Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

erhielt ein paar Gulden; doch als Johann
seinen vollen Lohn forderte, stellte ich mich,
zum Schein, befremdet, bis er mir erklärte,
daß er seinen Geschwistern daheim allerlei
Geschenke zugedacht habe, die er dafür einzu-
kaufen gedenke. Allein am Abend kamen
zwar die Uebrigen Alle, nur mein Johann
Ollhof nicht, zum Vorschein. Natürlich gab
ich mir auch keine sonderliche Mühe, Seiner
wieder habhaft zu werden; und so blieb er
seinem guten oder bösen Geschick überlassen.

Jetzt, da ich mich eben im Gewühl der
Lissaboner Börse befand, hört' ich einen Kauf-
mann laut nach dem "Kapitain Johann Ollhof"
rufen, den ich selbst in dem dichten Haufen nicht
gewahr zu werden vermochte. Doch sah
ich gleich darauf eine Figur nach Jenem sich
hinwenden, in welcher ich, mit freudigem
Erschrecken, trotz der glänzenden Uniform,
des Degens und der Schärpe, augenblicklich
meinen ehemaligen Deserteur erkannte. Wie
hätt' ich mich enthalten können, mit rascher
Bewegung und der Frage auf ihn zuzutreten:
"Jst's möglich? Johann Ollhof, seyd Jhr
es?" -- Verwundert sah er mir scharf in's
Gesicht; erkannte mich im nächsten Moment
nicht minder, und fiel mir mit dem Freu-
denruf um den Hals: "Kapitain Nettelbeck
-- Sie find' ich hier wieder? O, tausend
Mal willkommen in meinen Armen!"

erhielt ein paar Gulden; doch als Johann
ſeinen vollen Lohn forderte, ſtellte ich mich,
zum Schein, befremdet, bis er mir erklaͤrte,
daß er ſeinen Geſchwiſtern daheim allerlei
Geſchenke zugedacht habe, die er dafuͤr einzu-
kaufen gedenke. Allein am Abend kamen
zwar die Uebrigen Alle, nur mein Johann
Ollhof nicht, zum Vorſchein. Natuͤrlich gab
ich mir auch keine ſonderliche Muͤhe, Seiner
wieder habhaft zu werden; und ſo blieb er
ſeinem guten oder boͤſen Geſchick uͤberlaſſen.

Jetzt, da ich mich eben im Gewuͤhl der
Liſſaboner Boͤrſe befand, hoͤrt’ ich einen Kauf-
mann laut nach dem „Kapitain Johann Ollhof‟
rufen, den ich ſelbſt in dem dichten Haufen nicht
gewahr zu werden vermochte. Doch ſah
ich gleich darauf eine Figur nach Jenem ſich
hinwenden, in welcher ich, mit freudigem
Erſchrecken, trotz der glaͤnzenden Uniform,
des Degens und der Schaͤrpe, augenblicklich
meinen ehemaligen Deſerteur erkannte. Wie
haͤtt’ ich mich enthalten koͤnnen, mit raſcher
Bewegung und der Frage auf ihn zuzutreten:
„Jſt’s moͤglich? Johann Ollhof, ſeyd Jhr
es?‟ — Verwundert ſah er mir ſcharf in’s
Geſicht; erkannte mich im naͤchſten Moment
nicht minder, und fiel mir mit dem Freu-
denruf um den Hals: „Kapitain Nettelbeck
Sie find’ ich hier wieder? O, tauſend
Mal willkommen in meinen Armen!‟

