Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

sie sollten den Schändlichen, wie einen tollen
Hund, niederstoßen; und erzürnte mich noch hef-
tiger, als sie mir dies weigerten, weil sie ihm
einmal Pardon gegeben. Jetzt wollte ich selbst
ihm an's Leben, und griff hie und dort hin nach
einem Bajonet, das mir aber mit Glimpf vor-
enthalten wurde. Jch mußte es mit ansehen,
daß man ihn lebendig zur Stadt brachte. Je
unwerther er mir aber erschien, daß ihn die Erde
trüge, desto eifriger waren nun auch meine Vor-
stellungen bei dem Commandanten, dem Böse-
wicht seinen verdienten Lohn am Galgen auszu-
wirken, und ihn zu einem abschreckenden Beispiel
für alle Seinesgleichen zu machen. Allein auch
hier überwog das menschliche Gefühl die strenge
Gerechtigkeit. Von einem mitleidigeren Gesichts-
punkt ausgehend, begnügte sich sein edler Rich-
ter, ihn zu Kettenstrafe und Aufbewahrung im
Stockhause zu verurtheilen. Dort blieb er noch
vier oder fünf Jahre gefangen; worauf man ihn
laufen ließ; und noch diese Stunde bettelt er in
der Gegend umher.

Je enger die Stadt seither eingeschlossen
worden, um so weniger blieb auch der Cavallerie
des Schillschen Corps der erforderliche Spiel-
raum, sich mit der sonst gewohnten Thätigkeit zu
tummeln. Loucadou, dem überhaupt das ganze
Corps ein Dorn im Auge war, hatte schon frü-
her auf die Entfernung jener Reiterei, nach
Schill's Abzuge, gedrungen; und es war von

ſie ſollten den Schaͤndlichen, wie einen tollen
Hund, niederſtoßen; und erzuͤrnte mich noch hef-
tiger, als ſie mir dies weigerten, weil ſie ihm
einmal Pardon gegeben. Jetzt wollte ich ſelbſt
ihm an’s Leben, und griff hie und dort hin nach
einem Bajonet, das mir aber mit Glimpf vor-
enthalten wurde. Jch mußte es mit anſehen,
daß man ihn lebendig zur Stadt brachte. Je
unwerther er mir aber erſchien, daß ihn die Erde
truͤge, deſto eifriger waren nun auch meine Vor-
ſtellungen bei dem Commandanten, dem Boͤſe-
wicht ſeinen verdienten Lohn am Galgen auszu-
wirken, und ihn zu einem abſchreckenden Beiſpiel
fuͤr alle Seinesgleichen zu machen. Allein auch
hier uͤberwog das menſchliche Gefuͤhl die ſtrenge
Gerechtigkeit. Von einem mitleidigeren Geſichts-
punkt ausgehend, begnuͤgte ſich ſein edler Rich-
ter, ihn zu Kettenſtrafe und Aufbewahrung im
Stockhauſe zu verurtheilen. Dort blieb er noch
vier oder fuͤnf Jahre gefangen; worauf man ihn
laufen ließ; und noch dieſe Stunde bettelt er in
der Gegend umher.

