brauchbaren Stücken, in einem Augenblicke, wo wir deren mehr, als jemals bedurften, uns mit nicht unbilliger Sorge erfüllte; so mag man sich auch unsre freudige Ueberraschung vorstellen, als am 14. Junius die Meldung eingieng, daß ein englisches Schiff sich der Rheede nähere, welches uns eine Anzahl neuen Geschützes, sammt dazu gehöriger Munition, zuführe. Doch eben so schnell auch ward uns diese Freude wieder getrübt durch den Zusatz: Das Schiff sey in dem stür- mischen Wetter unter den Wind gerathen und habe die Rheede nicht mehr gewinnen können, sondern sich ostwärts wenden müssen; wobei es, ohnweit Henkenhagen, der Küste sich zusehr ge- nähert, und nun in Gefahr stehe, entweder zu stranden und so den Franzosen in die Hände zu fallen, oder doch von ihnen auf Böten geentert zu werden.
Jch flog mehr, als ich gieng, um nach der Münde zu kommen und Rath zu schaffen, daß das Schiff gerettet würde. Als ich ankam, war es die alte Geschichte! Viel Mundaufsperrens, viel Fragens, viel Berathens: und dennoch kein Entschluß! Die Lootsen schoben's auf die stür- mische See, und wollten's nicht wagen, sich nä- her nach dem Schiffe umzusehen: allein es mochte ihnen, wie ich leicht spürte, wohl noch mehr vor den Franzosen, als vor dem empörten Elemente, grauen. Nun schalt ich; und das nicht wenig! Als aber nichts bei den Memmen anschlug, fiel
(9 *)
brauchbaren Stuͤcken, in einem Augenblicke, wo wir deren mehr, als jemals bedurften, uns mit nicht unbilliger Sorge erfuͤllte; ſo mag man ſich auch unſre freudige Ueberraſchung vorſtellen, als am 14. Junius die Meldung eingieng, daß ein engliſches Schiff ſich der Rheede naͤhere, welches uns eine Anzahl neuen Geſchuͤtzes, ſammt dazu gehoͤriger Munition, zufuͤhre. Doch eben ſo ſchnell auch ward uns dieſe Freude wieder getruͤbt durch den Zuſatz: Das Schiff ſey in dem ſtuͤr- miſchen Wetter unter den Wind gerathen und habe die Rheede nicht mehr gewinnen koͤnnen, ſondern ſich oſtwaͤrts wenden muͤſſen; wobei es, ohnweit Henkenhagen, der Kuͤſte ſich zuſehr ge- naͤhert, und nun in Gefahr ſtehe, entweder zu ſtranden und ſo den Franzoſen in die Haͤnde zu fallen, oder doch von ihnen auf Boͤten geentert zu werden.
Jch flog mehr, als ich gieng, um nach der Muͤnde zu kommen und Rath zu ſchaffen, daß das Schiff gerettet wuͤrde. Als ich ankam, war es die alte Geſchichte! Viel Mundaufſperrens, viel Fragens, viel Berathens: und dennoch kein Entſchluß! Die Lootſen ſchoben’s auf die ſtuͤr- miſche See, und wollten’s nicht wagen, ſich naͤ- her nach dem Schiffe umzuſehen: allein es mochte ihnen, wie ich leicht ſpuͤrte, wohl noch mehr vor den Franzoſen, als vor dem empoͤrten Elemente, grauen. Nun ſchalt ich; und das nicht wenig! Als aber nichts bei den Memmen anſchlug, fiel
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brauchbaren Stuͤcken, in einem Augenblicke, wo
wir deren mehr, als jemals bedurften, uns mit
nicht unbilliger Sorge erfuͤllte; ſo mag man ſich
auch unſre freudige Ueberraſchung vorſtellen, als
am 14. Junius die Meldung eingieng, daß ein
engliſches Schiff ſich der Rheede naͤhere, welches
uns eine Anzahl neuen Geſchuͤtzes, ſammt dazu
gehoͤriger Munition, zufuͤhre. Doch eben ſo
ſchnell auch ward uns dieſe Freude wieder getruͤbt
durch den Zuſatz: Das Schiff ſey in dem ſtuͤr-
miſchen Wetter unter den Wind gerathen und
habe die Rheede nicht mehr gewinnen koͤnnen,
ſondern ſich oſtwaͤrts wenden muͤſſen; wobei es,
ohnweit Henkenhagen, der Kuͤſte ſich zuſehr ge-
naͤhert, und nun in Gefahr ſtehe, entweder zu
ſtranden und ſo den Franzoſen in die Haͤnde zu
fallen, oder doch von ihnen auf Boͤten geentert
zu werden.
Jch flog mehr, als ich gieng, um nach der
Muͤnde zu kommen und Rath zu ſchaffen, daß
das Schiff gerettet wuͤrde. Als ich ankam, war
es die alte Geſchichte! Viel Mundaufſperrens,
viel Fragens, viel Berathens: und dennoch kein
Entſchluß! Die Lootſen ſchoben’s auf die ſtuͤr-
miſche See, und wollten’s nicht wagen, ſich naͤ-
her nach dem Schiffe umzuſehen: allein es mochte
ihnen, wie ich leicht ſpuͤrte, wohl noch mehr vor
den Franzoſen, als vor dem empoͤrten Elemente,
grauen. Nun ſchalt ich; und das nicht wenig!
Als aber nichts bei den Memmen anſchlug, fiel
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/147>, abgerufen am 16.07.2024.
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