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0243" n="239"/>
erhielt ein paar Gulden; doch als Johann<lb/>
&#x017F;einen vollen Lohn forderte, &#x017F;tellte ich mich,<lb/>
zum Schein, befremdet, bis er mir erkla&#x0364;rte,<lb/>
daß er &#x017F;einen Ge&#x017F;chwi&#x017F;tern daheim allerlei<lb/>
Ge&#x017F;chenke zugedacht habe, die er dafu&#x0364;r einzu-<lb/>
kaufen gedenke. Allein am Abend kamen<lb/>
zwar die Uebrigen Alle, nur mein Johann<lb/>
Ollhof nicht, zum Vor&#x017F;chein. Natu&#x0364;rlich gab<lb/>
ich mir auch keine &#x017F;onderliche Mu&#x0364;he, Seiner<lb/>
wieder habhaft zu werden; und &#x017F;o blieb er<lb/>
&#x017F;einem guten oder bo&#x0364;&#x017F;en Ge&#x017F;chick u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Jetzt, da ich mich eben im Gewu&#x0364;hl der<lb/>
Li&#x017F;&#x017F;aboner Bo&#x0364;r&#x017F;e befand, ho&#x0364;rt&#x2019; ich einen Kauf-<lb/>
mann laut nach dem &#x201E;Kapitain Johann Ollhof&#x201F;<lb/>
rufen, den ich &#x017F;elb&#x017F;t in dem dichten Haufen nicht<lb/>
gewahr zu werden vermochte. Doch &#x017F;ah<lb/>
ich gleich darauf eine Figur nach Jenem &#x017F;ich<lb/>
hinwenden, in welcher ich, mit freudigem<lb/>
Er&#x017F;chrecken, trotz der gla&#x0364;nzenden Uniform,<lb/>
des Degens und der Scha&#x0364;rpe, augenblicklich<lb/>
meinen ehemaligen De&#x017F;erteur erkannte. Wie<lb/>
ha&#x0364;tt&#x2019; ich mich enthalten ko&#x0364;nnen, mit ra&#x017F;cher<lb/>
Bewegung und der Frage auf ihn zuzutreten:<lb/>
&#x201E;J&#x017F;t&#x2019;s mo&#x0364;glich? Johann Ollhof, &#x017F;eyd Jhr<lb/>
es?&#x201F; &#x2014; Verwundert &#x017F;ah er mir &#x017F;charf in&#x2019;s<lb/>
Ge&#x017F;icht; erkannte mich im na&#x0364;ch&#x017F;ten Moment<lb/>
nicht minder, und fiel mir mit dem Freu-<lb/>
denruf um den Hals: &#x201E;Kapitain Nettelbeck<lb/>
&#x2014; <hi rendition="#g">Sie</hi> find&#x2019; ich hier wieder? O, tau&#x017F;end<lb/>
Mal willkommen in meinen Armen!&#x201F;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0243] erhielt ein paar Gulden; doch als Johann ſeinen vollen Lohn forderte, ſtellte ich mich, zum Schein, befremdet, bis er mir erklaͤrte, daß er ſeinen Geſchwiſtern daheim allerlei Geſchenke zugedacht habe, die er dafuͤr einzu- kaufen gedenke. Allein am Abend kamen zwar die Uebrigen Alle, nur mein Johann Ollhof nicht, zum Vorſchein. Natuͤrlich gab ich mir auch keine ſonderliche Muͤhe, Seiner wieder habhaft zu werden; und ſo blieb er ſeinem guten oder boͤſen Geſchick uͤberlaſſen. Jetzt, da ich mich eben im Gewuͤhl der Liſſaboner Boͤrſe befand, hoͤrt’ ich einen Kauf- mann laut nach dem „Kapitain Johann Ollhof‟ rufen, den ich ſelbſt in dem dichten Haufen nicht gewahr zu werden vermochte. Doch ſah ich gleich darauf eine Figur nach Jenem ſich hinwenden, in welcher ich, mit freudigem Erſchrecken, trotz der glaͤnzenden Uniform, des Degens und der Schaͤrpe, augenblicklich meinen ehemaligen Deſerteur erkannte. Wie haͤtt’ ich mich enthalten koͤnnen, mit raſcher Bewegung und der Frage auf ihn zuzutreten: „Jſt’s moͤglich? Johann Ollhof, ſeyd Jhr es?‟ — Verwundert ſah er mir ſcharf in’s Geſicht; erkannte mich im naͤchſten Moment nicht minder, und fiel mir mit dem Freu- denruf um den Hals: „Kapitain Nettelbeck — Sie find’ ich hier wieder? O, tauſend Mal willkommen in meinen Armen!‟

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/243
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/243>, abgerufen am 03.05.2024.