Je enger die Stadt ſeither eingeſchloſſen
worden, um ſo weniger blieb auch der Cavallerie
des Schillſchen Corps der erforderliche Spiel-
raum, ſich mit der ſonſt gewohnten Thaͤtigkeit zu
tummeln. Loucadou, dem uͤberhaupt das ganze
Corps ein Dorn im Auge war, hatte ſchon fruͤ-
her auf die Entfernung jener Reiterei, nach
Schill’s Abzuge, gedrungen; und es war von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0126" n="110"/>
&#x017F;ie &#x017F;ollten den Scha&#x0364;ndlichen, wie einen tollen<lb/>
Hund, nieder&#x017F;toßen; und erzu&#x0364;rnte mich noch hef-<lb/>
tiger, als &#x017F;ie mir dies weigerten, weil &#x017F;ie ihm<lb/>
einmal Pardon gegeben. Jetzt wollte ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ihm an&#x2019;s Leben, und griff hie und dort hin nach<lb/>
einem Bajonet, das mir aber mit Glimpf vor-<lb/>
enthalten wurde. Jch mußte es mit an&#x017F;ehen,<lb/>
daß man ihn lebendig zur Stadt brachte. Je<lb/>
unwerther er mir aber er&#x017F;chien, daß ihn die Erde<lb/>
tru&#x0364;ge, de&#x017F;to eifriger waren nun auch meine Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen bei dem Commandanten, dem Bo&#x0364;&#x017F;e-<lb/>
wicht &#x017F;einen verdienten Lohn am Galgen auszu-<lb/>
wirken, und ihn zu einem ab&#x017F;chreckenden Bei&#x017F;piel<lb/>
fu&#x0364;r alle Seinesgleichen zu machen. Allein auch<lb/>
hier u&#x0364;berwog das men&#x017F;chliche Gefu&#x0364;hl die &#x017F;trenge<lb/>
Gerechtigkeit. Von einem mitleidigeren Ge&#x017F;ichts-<lb/>
punkt ausgehend, begnu&#x0364;gte &#x017F;ich &#x017F;ein edler Rich-<lb/>
ter, ihn zu Ketten&#x017F;trafe und Aufbewahrung im<lb/>
Stockhau&#x017F;e zu verurtheilen. Dort blieb er noch<lb/>
vier oder fu&#x0364;nf Jahre gefangen; worauf man ihn<lb/>
laufen ließ; und noch die&#x017F;e Stunde bettelt er in<lb/>
der Gegend umher.</p><lb/>
        <p>Je enger die Stadt &#x017F;either einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
worden, um &#x017F;o weniger blieb auch der Cavallerie<lb/>
des Schill&#x017F;chen Corps der erforderliche Spiel-<lb/>
raum, &#x017F;ich mit der &#x017F;on&#x017F;t gewohnten Tha&#x0364;tigkeit zu<lb/>
tummeln. Loucadou, dem u&#x0364;berhaupt das ganze<lb/>
Corps ein Dorn im Auge war, hatte &#x017F;chon fru&#x0364;-<lb/>
her auf die Entfernung jener Reiterei, nach<lb/>
Schill&#x2019;s Abzuge, gedrungen; und es war von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0126] ſie ſollten den Schaͤndlichen, wie einen tollen Hund, niederſtoßen; und erzuͤrnte mich noch hef- tiger, als ſie mir dies weigerten, weil ſie ihm einmal Pardon gegeben. Jetzt wollte ich ſelbſt ihm an’s Leben, und griff hie und dort hin nach einem Bajonet, das mir aber mit Glimpf vor- enthalten wurde. Jch mußte es mit anſehen, daß man ihn lebendig zur Stadt brachte. Je unwerther er mir aber erſchien, daß ihn die Erde truͤge, deſto eifriger waren nun auch meine Vor- ſtellungen bei dem Commandanten, dem Boͤſe- wicht ſeinen verdienten Lohn am Galgen auszu- wirken, und ihn zu einem abſchreckenden Beiſpiel fuͤr alle Seinesgleichen zu machen. Allein auch hier uͤberwog das menſchliche Gefuͤhl die ſtrenge Gerechtigkeit. Von einem mitleidigeren Geſichts- punkt ausgehend, begnuͤgte ſich ſein edler Rich- ter, ihn zu Kettenſtrafe und Aufbewahrung im Stockhauſe zu verurtheilen. Dort blieb er noch vier oder fuͤnf Jahre gefangen; worauf man ihn laufen ließ; und noch dieſe Stunde bettelt er in der Gegend umher. Je enger die Stadt ſeither eingeſchloſſen worden, um ſo weniger blieb auch der Cavallerie des Schillſchen Corps der erforderliche Spiel- raum, ſich mit der ſonſt gewohnten Thaͤtigkeit zu tummeln. Loucadou, dem uͤberhaupt das ganze Corps ein Dorn im Auge war, hatte ſchon fruͤ- her auf die Entfernung jener Reiterei, nach Schill’s Abzuge, gedrungen; und es war von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/126
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/126>, abgerufen am 26.11.2024.