Jn der That auch erblickten wir daſſelbe kaum eine halbe Meile vor uns unter dem Winde. Obwohl nun das Wetter ziemlich ſtuͤrmiſch war, ſetzten wir doch ſofort unſer großes Boot aus; und indem wir uns mit unſerm eignen Schiffe, unter zum Theil feſtgemachten Segeln, dem Wrack bis auf eine Entfernung von etwa 80 Klaftern
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von ſeiner Beſatzung verlaſſen worden. Dies
regte nun allmaͤhlig allerlerlei wunderliche
Gedanken bei mir auf, die ſich endlich in
die Vorſtellung aufloͤſeten, wie es wohl des
Verſuchs nicht unwerth ſeyn moͤchte, das
herrenloſe Wrack mit dem grauenden Morgen
wieder aufzuſuchen, es in’s Schlepptau zu
nehmen und nach Norwegen zu fuͤhren, von
deſſen Kuͤſten wir nur einige und zwanzig
Meilen entfernt waren. Der Wind zur Fahrt
dahin wehete guͤnſtig, und fuͤr die aufge-
wandte Zeit und Muͤhe ſchien ein ſo bedeu-
tender Fund, auch ohne Ruͤckſicht auf die
etwannige Ladung, uns genuͤglich entſchaͤdigen
zu koͤnnen.
Bei dem Wechſel der Wache um Mitter-
nacht theilte ich dieſen Anſchlag dem Steuer-
mann mit, der meiner Meynung beiſtimmte,
und mit dem ich nunmehr fuͤr die uͤbrige
Nacht einen ſolchen Kurs verabredete, daß
wir hoffen konnten, uns bei Tages-Anbruch
wieder in der Naͤhe jenes Schiffes zu befinden.
Jn der That auch erblickten wir daſſelbe
kaum eine halbe Meile vor uns unter dem
Winde. Obwohl nun das Wetter ziemlich
ſtuͤrmiſch war, ſetzten wir doch ſofort unſer
großes Boot aus; und indem wir uns
mit unſerm eignen Schiffe, unter zum
Theil feſtgemachten Segeln, dem Wrack bis
auf eine Entfernung von etwa 80 Klaftern
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/237>, abgerufen am 03.05.2024.
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