mich, fragte mich über meine Umstände aus und erbot sich auf der Stelle edelmüthig, mich, wenn ich wolle, mit nach Colberg zu nehmen und für mein weiteres Unterkommen zu sorgen. Er habe auch zwei Söhne in der See; und Gott wisse, wo und wie auch sie die Hülfe mitleidiger Seelen bedürfen könnten. Vor der Hand könne er zwar nur mich allein mitnehmen: allein auch für die Rück- bleibenden solle baldigst Rath geschafft werden.
"So kam ich" fuhr er fort -- "nach Colberg in Euer väterliches Haus, wo ich an Eures Vaters, Mutter und Schwester Seite ge- gessen und getrunken, all meine Nothdurft empfangen und tausendfache Liebe und Güte genossen habe. Eure Schwester versorgte mich mit Wäsche; meine kleinsten Wünsche wurden erfüllt; und so erhielt ich von so liebreichen Händen meine volle Verpflegung bis über Ostern hinaus, wo sich endlich eine Schiffsgelegenheit fand, wieder nach der Heimath zurückzukehren. Aber auch da noch steckte mir Euer Vater einen holländischen Dukaten zum Reisegelde in die Hand, und hinter seinem Rücken that Eure Mutter mit zwei preussischen harten Thalern das nemliche. Oft genug erzählten mir Beide von ihrem wackern Sohne in Königsberg; und ich hin- wiederum vertraute ihnen, wie ich, obwohl ich es vorgegeben, doch kein Holländer, son-
mich, fragte mich uͤber meine Umſtaͤnde aus und erbot ſich auf der Stelle edelmuͤthig, mich, wenn ich wolle, mit nach Colberg zu nehmen und fuͤr mein weiteres Unterkommen zu ſorgen. Er habe auch zwei Soͤhne in der See; und Gott wiſſe, wo und wie auch ſie die Huͤlfe mitleidiger Seelen beduͤrfen koͤnnten. Vor der Hand koͤnne er zwar nur mich allein mitnehmen: allein auch fuͤr die Ruͤck- bleibenden ſolle baldigſt Rath geſchafft werden.
„So kam ich‟ fuhr er fort — „nach Colberg in Euer vaͤterliches Haus, wo ich an Eures Vaters, Mutter und Schweſter Seite ge- geſſen und getrunken, all meine Nothdurft empfangen und tauſendfache Liebe und Guͤte genoſſen habe. Eure Schweſter verſorgte mich mit Waͤſche; meine kleinſten Wuͤnſche wurden erfuͤllt; und ſo erhielt ich von ſo liebreichen Haͤnden meine volle Verpflegung bis uͤber Oſtern hinaus, wo ſich endlich eine Schiffsgelegenheit fand, wieder nach der Heimath zuruͤckzukehren. Aber auch da noch ſteckte mir Euer Vater einen hollaͤndiſchen Dukaten zum Reiſegelde in die Hand, und hinter ſeinem Ruͤcken that Eure Mutter mit zwei preuſſiſchen harten Thalern das nemliche. Oft genug erzaͤhlten mir Beide von ihrem wackern Sohne in Koͤnigsberg; und ich hin- wiederum vertraute ihnen, wie ich, obwohl ich es vorgegeben, doch kein Hollaͤnder, ſon-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0077"n="73"/><hirendition="#g">mich,</hi> fragte mich uͤber meine Umſtaͤnde aus<lb/>
und erbot ſich auf der Stelle edelmuͤthig,<lb/>
mich, wenn ich wolle, mit nach Colberg zu<lb/>
nehmen und fuͤr mein weiteres Unterkommen<lb/>
zu ſorgen. Er habe auch zwei Soͤhne in<lb/>
der See; und Gott wiſſe, wo und wie auch<lb/><hirendition="#g">ſie</hi> die Huͤlfe mitleidiger Seelen beduͤrfen<lb/>
koͤnnten. Vor der Hand koͤnne er zwar nur<lb/>
mich allein mitnehmen: allein auch fuͤr die Ruͤck-<lb/>
bleibenden ſolle baldigſt Rath geſchafft werden.</p><lb/><p>„So kam ich‟ fuhr er fort —„nach Colberg<lb/>
in Euer vaͤterliches Haus, wo ich an Eures<lb/>
Vaters, Mutter und Schweſter Seite ge-<lb/>
geſſen und getrunken, all meine Nothdurft<lb/>
empfangen und tauſendfache Liebe und Guͤte<lb/>
genoſſen habe. Eure Schweſter verſorgte<lb/>
mich mit Waͤſche; meine kleinſten Wuͤnſche<lb/>
wurden erfuͤllt; und ſo erhielt ich von ſo<lb/>
liebreichen Haͤnden meine volle Verpflegung<lb/>
bis uͤber Oſtern hinaus, wo ſich endlich eine<lb/>
Schiffsgelegenheit fand, wieder nach der<lb/>
Heimath zuruͤckzukehren. Aber auch da noch<lb/>ſteckte mir Euer Vater einen hollaͤndiſchen<lb/>
Dukaten zum Reiſegelde in die Hand, und<lb/>
hinter ſeinem Ruͤcken that Eure Mutter mit<lb/>
zwei preuſſiſchen harten Thalern das nemliche.<lb/>
Oft genug erzaͤhlten mir Beide von ihrem<lb/>
wackern Sohne in Koͤnigsberg; und ich hin-<lb/>
wiederum vertraute ihnen, wie ich, obwohl<lb/>
ich es vorgegeben, doch kein Hollaͤnder, ſon-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[73/0077]
mich, fragte mich uͤber meine Umſtaͤnde aus
und erbot ſich auf der Stelle edelmuͤthig,
mich, wenn ich wolle, mit nach Colberg zu
nehmen und fuͤr mein weiteres Unterkommen
zu ſorgen. Er habe auch zwei Soͤhne in
der See; und Gott wiſſe, wo und wie auch
ſie die Huͤlfe mitleidiger Seelen beduͤrfen
koͤnnten. Vor der Hand koͤnne er zwar nur
mich allein mitnehmen: allein auch fuͤr die Ruͤck-
bleibenden ſolle baldigſt Rath geſchafft werden.
„So kam ich‟ fuhr er fort — „nach Colberg
in Euer vaͤterliches Haus, wo ich an Eures
Vaters, Mutter und Schweſter Seite ge-
geſſen und getrunken, all meine Nothdurft
empfangen und tauſendfache Liebe und Guͤte
genoſſen habe. Eure Schweſter verſorgte
mich mit Waͤſche; meine kleinſten Wuͤnſche
wurden erfuͤllt; und ſo erhielt ich von ſo
liebreichen Haͤnden meine volle Verpflegung
bis uͤber Oſtern hinaus, wo ſich endlich eine
Schiffsgelegenheit fand, wieder nach der
Heimath zuruͤckzukehren. Aber auch da noch
ſteckte mir Euer Vater einen hollaͤndiſchen
Dukaten zum Reiſegelde in die Hand, und
hinter ſeinem Ruͤcken that Eure Mutter mit
zwei preuſſiſchen harten Thalern das nemliche.
Oft genug erzaͤhlten mir Beide von ihrem
wackern Sohne in Koͤnigsberg; und ich hin-
wiederum vertraute ihnen, wie ich, obwohl
ich es vorgegeben, doch kein Hollaͤnder, ſon-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/77>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.